Die in Bild 4 gezeigte Schaltung für eine symmetrische Audio-Eingangsstufe weist zahlreiche Verbesserungen gegenüber der Schaltung aus Bild 2 auf. Sie besteht nicht aus einem Operationsverstärker und diskreten Widerständen, sondern basiert auf einem Empfänger-IC für symmetrische Signale – INA1650 mit zwei Audio-Eingangskanälen von Texas Instruments [4].
Bild 5 zeigt die interne Schaltung des INA1650 für einen Kanal. Die zusätzlichen Pufferverstärker V1 und V2 vor dem standardmäßigen, mit vier Widerständen bestückten Differenzverstärker V3 entkoppeln die Widerstände des Differenzver-stärkers von den externen Schaltungen. Außerdem ermöglichen sie eine Anpassung der Eingangsimpedanzen an beiden Signalleitungen. V1 und V2 sind Verstärker mit FET-Eingängen, die sich durch niedrige, im Pikoampere-Bereich liegende Eingangsruheströme auszeichnen und dadurch auch sehr hohe Eingangsimpedanzen zulassen.
Der INA1650 enthält zwei 500-kΩ-Widerstände (RBias1 und RBias2) zwischen den Eingängen +Ein und –Ein und dem gemeinsamen Anschluss (COM). Diese Widerstände sind typisch auf eine Genauigkeit von 0,01 % abgeglichen. Sie bieten einen Weg für die Eingangsruheströme von V1 und V2 und sorgen gleichzeitig für eine ausgezeichnete Gleichtaktunterdrückung des gesamten Audiosystems.
Ein entscheidender Vorteil, den integrierte Eingangsstufen für symmetrische Audiosignale gegenüber diskreten Schaltungen haben, ist die enorm gute Symmetrie infolge der Verwendung chipintegrierter Dünnschicht-Widerstände. Die internen 10-kΩ-Widerstände des Verstärkers V3 im INA1650 (R1V3 bis R4V3) zum Beispiel sind auf 0,0028 % genau gleich, was dem IC eine garantierte Mindest-Gleichtaktunterdrückung von 85 dB verleiht – ein in der Produktion geprüfter Wert.
Texas Instruments konzipierte das interne Layout des INA1650 außerdem so, dass jegliche parasitären Kapazitäten, die die Gleichtaktunterdrückung bei hohen Frequenzen beeinträchtigen könnten, minimiert werden.
In Bild 4 ist zu beachten, dass sich 1-MΩ-Widerstände zwischen den COM-Anschlüssen von Kanal A und Kanal B und Masse befinden (R3 und R6). Sie werden zur Vereinfachung im Folgenden als RCOM bezeichnet. Mit diesen ergänzenden Widerständen wird die Gleichtaktunterdrückung der Eingangsstufe weiter verbessert, auch wenn es große Abweichungen zwischen den AC-Koppelkondensatoren oder bei der Ausgangsimpedanz der Signalquelle gibt.
Bild 6 zeigt die Gleichtaktunterdrückung des INA1650 – mit einem typischen Wert von –92 dB – als Funktion der Abweichung der Quellimpedanzen. Wird der COM-Anschluss direkt mit der Masse verbunden (RCOM = 0 Ω), verschlechtert ein Unterschied der Quellimpedanzen von 20 Ω die Gleichtaktunterdrückung von –92 dB auf –83,7 dB. Hat RCOM dagegen einen Wert von 1 MΩ, verschlechtert sich der Wert nur auf –89,6 dB.
Die gleiche Abweichung bei den Quellimpedanzen (20 Ω) würde die Gleichtaktunterdrückung einer typischen Eingangsstufe (Bild 2) dagegen auf –60 dB verschlechtern – unter der Annahme, dass diese Schaltung ebenfalls eine nominelle Gleichtaktunterdrückung von –92 dB und interne abgeglichene Widerstände von 10 kΩ hat. Für die Widerstände RCOM müssen übrigens keine hochpräzisen, eng tolerierten Widerstände verwendet werden. Kostengünstige 5-%- oder 1-%-Widerstände beeinträchtigen die Gleichtaktunterdrückung nicht.
Die simulierte Gleichtaktunterdrückung der Eingangsstufe mit dem INA1650 (Bild 4) wird in Bild 7 mit dem Simulationsergebnis der diskreten Schaltung aus Bild 2 verglichen. Bei der Simulation des INA1650 wurde die gleiche Abweichung von 10 % zwischen den eingangsseitigen AC-Koppelkondensatoren zugrunde gelegt wie bei der Simulation in Bild 3. Im kritischen Frequenzbereich zwischen 50 Hz und 400 Hz, in dem sich vom Stromnetz verursachte Störungen in Audiosystemen normalerweise als Brummen bemerkbar machen, weist die Eingangsstufe mit dem INA1650 gegenüber der diskreten Schaltung eine Verbesserung der Gleichtaktunterdrückung um 40 dB auf.
Um eine hohe Gleichtaktunterdrückung in Eingangsstufen für symmetrische Audiosignale zu erreichen, wird große Sorgfalt beim Entwickeln der Schaltung, bei der Auswahl der Bauelemente und beim Leiterplatten-Layout gefordert. Die Analyse der Gleichtaktunterdrückung einer Schaltung als Funktion der Frequenz liefert dem Entwickler wichtige Erkenntnisse und Rückschlüsse darauf, welcher Teil der Schaltung die Leistungsfähigkeit begrenzt.
Leider sind exakt abgeglichene passive Bauelemente, die zum Erreichen einer sehr hohen Gleichtaktunterdrückung erforderlich sind, für Geräte in Massenproduktion zu teuer. Zwar behelfen sich einige Hersteller, indem sie die Gleichtaktunterdrückung jeder einzelnen Schaltung mithilfe eines Potenziometers trimmen, jedoch führt dies wegen des hohen Zeit- und Arbeitsaufwands zu einem teuren Produkt.
Der Einsatz einer integrierten Eingangsstufe für symmetrische Audiosignale, z.B. dem INA1650 von Texas Instruments, dagegen gibt Entwicklern die Möglichkeit, mit einer deutlich kostengünstigeren und platzsparenderen Gesamtschaltung eine sehr hohe Gleichtaktunterdrückung zu erzielen.
Literatur
[1] OPA167x Low-Distortion Audio Operational Amplifier. Texas Instruments, Datenblatt, Februar 2017, www.ti.com/lit/ds/symlink/opa1678.pdf
[2] Caldwell, J.: Overlooking the obvious: the input impedance of a difference amplifier. Texas Instruments, TI E2E Community, 14. August 2015, https://e2e.ti.com/blogs_/archives/b/precisionhub/archive/2015/08/14/overlooking-the-obvious-the-input-impedance-of-a-difference-amplifier
[3] Self, D.: Small-Signal Audio Design. Focal Press, Elsevier Ltd., 2010, ISBN: 978-0-240-52177-0.
[4] INA1650 SoundPlus High Common-Mode Rejection Line Receiver. Texas Instruments, Datenblatt, Dezember 2016, www.ti.com/lit/ds/symlink/ina1650.pdf
Der Autor
John Caldwell
ist als leitender Systementwickler für die Präzisionsverstärker von Texas Instruments und die Entwicklung von Prä-zisionsoperationsverstärkern, Instrumentenverstärkern, programmierbaren Verstärkern und integrierten Audio-Schaltungen verantwortlich. Sein Spezialgebiet sind rauscharme und verzerrungsarme analoge Schaltungen für Audio- und industrielle Geräte. John erhielt seinen Master und Bachelor von der Virginia Polytechnic Institute and State University (Virginia Tech) im Forschungsschwerpunkt biomedizinische Elektronik und Messtechnik.
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