Die symmetrische Übertragung von Audiosignalen wird nur dann ihre Vorteile ausspielen, wenn die Eingangsstufe mit hoher Gleichtaktunterdrückung arbeiten kann. Ein guter Operationsverstärker allein reicht dafür nicht aus.
Die symmetrische Übertragung von Audiosignalen ist in vielen Bereichen sinnvoll – so zum Beispiel bei Konzertveranstaltungen,in Sportstadien und in professionellen Aufnahmestudios. Bei einem symmetrischen Übertragungssystem wird das Audiosignal über zwei Signalleitungen differenziell übertragen, d.h. um 180 ° phasenversetzt.
Elektrische Störsignale wirken vorzugsweise mit identischer Amplitude und Phasenlage auf beide Signalleitungen ein. Wird das Signal auf der einen Leitung von jenem auf der anderen Leitung subtrahiert, so bleibt das gewünschte Audiosignal erhalten, wogegen die auf beiden Leitungen identische Störgröße entfernt wird.
Die Aufgabe einer Eingangsstufe für den Anschluss an eine symmetrische Leitung besteht darin, diese Subtraktion vorzunehmen und außerdem die Störungen und Verzerrungen auf dem Audiosignal zu minimieren.
Der entsprechende Kennwert, der Auskunft über die Fähigkeit einer symmetrischen Eingangsstufe gibt, auf beiden Leitungen vorhandene Störgrößen zu unterdrücken, ist die Gleichtaktunterdrückung (CMRR – Common-Mode Rejection Ratio), die üblicherweise in Dezibel ausgedrückt wird (Gleichung 1).
Darin gibt VGl die Verstärkung der Eingangsstufe für Gleichtaktsignale an und VD ist die Verstärkung für differenzielle Signale.
In Bild 1 ist eine typische symmetrisches Audiosignalübertragung dargestellt. Der Leitungstreiber überträgt zwei komplementäre Audiosignale (US und –US) über eine geschirmte zweiadrige verdrillte Leitung an einen Empfänger. Die Ausgangsimpedanzen des Leitungstreibers sind mit RA1 und RA2 bezeichnet. Darüber hinaus zeigt Bild 1 die symmetrische Eingangsstufe mit den Eingangsimpedanzen RE1 und RE2.
Ebenfalls in Bild 1 dargestellt sind zwei externe Störquellen. US1 steht für eine Störspannung, die infolge unzureichender Abschirmung des Kabels oder über nicht geschirmte Kabel im Gehäuseinnern kapazitiv in das Kabel gekoppelt wird. US2 dagegen steht für Gleichtaktstörungen, die durch unterschiedliche Massepotenziale der miteinander verbundenen Geräte entstehen oder durch zirkulierende Masseströme hervorgerufen werden, die auf magnetischem Weg Störspannungen in den Signalleitungen induzieren.
Für eine ideale Eingangsstufe mit einer differenziellen Verstärkung von 1 und einer Gleichtaktverstärkung von 0, d.h. mit unendlich hoher Gleichtaktunterdrückung, gilt die in Gleichung 2 wiedergegebene Übertragungsfunktion.
Um diese idealisierte Übertragungsfunktion zu erreichen, ist es keineswegs damit getan, ein ideales Bauelement für den Verstärker in der Eingangsstufe zu verwenden. In der Praxis ist die Entwicklung dieser Schaltung eine echte Herausforderung.
Um sicherzustellen, dass externe Störgrößen mit gleicher Amplitude und Phasenlage in beide Signalleitungen einkoppeln, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein:
Es mag unmöglich erscheinen, die aufgelisteten Bedingungen zu erfüllen, jedoch lässt sich durch sorgfältiges Arbeiten beim Entwickeln der Eingangsstufe bereits viel erreichen, um die Störimmunität eines Audiosystems zu verbessern.
Professionelles Audio-Equipment, mit XLR-Steckverbindern oder Schraubanschlüssen an den Eingängen, wird häufig mit der in Bild 2 gezeigten Art von Eingangsstufe ausgestattet. Die Schaltung besteht aus einem Audio-Operationsverstärker [1], konfiguriert als Differenzverstärker mit vier Widerständen sowie AC-Koppelkondensatoren an den Eingängen. In der Schaltung nicht dargestellt sind zusätzliche Bauelemente zum Ausfiltern von Hochfrequenz-Störungen, elektromagnetischen Störsignalen (EMI) und elektrostatischen Entladungen (ESD).
Die differenzielle Verstärkung der Schaltung aus Bild 2 beträgt eins. Ihre Gleichtaktverstärkung ist theoretisch null, sofern sie mit perfekt angepassten Widerständen und Kondensatoren sowie einem idealen Operationsverstärker bestückt wird.
Entwickler bevorzugen diese Schaltung jedoch häufig wegen ihrer Einfachheit, und nicht, weil sie besonders leistungsfähig ist. Zum Beispiel sind die Eingangsimpedanzen der einzelnen Signalleitungen, Anschlüsse 2 und 3 des XLR-Steckverbinders, in einem Differenzverstärker nicht angepasst, sodass die zweite Bedingung der obigen Liste nicht erfüllt ist [2].
Bild 3 gibt die simulierte Gleichtaktunterdrückung der Schaltung aus Bild 2 als Funktion der Frequenz wieder. Es lassen sich drei Bereiche unterscheiden.