Digitale Transformation
Wer sich heute nicht mit digitalen Geschäftsprozessen im Bereich Obsolescence-Management (OM) beschäftigt, »wird morgen massive Probleme haben«, prognostiziert Heinbach. Digitales OM sei letzlich kein Kostenfaktor, sondern eine Investition für zukünftigen Umsatz und Gewinn. Falls Produkte und Dienstleistungen wegen Obsolescence nicht mehr verfügbar seien, könne das die Existenz des Unternehmens kosten. Und auch die Instandhaltung von Anlagen werde ohne OM nicht mehr auskommen: »Digitale Innovation und Obsolescence sind untrennbar miteinander verbunden.« Gar als »mittelalterlich« bezeichnet Wagner angesichts der Automatisierung von Fertigungsprozessen das manuelle Handling von PCNs/PTNs. Dem pflichtet TQ-Systems-Managerin Bartel bei: »Wer sich heute mit smartPCN beschäftigt, gehört zu den Gewinnern, die sich viel manuelle Arbeit im Obsolescence-Management sparen können.« Traurige Realität sei aber noch immer, dass manche Hersteller PCNs mit 30-seitigen Auflistungen von Produktnummern verschickten, die alle manuell bearbeitet werden müssen.
Angesichts von Industrie 4.0, IoT und der Smart Factory sieht Ermel in puncto Obsolescence »einiges auf uns zurollen«. Weil immer mehr Smart Devices in der Produktion Einzug halten, müsse man genau überlegen, was man da mache: »Was passiert, wenn der smarte Sensor nicht mehr kommuniziert, nicht mehr lieferbar ist und das Protokoll nicht mehr kompatibel ist?« Mit Smart Obsolescence im Industrie-4.0-Umfeld habe die Industrie aber die Chance, »das von Anfang an richtig zu machen«. Aber Ermel warnt auch davor, dass sich die Obsolescence-Probleme verschärfen würden, spricht gar von »verdoppeln, vervierfachen«.
Branchen mit Nachholbedarf
Während das Bewusstsein für Obsolescence in der Elektronikbranche schon seit Jahren Alltag ist, »gilt das für Bereiche wie Industrie und Branchen mit komplexen Produkten so nicht, weil die Abkündigungsgeschwindigkeit bislang noch nicht so hoch war«, sagt Heinbach. In den meisten dieser Betriebe ist aktuell das manuelle Obsolescence-Management vorherrschend, also PDF und somit nicht automatisch auswertbar. Bei vielen dieser Systemhersteller habe ein Umdenken eingesetzt in Richtung Standardisierung via smartPCN. Noch wenig bis gar keine Gedanken macht sich Wagner zufolge die Automobilindustrie, wo es eine enge Beziehung zum Lieferanten mit seinem kundenspezifischen Produkt gibt: »Hier diktiert noch der Car-OEM.« Laut Heinbach sind die Kfz-Einkäufer derzeit »entspannt, weil sie jetzt noch kundenspezifische Teile kriegen«. Sie hätten aber nicht begriffen, dass sich dieses Szenario ändere, denn viele Hersteller werden zum Integrator, die weltweit Bauteile und Baugruppen einkaufen: »Damit haben sie aber keine Kontrolle mehr über den Life Cycle, das ist das Kernproblem.« Das gilt erst recht, wenn Konsumgüter-Bauteile eingesetzt werden müssen, weil es keine Alternative gibt und somit keine Langzeitverfügbarkeit gegeben ist.