Schalten im Bordnetz

Halbleiterbauelemente zum Absichern im automobilen Bordnetz

12. April 2017, 10:09 Uhr | Von Ralf Hickl
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Diskreter Aufbau für größere Schaltleistungen

Für Hochvolt- oder Hochstromapplikationen sind Schalter mit N-Kanal-MOSFET oder IGBT und eventuell galvanisch isoliertem Gate-Treiber nötig. Dazu kommen noch Bauteile für Diagnose und Schutzbeschaltung.

Schaltelement

Das Schaltelement ist meistens ein N-Kanal-MOSFET. Je nach Bordnetz kommen MOSFETs unterschiedlicher Spannungsklassen zur Anwendung: 40 V bis 60 V für 12-V-Bordnetze, 80 V oder 100 V für 24-V- und 48-V-Bordnetze. RDSon und Gehäuse bestimmen maßgeblich die Belastbarkeit, wobei die Gehäusetechnologie nicht nur den thermischen Widerstand bestimmt, sondern durch die interne Kontaktierung des Halbleiterchips auch den Gesamt-RDSon beeinflusst. Stand der Technik sind Gehäuse mit doppelseitiger Kühlung und interner flächiger Kontaktierung mit Kupferbändern (Copper Clamping) anstatt Bonddrähten. Gehäuse mit Copper Clamping sind beispielsweise Toshibas DSOP Advance und DPAK+. Baureihen niederohmiger MOSFETs finden sich bei STMicroelectronics‘ STripFET-F7, Toshibas UMOS IV-H, Infineons OptiMOS, Renesas‘ ANL3 und Diodes‘ Serien DMTH/DMNH.

Gate-Treiber

Für den Einsatz als High-Side-Schalter müssen die Gate-Treiber des N-Kanal-MOSFET eine Gate-Spannung erzeugen können, die um die Gate-Schwellenspannung Uth höher ist als die Versorgungsspannung. Das erledigen üblicherweise im Treiber-IC integrierte Aufwärtswandler oder Ladungspumpen. Einige Gate-Treiber bieten auch Rückkanäle, die Diagnosen unterstützen, beispielsweise die Überwachung der Drain-Source-Spannung im eingeschalteten Zustand. Eine originelle Alternative zu Gate-Treibern bieten Photovoltaik-Optokoppler.

Schlaglicht: Photovoltaischer Optokoppler als Gate-Treiber

Im Photovoltaik-Optokoppler bestrahlt eine Leuchtdiode ein Array aus Photozellen. Durch den inneren photoelektrischen Effekt entsteht eine potenzialfreie Ausgangsspannung, die sich als Steuersignal für das Gate eines MOSFET verwenden lässt. Das einfache Prinzip bringt Vorteile:

  • Photovoltaische Optokoppler generieren die potenzialfreie Spannungsversorgung der Ausgangsstufe gleich mit.
  • Solange der Strom durch die Leuchtdiode fließt, wird die Photospannung erzeugt und der MOSFET durchgesteuert. Weil sich die Flussspannung der Leuchtdiode in der Gegend von unter 2 V bewegt, ist ohne großen Aufwand Kaltstarttauglichkeit, also das unterbrechungsfreie Durchlaufen des Spannungseinbruchs beim Kaltstart (Cold Cranking Pulse), gewährleistet.
  • Die Konfiguration mit antiseriell verschalteten MOSFETs ermöglicht bidirektionale, verpolsichere Schalter und ermöglicht den Energiefluss in beide Richtungen und damit das Rekuperieren.

Exemplarisch sei hier Toshibas Automotive-Photovoltaik-Optokoppler Type TLX9906 genannt. Der TLX9906 [1] erzeugt bei Raumtemperatur eine Leerlaufspannung von 7 V und verfügt über eine interne Schaltung, um das Entladen der angesteuerten Gate-Kapazität zu beschleunigen. Denn um die Schaltverluste zu beherrschen, muss auf die Steilheit der Schaltflanken am Gate des Schalttransistors geachtet werden. Hinweise zur Beschaltung von photovoltaischen Optokopplern und ihren Schalttransistoren gibt auch eine Applikationsschrift von Vishay [2].

Stromsensoren

Einige der oben erwähnten geschützten Schalter bieten einen Ausgang mit stromproportionalem Signal. Reicht dessen Messgenauigkeit aus, so ist das eine elegante Lösung und ein zusätzlicher Sensor entfällt.

Diskrete Lösungen zur Überstromabschaltung mit kurzer Reaktionszeit lassen sich mit Shunts oder Sensoren basierend auf dem Hall-Effekt realisieren, wie sie beispielsweise Infineon, Micronas und Melexis anbieten. Letztere Option ist frei von Verlustleistung und sorgt gleich für eine galvanische Trennung zwischen der Messgröße und dem Ausgangssignal des Sensors.

Obwohl augenscheinlich ein simples Bauteil, so steckt in Hochleistungs-Shunts doch einiges an Know-how in Hinsicht auf die Materialzusammensetzung, um Messfehler durch parasitäre Thermoelemente oder den Temperaturkoeffizient des ohmschen Widerstandes zu minimieren. Bei den zu erwartenden Strömen und dadurch Verlustleistungen im Shunt kommen nur niederohmige Ausführungen mit effektivem 4-Leiter-Anschluss in Frage. Die „Kelvin-Anschlüsse“ genannten Messabgriffe verringern den Messfehler aufgrund von parasitären Auswirkungen der Kontaktstellen. Derartige Shunts sind zum Beispiel von Vishay, Rohm und KOA erhältlich.

Für die Variante mit Shunts in der Versorgungsspannungsleitung muss noch die passende Signalaufbereitung hinzukommen. Das kann ein Operationsverstärker mit geringer Offset-Spannung und hoch spezifizierter Gleichtaktspannung sein, zum Beispiel aus der Baureihe TSC103(1) von STMicroelec¬tronics.

Temperatursensoren

Eine brauchbare Übertemperaturmessung lässt sich mit Temperatursensoren ausgeführt als Halbleiterbauteil oder als temperaturabhängiger Widerstand (NTC-Thermistoren) realisieren, wie sie AVX führt.

Schutz

Fehlt noch die Schutzbeschaltung gegen Spannungspulse nach ISO 16750/ISO 7637 auf der Versorgungsspannungsleitung, wie sie bei einem Load Dump oder einer ESD-Entladung auftreten. Grundsätzlich eignen sich hierfür Transient Voltage Suppressors ausgeführt als Dioden, wie sie Diodes oder STMicroelectronics mit der Transil-Serie anbieten.
Eine Alternative stellen keramische Vielschichtvaristoren dar, beispielsweise die Baureihe Transguard von AVX. Diese altern mit jeder Aktion, was insbesondere beim Test nach ISO 16750-2 Puls 5b, mit Belastung durch 10 Pulse im Abstand von einer Minute, zu berücksichtigen ist. Der Varistor muss also mindestens so dimensioniert sein, dass er die Schaltung auch beim zehnten Impuls noch schützt und den zulässigen Leckstrom nicht überschreitet.eck

Links

[1] toshiba.semicon-storage.com/info/docget.jsp?did=55590&prodName=TLX9906
[2] www.vishay.com/docs/81225/ssrvo126.pdf

 

Der Autor

Dipl.-Ing. Ralf Hickl
arbeitet als Senior Product Sales Manager in Rutroniks Automotive Business Unit.

 


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