Lapp will mit neuen Kabeln die Messlatte in der Industrie immer höher legen. Doch wie unterscheiden sich die Neuentwicklungen von den bisherigen Generationen. Und an welchen Stellen setzt der Kabelhersteller an, um Innovationen auf den Markt zu bringen?
Allein in den vergangenen fünf Jahren hat Lapp über 200 Neuentwicklungen auf den Markt gebracht, darunter Produkte mit echtem Alleinstellungsmerkmal. Zu den jüngsten Produkten von Lapp, die neue Maßstäbe am Markt setzen sollen, gehören beispielsweise die Motoranschlussleitung »Ölflex Servo FD zeroCM«, die Ableitströme nachweislich um bis zu 60 Prozent gegenüber konventionellen Motorleitungen reduziert, die Ethernet-Leitung »Etherline FD bioP Cat. 5«, ein erstes Kabel mit teilweise biobasiertem Außenmantel sowie das Zustandsüberwachungsgerät »Etherline Guard« zur vorbeugenden Wartung wichtiger Datenverbindungen.
Dank der hohen Fertigungstiefe kann Lapp an unterschiedlichen Stellen ansetzen, um die Eigenschaften von Kabeln weiter zu verbessern.
Der konstruktive Aufbau eines Kabels wird nach Normvorgaben und vor allem entsprechend den jeweiligen Anwendungsanforderungen gestaltet. Besonders anspruchsvoll sind dauerhaft bewegte Leitungen in Schleppketten, bei denen die mechanische Belastung hoch ist. Solche Leitungen müssen über mehrere Jahre und über viele Mio. Biegezyklen zuverlässig funktionieren. Das bedeutet, dass alle Konstruktionsteile, angefangen bei den Kupferlitzen über die Isolation und das Geflecht bis hin zum Mantel, diesen hohen Anforderungen standhalten müssen. Für Schleppketten wird beispielsweise feinstdrähtiges Kupfer und kein Vollrundmaterial für den Leiteraufbau verwendet. Das ist deutlich biegsamer. Eine hohe Biegewechselbeständigkeit wird durch kurze Schlaglängen (die Länge der Strecke, die ein einzelnes Verseilelement für einen kompletten Umlauf benötigt) in der Verseilung erzielt. Denn je kürzer die Schlaglänge ist, desto flexibler ist das fertige Kabel. Geschirmte Leitungen erfordern zudem ein Design mit Innenmantel, um die Adern vor Abrieb mit dem Geflecht zu schützen. Auch der Schirm folgt einer kürzeren Schlaglänge. Wichtig ist zudem ein mechanisch robuster Mantel (z. B. aus TPU oder TPE), der flexibel und abriebfest ist und dauerhafte Biegung bei gleichzeitig dauerhaftem Kontakt mit der Schleppkette übersteht.
Bei der UV-Beständigkeit, Flexibilität oder Nachhaltigkeit von Kabeln kommt es auf die maßgeschneiderten Kunststoffe und Additive für die Ummantelung an. Für eine Ummantelung sind bis zu 20 Rezepturbestandteile möglich. Diese Rezepturen sind das wichtigste Know-how der Kunststoff-Werkstofftechnik. »Durch die Compoundierung werden die Eigenschaften für die jeweilige Anwendung maßgeschneidert beeinflusst«, erklärt Hubertus Breier, Vorstand für Technik und Innovation.
Und weiter: »Bisher haben wir die Granulate von externen Herstellern bezogen. Seit Kurzem verfügt Lapp aber im indischen Bhopal über eine eigene Compoundieranlage und kann jetzt selbst Compounds zusammenmischen und damit auch designen«, so Breier. Damit hat das Unternehmen einen weiteren wichtigen Baustein zur Fertigungstiefe hinzugefügt, der die Resilienz in der Lieferkette erhöht.
Durch die neue Investition liegt die gesamte Prozesskette von den Ausgangsrohstoffen bis zum einsatzfähigen Compound bzw. Granulat in eigener Hand. »Aufgrund der notwendigen Mengen arbeiten wir aber weiterhin eng mit weltweiten externen Herstellern zusammen«, erklärt Breier. Aus solch einer Zusammenarbeit resultiert eine nachhaltige Innovation. So hat das Unternehmen jüngst die Serienproduktion des ersten Kabels mit Bio-Anteilen gestartet. Die Datenleitung »Etherline FD bioP Cat.5e« besteht aus einem biobasierten Außenmantel und stellt dabei die gleichen Produkteigenschaften sicher wie bei der fossilen Variante aus Kunststoff.
Einfach dargestellt besteht ein Kabel aus Kunststoffen und Metallen. »Es ist aber vor allem die richtige Wahl der Kunststoffe, die das anwendungsspezifische Verhalten eines Kabels beeinflusst«, erklärt Breier. Als Beispiel nennt er Kabel für die Solar- oder Schienenindustrie, bei denen das Mantelmaterial höchste Anforderungen erfüllen muss. Im Fokus stehen dabei vor allem die Standhaftigkeit gegen Sonneneinstrahlung (UV-Licht) und Feuchtigkeit sowie der Kundenwunsch nach reduzierten Wandstärken, höherer Strombelastung, längerer Lebensdauer oder verbessertem Brandverhalten. Wenn – wie in diesen Branchen – ein normaler Kunststoff nicht mehr ausreicht, können Vernetzungsverfahren für die Kunststoffe zum Beispiel die Lebensdauer der Leitungen erhöhen. Die dazu gehörende Elektronenstrahlenvernetzung ist ein etabliertes Verfahren, um mit ionisierenden Elektronen- und Gammastrahlen die Kunststoffe zu optimieren und zu festigen. Nach der Bestrahlung verfügen die Kunststoffe über deutlich verbesserte Eigenschaften in Bezug auf Hitzebeständigkeit, Stabilität und Abriebfestigkeit. Hierfür hat Lapp in Korea und in Indien sogenannte Elektronenstrahlvernetzungsanlagen aufgebaut und in Betrieb. Zusätzlich zu den bereits existierenden Produktionsstätten hat Lapp außerdem im indischen Werk ein spezielles Dreifach-Extrudersystem etabliert, womit Kunststoffe in drei Schichten in einem Produktionsschritt extrudiert werden können. Hierzu zählen Materialsysteme wie XLPE (vernetztes Polyethylen), ZHFR (halogenfreies, flammhemmendes Compound), Nylon (stärker und dehnbarer als Polyester), EPDM (spezieller Kautschuk) oder EVA (Ethylen-Vinylacetat).
Um Kabel und Leitungen weiterzuentwickeln, setzt Lapp verschiedene Simulationsverfahren ein. Ein Beispiel für eine solche Vorgehensweise ist die Entwicklung der zeroCM-Technologie. Da es beim Einsatz von Frequenzumrichtern immer wieder zu elektromagnetischen Störungen kommt, hat Lapp spezielle Leitungen entwickelt, die Ableitströme nachweislich um bis zu 60 Prozent gegenüber konventionellen Motorleitungen reduzieren. Das Forschungsteam hat hierfür zunächst ein mathematisches Ersatzmodell der Leitung entworfen und diesen digitalen Zwilling simulativ elektrotechnisch in Richtung eines elektrisch symmetrischen Kabeldesigns optimiert. Die theoretisch ermittelten Ergebnisse wurden durch experimentelle Messungen intern und mit externen Partnern validiert.
Eine weitere Herausforderung bei der Entwicklung von Kabeln ist es, das Aderisolationssystem an den jeweiligen Anwendungsfall anzupassen, um den in der Applikation auftretenden elektrischen Feldern standzuhalten, auch bei Spannungsspitzen oder Wanderwellenreflexion. Leiter mit unterschiedlichen Potenzialen und Dielektrikum bilden physikalisch einen Kondensator, dessen Kapazität bei Leitungen Signalverzerrungen begünstigt, die Signalausbreitungsgeschwindigkeit bremst oder Ausgangsstufen von getakteten Reglern zusätzlich belasten kann. Ziel ist daher die Optimierung der Kapazität durch passende Werkstoffwahl und Wandstärken sowie eine hohe Prozessstabilität bei der Fertigung. Lapp nutzt die 2D- und 3D-Finite-Elemente-Methode (FEM), um die Potenzialverteilung innerhalb der Leitungen zu analysieren und die Feldverteilung zu verbessern. So wurden etwa die kapazitätsoptimierte Leitungen »Ölflex Servo 796 CP« und »Ölflex VFD Slim« entwickelt, letztere mit einer halbleitenden Schicht zur Feldhomogenisierung. Bei der Stromdichteverteilung nutzt Lapp ebenfalls FEM zur Optimierung. Durch den Skin- und Proximity-Effekt kann der Wirkungsgrad insbesondere bei großen Querschnitten auch im niederfrequenten Bereich sinken. Das FEM-Modell hilft, Leitungen optimal zu dimensionieren, Materialien zu wählen und die Strom- sowie Wärmeverteilung zu verbessern.
Seit einigen Jahren hat der Stuttgarter Kabelhersteller sein Leistungsportfolio der Dienstleistungen weiter ausgebaut. Neben Konfiguratoren, kundenspezifischen Kabeln oder Konfektionen, Digital Self-Services auf der Website und Just-in-Time-Lieferungen gibt es seit Kurzem auch IoT- und Sensorik-gestützte Services.
Viele Unternehmen geben an, keinen zuverlässigen Überblick über ihren eigenen Kabelbestand zu haben. Das »Lapp eKanban« ist ein intelligentes und vernetztes Kabelbestands-Management, das geringere Prozesskosten und effiziente Lagerhaltung verspricht und dabei hilft, Produktionsstillstand zu verhindern. Das funktioniert mit einem smarten Sensor, der Datenpunkte über Rotationen an der Kabeltrommel generiert und in die Cloud sendet und so den Kunden digital und in Echtzeit Informationen zur Füllstandhöhe der Kabeltrommeln liefert. Damit lässt sich jederzeit und von überall zugänglich direkt ablesen, wie viel Restlänge an Kabel noch auf der Trommel verfügbar ist.
Mit der Markteinführung des »Etherline Guard« als Überwachungsgerät für die Lebensdauer von Ethernet-basierten Datenleitungen bis 100 Mbit/s hat Lapp das Thema IIoT und auch Software-/Algorithmusentwicklung vorangetrieben. Mehrere Parameter werden erfasst, ohne einen zusätzlichen Sensor in die Leitung einzubringen, und miteinander so verrechnet, dass eine Lebensdaueraussage getroffen werden kann. Dies wurde unterstützt durch umfangreiche Messungen in den Lapp-Testzentren.