Aus der Sicht von Thomas Meininger, Direktor bei S&P Global Mobility, war bereits erkennbar, dass die deutschen und europäischen OEMs Schwierigkeiten bekommen, überrascht ist er allerdings von der Stärke und der Häufung der Negativmeldungen. Dass sie in Schwierigkeiten gekommen sind, liegt seiner Meinung nach daran, dass die hiesigen OEMs immer noch ähnlich aufgestellt wie vor der Pandemie. Das Problem dabei ist, dass vor der Pandemie die europäischen Verkaufszahlen – oft auch rabattgetrieben – noch deutlich höher lagen und neue OEMs wie Tesla oder MG hier viel weniger präsent waren. Meiniger weiter: »Was man damals noch als Gleichgewicht zwischen Nachfrage und Produktionskapazität, bzw. Personalausstattung sehen konnte, ist mittlerweile in vielen Fällen nicht mehr nachhaltig. Der Blick auf die Prognose zeigt hier auch keine signifikante Verbesserung, sodass eine gewisse Konsolidierung unumgänglich ist.«
Überrascht waren die Analysten aber auch davon, wie schnell und heftig die Marktstimmung gegenüber BEVs in einigen Märkten ins Negative gekippt ist. Meininger betont: »An dieser Stelle stimmen wir aber nicht mit der oft, zu plakativen Aussage überein, die europäischen OEMs hätten in Sachen Elektromobilität viel zu wenig getan. Es wurden an vielen Stellen aufwändige Entwicklungen angestoßen, die notwendig waren und nicht mehr umkehrbar sind.« In diesem Zusammenhang verweist er beispielsweise darauf, dass VW in den europäischen Batteriehersteller Northvolt investiert hat und »damit auch ein Risiko eingegangen ist, anstatt mit dem gleichen Geld bei einem chinesischen Zulieferer einzukaufen, das muss man anerkennen. Das Resultat ist allerdings bedauerlich«, so Meininger weiter.
Allerdings kritisiert auch Meininger, dass die europäischen Volumenhersteller »in Sachen Preisposition ihrer BEVs bislang zu ambitioniert waren und teils an ihren Stammkunden vorbei Fahrzeuge angeboten haben.« Aber auch hier betont er: »Es ist zu einfach von der Politik, ein 20.000-Euro-BEV zu fordern. In der Realität und vor allem, bezogen auf die Produktion in Westeuropa, war dies bislang aufgrund der hohen Kostenstruktur ohne Subventionen kaum umsetzbar.«
Drei Punkte sind aus Meiningers Sicht für die Zukunft der europäischen OEMs entscheidend:
»Wir erwarten, dass ein Großteil der OEMs mit einer Welle an BEV-Fahrzeugen und entsprechenden Preismaßnahmen versuchen wird, das 2025er Flottenziel zu erreichen«, so Meininger. Seiner Meinung nach sehe man bereits jetzt taktische Maßnahmen, wie etwa, dass BEV-Auslieferungen auf den Januar verschoben werden, neue Modelle in der Pipeline sind und durch Einstiegsvarianten oder generellen Preissenkungen die Grundlage gelegt wird. Meininger weiter: »Dies kann zu einer signifikanten Veränderung in der Marktwahrnehmung führen. Im Jahr 2025 werden die Registrierungen stark ansteigen, allerdings mit einer vergleichsweise niedrigen Basis im letzten Jahr. Folglich werden die Vergleiche auf Jahresbasis meist sehr positiv ausfallen, was die Berichterstattung über BEVs in ein komplett anderes Licht rücken kann.«
Ob es zu einer Verschiebung der schärferen CO2-Richtlinien seitens der Politik kommt, ist aus seiner Sicht aktuell reine Spekulation. Meininger: »Die OEMs planen das aktuell zumindest nicht ein. Aus Kostensicht würde es der Industrie helfen, wenn im Falle einer Verfehlung keine Strafen gezahlt werden müssten. Angesichts der hohen Kostenbelastung in Europa wäre dies sicherlich eine willkommene Maßnahme.« Aber so oder so bleibe es dabei, dass die Hersteller weiterhin massiv in die Themen Elektromobilität, Connectivity usw. investieren »und parallel dazu wird auch mehr in Verbrenner investiert als ursprünglich vorgesehen«, so Meininger.
Florian Eichinger, Director, Global Light Vehicle Powertrain Forecasting bei S&P Global Mobility, prognostiziert, dass 2025 die weltweite Fahrzeugproduktion um etwa 0,4 Prozent sinken wird. Daran ändert auch nichts, dass er davon ausgeht, dass Wachstumsmärkte, wie Südamerika und Südasien, einen Zuwachs von ca. 4 bis 6 Prozent erfahren sollen, denn es wird gleichzeitig erwartet, dass der chinesische Markt stagniert. »Alle anderen Regionen, allen voran Europa und Nordamerika, sind mit ca. 2,5 Prozent leicht rückläufig.« Auf die verschiedenen Antriebsarten umgelegt, erwartet Eichinger ein starkes Wachstum der Elektrofahrzeugvolumen, aber auch die Anzahl der hybridisierten Antriebe soll weltweit steigen, was wiederum einen weiteren Bedarf an Verbrennungsmotoren mit sich bringt. »2025 benötigen über 80 Prozent der global produzierten Fahrzeuge immer noch einen Verbrennungsmotor«, so Eichinger.
Dass die globale Produktion hochelektrifizierter Fahrzeuge wie Plug-In-Hybrid-, Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge am stärksten wachsen wird, führt Eichinger auf »diverse Gesetzgebungen zur Dekarbonisierung des Transportsektors und Fortschritten bei den hochelektrifizierten Antriebstechnologien« zurück. Er ist überzeugt, dass aufgrund des erwartenden Wachstums von Hybrid- und Elektrofahrzeugen rein konventionell angetriebene Fahrzeuge bei den Produktionszahlen zurückfallen werden. Mit Blick auf die 20 größten Automobilhersteller erwartet Eichinger, dass die OEMs, die sich auf die Produktion hochelektrifizierter Fahrzeuge spezialisiert haben, ihre Produktionszahlen vergrößern oder mindestens halten können. Eichinger: »Für SAIC wird ein Wachstum von fast 20 Prozent erwartet, allerdings folgt dies nach einem signifikanten Rückgang im letzten Jahr. Ehemalige Marktneueinsteiger wie BYD, die sich mittlerweile etabliert haben, werden ihr Wachstum 2025 voraussichtlich weiter fortsetzen, dies aber geringer als es im letzten Jahr der Fall war.