Mit positiven Prognosen ist die Branche der flexiblen und gedruckten Elektronik ins Jahr 2023 gestartet. Den Optimismus tragen vor allem Produkte, die im Bereich Automotive und Consumer in die Serienproduktion gingen. Erfreulich für die Branche ist auch die Renaissance der organischen Solarzellen.
Auch wenn Wachstumsprognosen, wie sie die Geschäftsklima-Umfrage der OE-A im Herbst letzten Jahres ermittelte, aus Sicht eines Physikers immer nur relative Angaben sind, so sprechen doch die harten Fakten, wie Dr. Alain Schumacher, CTO von IEE, versichert, für die positive Stimmung in der Branche der flexiblen und gedruckten Elektronik: »Wir haben das Jahr 2022 mit einem Zuwachs von über 20 Prozent abgeschlossen, und wir sehen aktuell in unseren Büchern das Potenzial für eine Umsatzsteigerung von 30 Prozent und mehr im Jahr 2023!«
»Projekte der gedruckten Elektronik sind keine Schnellläufer«, stellt Wolfgang Mildner, CEO des Beratungs- und Technologieunternehmens MSWtech, fest, »aber es gibt einige Produkte aus dem Bereich Automotive und Consumer-Elektronik, die inzwischen aus der Vorfertigungsphase in die Serienproduktion gegangen sind, und da sprechen wird dann schnell von zweistelligen Millionenstückzahlen«. Eine Wachstumsprognose der Branche von 24 Prozent für 2023 hält Mildner darum trotz aller Schwierigkeiten im weltweiten Umfeld für gut begründet.
Johannes Becker, Senior Director im Competence Center LogiData & PrinTronics bei der Schreiner Group, sieht wie Andrea Glawe, Regional Sales Director bei Kroenert, »ein wachsendes Interesse an gedruckter und flexibler Elektronik und ein beginnendes Verständnis dafür, was machbar ist«, wie es Becker ausdrückt. Glawe sieht vor allem zunehmende Anwendungen für gedruckte flexible Leiterplatten-/folien für Inmold-Touch-Oberflächen. »Eine zweite, zunehmende Anwendung sind aus unserer Sicht organische Solarzellen.«
Das bestätigt Dr. Guido van Tartwijk, CEO von Heliatek. »Wir sehen eine anhaltend starke Nachfrage nach unseren Produkten, da sie den Bedürfnissen des Marktes entsprechen, grenzenlos überall sauberen Strom erzeugen und verbrauchen können.« Allerdings sieht er in Westeuropa auch einen zunehmenden Mangel an Arbeitskräften, der die tatsächliche Realisierung von Projekten im Bereich erneuerbarer Energien verlangsamt, ebenso wie die Auswirkungen der steigenden Inflation.
Rainer Hald, CTO von Varta, sieht interessante Projekte im Bereich der Smart Labels, die gedruckte Batterien einsetzen. »Da entwickeln sich neue Märkte bezüglich des Trackings hochwertiger Güter durch sogenannte Smart Labels, die sowohl die Position der Güter als auch Temperatur, Erschütterungen und Ähnliches aktiv übermitteln. In diesem Bereich sind inzwischen mehrere Big Player aktiv, die entsprechende Ökosysteme aufbauen.«
Dr. Klaus Hecker, Managing Director der OE-A, verweist darauf, dass aktuell gerade die jüngste Geschäftsklimabefragung der OE-A unter ihren Mitgliedern läuft. »Wir werden ihre Ergebnisse Anfang März auf der Lopec vorstellen und dann sehen, ob sich der positive Trend der letzten Umfrage weiter verstetigen konnte.« Er deutet aber an, man habe jetzt schon sehr positive Signale aus der Industrie, »dass es dieses und nächstes Jahr ein deutliches Wachstum geben wird.«
Auf die Frage, ob die positiven Wachstumsprognosen auch mit einer Rückkehr zur Normalität nach der Covid-Pandemie zu tun haben könnten, kommen durchaus unterschiedliche Antworten aus der Branche. Dr. van Tartwijk etwa sieht das nicht so und macht deutlich, »dass wir durch den Krieg in der Ukraine noch lange von der ‚alten Normalität’ entfernt sind«. Er fordert auch, »wir sollten uns besser auf die verschiedenen geopolitischen Probleme einstellen und den Wandel der Industrie in die Richtung vorantreiben, die weniger von ausgedehnten globalen Lieferketten abhängig ist und die den Klimawandel und die Bereitstellung nachhaltiger Lösungen für den Markt nicht nur als ‚nette Sache’ sieht, sondern als ein Muss!«
Nach Einschätzung von Dr. Schumacher mag es durchaus noch Geschäftsbereiche geben, in denen der Übergang zu einer »Pre-Covid-Normalität« noch schleppend vorwärtsgeht oder stagniert, weil sich der Markt in diesem Bereich eben noch nicht so erholt hat. »Gleichzeitig gibt es Fälle, bei denen ein starkes Wachstum zu beobachten ist, obwohl das Niveau der Pre-Covid-Situation eigentlich noch nicht erreicht ist – hier machen sich kürzlich gesetzte Regularien positiv in der Marktnachfrage bemerkbar.«
Für Varta ist die Back-to-Normal-Entwicklung durchaus spürbar, wie Hald berichtet. »Diese positiven Effekte sind durchaus spürbar und sind aus meiner Sicht vor allem mit den sich erholenden Lieferketten verbunden.« Wobei das offenbar noch nicht überall in der Branche so wahrgenommen wird. »Die Versorgung mit Materialien wie Folien ist immer schwierig«, berichtet Becker; »wir sehen sehr lange Lieferzeiten, die nach wie vor ein kurzfristiges Reagieren auf Nachfrage erschweren«. Auch Glawe gibt zu Protokoll, dass man bei Kroenert »immer noch mit starken Lieferengpässen bei Stahl, Aluminium und elektronischen Komponenten zu kämpfen hat«.
Auch Mildner berichtet von keiner ganz einheitlichen Entwicklung: »Bei manchen Firmen kommt es zu Nachholeffekten, um wieder auf das normale Niveau zu kommen, manche Firmen sind aber auch vorsichtig und verlangsamen Entwicklungen.« Nach Einschätzung von Dr. Hecker zeichnet sich die Branche zwar durch Resilienz aus, »aber für ein Zurück zum normalen Geschäft wird es insbesondere für den asiatischen Kontinent noch ein bis zwei Jahre dauern«.