Kontaktloses Messen der Herzfrequenz, Kontrolle von Trinkwasserqualität oder Überwachung riesiger Nutzflächen – ohne winzige Sensoren geht nichts mehr.
»Die Mikrosensorik hat in den vergangenen Jahren einen rasanten Aufschwung genommen«, sagt Harald Schenk. Der Leiter des Fraunhofer Instituts für Photonische Mikrosysteme und Professor für Mikro- und Nanosysteme blickt von seinem Labor aus kurz zurück. 2012 kam er mit einem Plan an die Brandenburgische Technische Universität Cottbus–Senftenberg (BTU). Schenk wollte eine neuartige Silizium-basierte Technologie entwickeln – zur Fertigung mikromechanischer Strukturen. Das Ziel war anwendungsnahe Forschung für die Wirtschaft mit Wissenstransfer.
Rund zehn Jahre später sind Schenk und sein achtköpfiges Team ein großes Stück weiter: Geforscht wird jetzt auf einem Innovationscampus für Mikrosensorik an der BTU. Das Projekt ist bereits in der nächsten Phase, das Spektrum für Anwenderinnen und Anwender wurde erweitert. So werden mittlerweile Mikrosensoren verschiedenster Art in Drohnen eingebaut, zur Datenübermittlung, Systemüberwachung oder zur Analyse. Auch die Medizintechnik hat die Entwicklungsschmiede an der BTU mit vorangebracht. »Sensoren lassen mit ihren differenzierten Eigenschaften sehr vielfältige, individuelle und passgenaue Lösungsansätze zu«, erklärt Schenk die Vorteile bei der Anwendung.
Sensoren finden Lecks in Wasserleitungen
Das haben mittlerweile auch regionale Firmen entdeckt. 130 Kontakte mit dem Forschungsbereich bestehen, 35 der Unternehmen haben Absichtserklärungen für eine Zusammenarbeit unterzeichnet, etwa 10 wollen in Sensortechnik investieren. Von der Kooperation profitiert beispielsweise ein Wasserversorger. Jonas Krause, technischer Leiter der LWG Lausitzer Wasser, befasst sich schon länger mit dem Einsatz von Drohnen mit Mikrosensoren. Ihn beschäftigt vor allem die Frage, wie das rund 1000 km lange Rohrleitungsnetz besser kontrolliert werden kann. »Leitungen laufen lange Strecken über Land und sind schwer zu überwachen. Es gibt immer irgendwo Wasserverlust, auch durch Korrosion von alten Leitungen«, beschreibt er das Problem. In Zeiten von Wassermangel sei solch ein Verlust teuer.
Als Praxispartner für die Wissenschaft stellt der Lausitzer Versorger die Arbeitskraft und steht den Forschern beratend zur Seite. Einen Kostenfaktor gebe es zunächst nicht, zeigt sich Krause erfreut. Für das Unternehmen, das in Cottbus und Umgebung rund 130.000 Haushalte mit Trinkwasser versorgt und auch für das Abwasser zuständig ist, geht es um Prozessoptimierung. Auch Trinkwasserschutzzonen müssten überwacht werden, beispielsweise, ob dort illegal Müll abgelegt worden sei. Dafür könnten Drohnen mit spezieller Sensorik eingesetzt werden.
Sensoren für die Forst- und Landwirtschaft
So könnten mit Multispektraldatensensoren bestückte Drohnen etwa die Arbeit von Förstern erleichtern und so die Datengrundlage zu Schäden in Wäldern und Temperaturen in Böden verbessern. Das erleichtere manch enge Personalsituation, so die Einschätzung des Forschers. Auch die Entwicklung von Forstwirtschaftssoftware sei angedacht. Mit Landwirten arbeiten die Wissenschaftler des iCampus an der Sensorüberwachung von Milchkühen.
Drei Sensoren passen auf einen Haardurchmesser
Interesse an Sensortechnik hätten auch Industriebetriebe für den autonomen Betrieb von Fahrzeugen, sagt der Forscher. So sei der große Maschinenverleiher Beutlhauser am Standort Cottbus an einer sensorbasierten Steuerung von Baufahrzeugen interessiert. Mittels 5G vernetzte Abstandssensoren lieferten die notwendigen Informationen, bestätigt das Unternehmen. »Mikrosensoren sind wie die Sinnesorgane der Digitalisierung, beschreibt Schenk. Auf einen Haardurchmesser passten drei bis vier Mikrosensoren, macht er zum Vergleich deutlich.
»Medizintechnik lebt von Mikrosensorik!«
Auch für die mobile Diagnostik in der Medizin hat das Labor um den BTU-Professor Wegweisendes vorzuweisen: Am Carl-Thiem-Klinikum (CTK), das als größter Versorger im Land mit Strukturfördermitteln zur Uniklinik und zum digitalen Leitkrankenhaus entwickelt werden soll, wird derzeit ein Medizin-Radar getestet. Das Modul mit Hochleistungssensoren ermöglicht die kontaktlose Messung sogenannter Vitaldaten von Patienten wie Herz- und Atemfrequenz. Das Neue daran: Alles verläuft ohne Kabel, mit einer Art Scanner. Patienten können sich dabei bewegen, das Radar wird unterm Krankenbett angebracht.
Die Forschungsaktivitäten werden in einer Tochtergesellschaft des CTK gebündelt. »Medizintechnik lebt von Mikrosensorik, von mobilen Ultraschallgeräten oder kabelloser, berührungsloser Sensorik«, erklärt Robert Holzschuh von Thiem-Research.
Als Beispiel führt der Projektleiter den Umgang mit Unfallopfern an: Bei Verbrennungen, wenn Kontakt mit der Haut vermieden werden solle, helfe das Radar-Modul sehr. Durch Mikrosensoren würden Radarwellen erzeugt und ausgewertet. Auch die Pflege, etwa von bettlägerigen Patienten, werde einfacher. »Für die tägliche Routine der Pflegekräfte ist das hilfreich.« Derzeit werde die klinische Studie für die Ethikkommission fertiggestellt. Mit Ergebnissen rechnet der Projektleiter im Mai.