Leser Ulrich B. möchte »mal Dampf ablassen«:
»Nachdem mir dieser ganze Blödsinn mit Ingenieursmangel ordentlich auf den Wecker geht, möchte ich jetzt bei Ihnen mal etwas Dampf ablassen. Zuerst schlage ich eine Umbenennung von »Ingenieursmangel« in »wir finden keinen der genau diesen Job schon 20 Jahre gemacht hat, der sofort anfangen kann, sofort produktiv ist und natürlich alle evtl. vorhanden Probleme im Handumdrehen löst, zudem noch bei der freiwilligen Feuerwehr aktiv ist und sich für die Rettung des Regenwaldes engagiert« vor. Das trifft es aus meiner Erfahrung am ehesten. Und die Ursache sehe ich vor allem in den Personalabteilungen.
Dann sollte man sich doch mal anschauen, wie man früher (ich bin seit ca. 20 Jahren in der Entwicklung tätig, hauptsächlich in mittelständischen Unternehmen von 30 - 400 Mitarbeitern) in ein Unternehmen reinkam. Man meldete sich auf eine Anzeige, kurz schriftlich oder telefonisch, und vereinbarte, sofern man sich nicht sofort unsympatisch war, kurzfristig einen Termin. Da hat man sich dann beschnuppert, Anforderungen und vorhandene Kenntnisse grundlegend gegenübergestellt und das wars dann auch schon. Dass man gerade in der Anfangszeit was dazulernen muss, war jedem klar und die Bereitschaft, dieses auch zu tun, war vorhanden.
Heute muss man schonmal von jedem Unternehmen wissen, wann, wo und in welcher Garage das Unternehmen von wievielen Personen gegründet wurde und was deren Golfhandicap's waren/sind. Wenn man das Glück hat, die Frage in einem persönlichen Gespräch gestellt zu bekommen, dann war's das auch schon. Dann kommen noch irgendwelche Assessmentcenter mit fragwürdigen Trivialpsychologen am Steuer. Und da kommen dann die raus, die nach irgendwelchen Auswertetabellen theoretisch optimal zum Unternehmen passen. Dass sie dann in der Fachabteilung (deren Personal noch aus der »früher« Einstellungsphase stammt) nicht ankommen, ist Programm.
Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass bei einem Münchener Autobauer sich (mindestens) ein Fachbereichsleiter beklagt, dass er aus der Personalabteilung keine vernünftigen Bewerberkontakte bekommt. Der Mann ist mittlerweile selbst auf Jobbörsen unterwegs und sammelt Kontakte. Und wenn man sich das Online-Bewerberportal ansieht, dann kann man sich vorstellen warum. Bei vielen Punkten haben Berufseinsteiger mit Sicherheit schon Probleme beim Verstehen. Und erfahrenen Leuten geht es da oft nicht besser. Da scheint die Prämisse zu sein, je komplizierter eine Beschreibung/Formulierung, desto besser sieht das nach außen hin aus. Und desto leichter ist es wahrscheinlich von einer Software auswertbar.
Zu dem ganzen Schlamassel hinzu kommt noch der gerade von der Wirtschaft so vehement geforderte Umstieg auf Bachelor und Master, um international vergleichbar zu sein. Warum muss man sich mit etwas vergleichen, was man aus ausbildungstechnischer Sicht gar nicht muss? Der deutsche Dipl.-Ing hat weltweit einen Spitzenruf. Warum muss man sowas kaputtmachen. Aus meiner Sicht nur, um immer mehr Bewerber gegeneinander ausspielen zu können.
In Summe bleibt für mich die Erkenntniss, dass wenn die Unternehmen aufhören würden Spielchen zu spielen und wieder daran interessiert wären kreative, begeisterungsfähige Mitarbeiter für ihr Unternehmen zu finden, dann wäre dieser Mangel bald keiner mehr. Dann würde man vielleicht von einem Personalerüberschuss reden. Vielleicht ist ja das das eigentliche Problem.«