Dr. Reinhard Ploss, Infineon

»Wer eine Pause macht, hat schon verloren!«

12. November 2018, 11:56 Uhr | Heinz Arnold
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Wir arbeiten mit Hochdruck an neuen Sensortypen

Es gibt ja nicht nur das autonome Fahren als KI-Anwendung?

In dem Bereich ist tatsächlich einiges in Bewegung – im Sensorumfeld etwa bei der Spracherkennung und in der Gasanalyse. Wir arbeiten deshalb mit Hochdruck an der Entwicklung neuer Sensortypen. Das betrifft zunächst unser Geschäftsfeld Power Management & Multimarket, kurz PMM. Ein ganz wichtiges Thema ist in diesem Umfeld die Sensorfusion. In diesem Zusammenhang ist auch die Kooperation mit XMOS zu sehen. Für die Verbesserung der Spracherkennung haben wir Radar und Mikrofon kombiniert. Per Beamforming richten sich die Mikrofone gezielt auf Personen aus, die jetzt auch als solche erkannt werden. Dass Sprachassistenten unerwünscht zur Party einladen oder dass der Fernseher im Hintergrund hunderte Puppenhäuser bestellt, könnte der Vergangenheit angehören. Im Umfeld der KI entwickeln wir viele Methoden des lernenden Programmierens. Daran arbeiten auch unsere Ingenieure im Innovation Lab im Silicon Valley und im neuen Entwicklungszentrum, das wir in Dresden schaffen. Es kommt hier darauf an, explorativ vorzugehen, wie eine Expedition, die Neuland betritt.

Schlägt das auch auf die Organisationsstruktur durch? Bisher gibt es ja die vier Segmente Automotive, Industrial Power Control, Power Management & Multimarket sowie Digital Security Solutions.

Es kommt vor allem auf den Systemgedanken an. Wir dürfen den Anwendern nicht mehr nur Bauelemente verkaufen, die sie dann irgendwie in ihr System integrieren. Wir müssen diejenigen sein, die die Endsysteme genau verstehen und aus den sich daraus ergebenden Anforderungen der Kunden konkrete Lösungsvorschläge entwickeln. Das geht nur, wenn über die Segmentgrenzen hinaus zusammengearbeitet wird. Deshalb haben wir Lead-Applikationen definiert.

In der Robotik beispielsweise finden die Produkte unserer vier Segmente parallel Einsatz, von MOSFETs über Leistungs-ICs, Sicherheits-ICs und Sensoren bis hin zu Controllern. Gerade im Bereich der jungen Roboterunternehmen haben wir festgestellt, dass die sich lieber auf Software und Algorithmen konzentrieren und für die Hardware einen Partner suchen. Für jede Lead-Applikation ist ein Segment federführend zuständig, für die Robotik ist es IPC. Weitere Lead-Applikationen sind Car-Security, Smart Home und Drohnen.

Was erhoffen Sie sich denn von diesem Ansatz?

Innerhalb dieser Lead-Applikationen können alle Beteiligten neue Erfahrungen sammeln und gemeinsam explorieren, wie sich die unterschiedlichen Chips und die Software wechselseitig beeinflussen und zu neuen Systemansätzen für vernetzte Geräte, IoT und KI führen. Hier arbeiten wir auch eng mit Startups zusammen, was wieder für beide Seiten interessante Impulse gibt. Um das Beispiel noch einmal aufzugreifen: Ein Roboter-Startup beschäftigt sich damit, die Systeme zu programmieren und mit den eigenen Algorithmen zu versehen. Daraus ergeben sich die Wettbewerbsvorteile, nicht aus dem Zusammenfügen von Komponenten. Schon aus Zeitgründen können sich diese gar nicht im Detail mit unseren komplexen ICs beschäftigen und sind auch keine Experten für Leistungselektronik.

Mit den Startups müssen wir also anders zusammenarbeiten, als wir das mit typischen größeren und etablierten Kunden bisher gewohnt sind – wir liefern im Prinzip Instantlösungen, umrühren und fertig!

Kann Infineon von eigenen Anwendungen in den Fabs lernen?

Dort können wir Industrie 4.0 und Predictive Maintenance gleich selber ausprobieren. In der Fertigung haben wir viel eigenes Know-how aufgebaut und vertiefen es ständig weiter, um Qualität und Effizienz kontinuierlich zu verbessern. Das ist im Übrigen eine Voraussetzung für unsere Null-Fehler-Strategien. Die auf Analytik und KI basierende Methoden können wir dann in andere Gebiete einbringen, beispielsweise im Sales und Marketing. Wir beginnen jetzt, sie auch in F&E und für die Logistik im eigenen Haus zu verwenden.

In vielen Fällen weiß man noch gar nicht, was sich mit den vielen Daten anfangen lässt und über welche neuen Methoden sie sich nutzen lassen?
Ich sehe das ganze Feld der KI als großes Forschungsgebiet. Wir als Unternehmen begeben uns auf eine Expedition, um zu erkunden, was in diesem Umfeld machbar und sinnvoll ist. Dazu haben wir eine sehr interessante Initiative im Unternehmen ins Leben gerufen. Die Mitarbeiter sind aufgefordert, sich zu beteiligen, ihr Wissen auszutauschen und neue Ideen zu entwickeln – getrieben von der jeweiligen Anwendung aus. Wir haben hierfür ein separates Budget zur Verfügung gestellt, sodass beispielsweise Modelle durchgerechnet und einiges ausprobiert werden kann. Und das, ohne hier schon einen konkreten Business-Case formulieren zu müssen. Das Schöne dabei: Es macht den Mitarbeitern richtig Spaß, und es führt zu neuen Perspektiven und Mehrwert.


  1. »Wer eine Pause macht, hat schon verloren!«
  2. Wir arbeiten mit Hochdruck an neuen Sensortypen
  3. Überwältigt von der Entwicklung der Elektromobilität
  4. Die Fusion der Aspekte wird immer wichtiger

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu INFINEON Technologies AG Neubiberg

Weitere Artikel zu Sensoren & -systeme

Weitere Artikel zu Logik-ICs sonstige

Weitere Artikel zu Mikrocontroller

Weitere Artikel zu Künstliche Intelligenz (KI)

Weitere Artikel zu IoT / IIoT / Industrie 4.0