Energy Harvesting

Geringe Chancen gegen billigere Alternativen

14. Mai 2020, 10:54 Uhr | Iris Stroh
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Energy Harvesting gibt es doch

Heutige Taschenrechner, die komplexe mathematische Funktionen berechnen können, arbeiten mit einem kleinen Solarfeld, das genügend Energie erzeugt, um den Prozessor zu versorgen. Rauchmelder im Gegensatz dazu arbeiten mit Batterien. Warum nutzt man in dem Fall keine Solarzellen? Hängt der Rauchmelder nicht im Keller oder einem Zimmer ohne Fenster, dann dürfte er ja genügend Tageslicht bekommen.

Die Begründung ist ganz einfach: »Was passiert, wenn ich schlafe und das Licht aus ist? Dann müsste die tagsüber vorhandene Lichtenergie gespeichert werden, beispielsweise mit Supercaps, und das ist zu teuer«, erklärt Peter Wiese, Vice President und General Manager Automotive Sales EMEA von NXP Semiconductors.
Die Kosten sind das Hauptproblem für Energy-Harvesting-Systeme.

Auch Hans Adlkofer, Vice President Head of Automotive Systems Group von Infineon Technologies, argumentiert in eine ähnliche Richtung wie Wiese, in dem Fall aber am Beispiel Reifendrucksensoren. »Hier wird schon seit zehn Jahren daran gearbeitet, die Batterie aus diesen Reifendrucksensoren zu entfernen. Sie durch Energy Harvester zu ersetzen, ist technisch zwar möglich, aber es ist viel teurer. Und das will keiner bezahlen.« Dem stimmt Wiese uneingeschränkt zu und ergänzt: »Technologisch gesehen wäre Energy Harvesting in diesem Anwendungsfall leicht möglich. Die Controller und analogen Bausteine, die man dafür braucht, sind bei vielen Halbleiterherstellern vorhanden.«

Aufgrund der Kosten werden sogar noch viele weitere Nachteile akzeptiert, die mit einem batteriebetriebenen Reifendrucksensor verbunden sind. Wiese: »Der Reifendrucksensor liegt mit eingebauter Batterie im Ersatzteillager, und diese altert. Das Ersatzteil ist nach fünf Jahren eigentlich nur noch relativ wenig wert. Als Energy-Harvesting-Ersatzteil wäre das nach fünf Jahren immer noch ein Topteil, aber es ist teuer. Es ist günstiger, wenn man den batteriebetriebenen Reifendrucksensor wegschmeißt und durch einen neuen ersetzt.«

Darüber hinaus stelle ein Reifendrucksensor mit Batterie auch von der Fertigungsseite her nicht die beste Lösung dar, »auch von dieser Seite her wäre ein Ersatz der Batterie durchaus interessant«, so Adlkofer weiter. Doch trotz aller Vorteile von Energy-Harvestern in diesen Sensoren ein entscheidender Minuspunkt bleiben: die Kosten. In Konkurrenz zu billigen Batterien lohnt sich auch der Aufwand für den Halbleiterhersteller schlussendlich nicht mehr.

Adlkofer ist denn auch überzeugt, dass sich bei den Reifendrucksensoren erst etwas ändern würde, wenn die gesetzlichen Vorschriften geändert werden. Denn momentan kann man so einen Reifendrucksensor samt Batterie »einfach in die Mülltonne schmeißen, das interessiert keinen«, so Adlkofer.

Westmeyer_Uwe
Uwe Westmeyer, Renesas Electronics: »Aus meiner Sicht muss man Prozessoren einsetzen, die wenig Strom verbrauchen, beim Hochfahren sowie bei der Datenübertragung per Funk. Denn nur dann reicht die Energie, die ein Energy Harvester bereitstellen kann, auch aus.«
© Markt&Technik

Energy Harvesting für die Nische, nicht für die breite Anwendung

Thomas Rothhaupt, Director Sales & Marketing bei Inova Semiconductors, nutzt selbst Smart-Home-Anwendungen und erklärt, dass es hier durchaus Produkte gibt, die mit Energy Harvesting versorgt werden. »In diesen Geräten muss nie eine Batterie getauscht werden. Aber sie kosten auch viel Geld«, so Rothhaupt weiter. Und genau deshalb sind zwar die meisten Halbleiterhersteller davon überzeugt, dass Energy Harvesting seine Daseinsberechtigung hat, aber: »Ich glaube nicht, dass diese Technik überall mit breiter Masse eingesetzt wird. Denn in vielen Fällen ist die Kostenfrage entscheidend. Sonst wäre diese Technik längst im Raddrucksensor eingesetzt worden«, so Wiese weiter.

Ein Bereich, in dem die Kosten nicht entscheidend sind und der Konsument bereit ist, mehr Geld aufgrund von Energy Harvesting auszugeben, umfasst beispielsweise Anwendungen, die mit Design zu tun haben. Das zeigt sich daran, dass sich auch teurere Lichtschalter mit Energy-Harvesting-Technik verkaufen lassen. Wiese: »Wenn es um Design geht, bezahlen die Leute gerne mehr. Es gibt also durchaus Märkte, in denen diese Technik sinnvoll eingesetzt werden kann.«

Doch der breite Einsatz wird wohl nicht freiwillig kommen. Weshalb Westmeyer zum Abschluss betont: »Wir sind uns wohl darin einig, dass vom Gesetzgeber hier die Richtung vorgegeben werden muss, die besagt, dass viele Geräte batteriefrei realisiert werden müssen. Sonst wird das mit dem IoT nichts werden.«


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