Fahrzeugkonnektivität im Fokus

Teststrategien für die TCU

1. Oktober 2021, 9:00 Uhr | Von Nikhil Kumar
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Direct Test Mode (DTM)

Wenn das TCU-Design und die Modem- lieferanten für die verschiedenen Wireless-Technologien feststehen, müssen die HF-Eigenschaften der Modems gebenchmarkt werden. Diese Tests können im Non-Signaling-Modus stattfinden, bei dem der Prüfling in den Direct Test Mode geschaltet wird. In dieser Phase geht es darum, zu überprüfen, ob das HF-Verhalten der einzelnen Komponenten den von den Herstellern angegebenen Eigenschaften entspricht. Mit dem Non-Signaling-Modus werden die Sende- und Empfangseigenschaften des Wireless-Geräts verifiziert. In diesem Stadium ist die Anwendungssoftware noch nicht in die TCU integriert und es sind keine Funktionstests möglich. Um HF-Transceiver, Leistungsverstärker, Filter und Antennen zum Modem hinzufügen zu können, muss die TCU kalibriert sein. Messungen im Direct Test Mode erweisen sich in dieser Phase als vorteilhaft.

5G-Netzwerk-Emulation mithilfe der Software R&S CMsquares
Bild 2. 5G-Netzwerk-Emulation mithilfe der Software R&S CMsquares.
© Rohde & Schwarz

Hochfrequenz- (HF) Parameter wie Spectrum Emission Mask (SEM), Nachbarkanalleistung (Adjacent Channel Leakage Ratio, ACLR), Sendeleistung, Error Vector Magnitude (EVM) usw. sind Schlüsselparameter, die gemessen werden müssen (Bild 2). Chipset-Hersteller stellen eine kundenspezifische Schnittstelle bereit, über die der Prüfling in den Testmodus versetzt wird. Nutzer können die einzelnen Module über Anwendungsprogrammierschnittstellen (Application Programming Interfaces, APIs) ansteuern.

Die erforderliche Testzeit ist ein entscheidendes Kriterium. So können Validierungsteams mehrere Antennen der TCU mit mehreren HF-Anschlüssen des Messgeräts verbinden, um mehrere Technologien gleichzeitig zu testen.

Connected Mode

Mit Tests der TCU im verbundenen bzw. vernetzten Connected Mode lässt sich sicherstellen, dass die einzelnen Hardware- und Softwarekomponenten auch nach deren Zusammenführung ordnungsgemäß funktionieren. Diese Tests werden auch häufig als Ende-zu-Ende-Signalisierungstests bezeichnet. Eine Schlüsselkomponente der für Connected-Mode-Tests verwendeten Prüfstände (Testbeds) ist der Netzwerkemulator (Bild 3). Mit diesem Gerät können nicht nur Mobilfunknetze wie 5G NR oder LTE emuliert werden, sondern auch drahtlose Zugangspunkte wie Wi-Fi oder Bluetooth.

Netzwerk- und Satellitenemulator stellen die Werkzeuge für TCU-Tests in einer kontrollierten und reproduzierbaren Umgebung bereit
Bild 3. Netzwerk- und Satellitenemulator stellen die Werkzeuge für TCU-Tests in einer kontrollierten und reproduzierbaren Umgebung bereit.
© Rohde & Schwarz


Mit einem GNSS-Simulator wiederum lassen sich Satellitenkonstellationen mit GPS, Glonass, Galileo, Beidou und QZSS einschließlich satellitenbasierter Ergänzungssysteme (SBAS) bequem in einer Laborumgebung emulieren. Diese beiden Emulatortypen erlauben dem Anwender nicht nur unkomplizierte Tests komplexer Szenarien in einer Laborumgebung, sondern stellen auch die Werkzeuge für wiederholbare Tests bereit. Bei Drive-Tests in realen Mobilfunknetzen mit echten GNSS-Signalen dagegen ist eine Wiederholbarkeit praktisch nicht gegeben. Bei Connected-Mode-Tests liegt der Fokus auf der Protokollstack-Verifizierung sowie auf Ende-zu-Ende-Durchsatz, Benutzererlebnis, Koexistenz- und Störsignaltests.
Ingenieure können Netzwerkemulatoren für den Test von Nutzeranwendungen mit unterschiedlichen Modulationsarten und zeitlichem Ablauf konfigurieren. Infotainment-Apps, die auf der zentralen Bedien- und Steuereinheit (Head Unit) im Kfz laufen, nutzen ebenfalls die von der TCU bereitgestellte Verbindung zu Cloud-Diensten. In Hinblick auf das Nutzererlebnis sind Tests der Ende-zu-Ende-Konnektivität zwischen den cloudbasierten Apps und den in der Head Unit installierten Applikations-Clients von entscheidender Bedeutung.

In der Testphase gilt ein wichtiger Punkt auch der Sicherheit. Endpunkt-Geolokation, die Auflösung von Domänennamen, Traffic-Analyse für verschlüsselte und unverschlüsselte Daten, die Analyse digitaler Zertifikate, die Schlüsselwortsuche und Port-Scanning müssen bei der Entwicklung der TCU-Teststrategie berücksichtigt werden.

Die TCU ist unverzichtbar für die Konnektivität zum Fahrzeug, gleichzeitig ist sie jedoch das Einfallstor für Angriffe von außen. Für Stresstests vernetzter Systeme werden häufig sogenannte Penetrationstests (PEN-Tests) durchgeführt, um mögliche Sicherheitslücken aufzudecken und anfällige Stellen gezielt Cyberangriffen auszusetzen. Diese Tests sind sowohl für vernetzte als auch autonome Fahrzeuge essenziell wichtig.

Die TCU wird deshalb während der Testphase starken Belastungen ausgesetzt und auch unter HF-Fading-Bedingungen und in Gegenwart von Störsignalen auf anderen Funkfrequenzen getestet. Die Koexistenz mehrerer Drahtlostechnologien in der TCU und im Fahrzeug ist ein Thema, das während Design und Validierung berücksichtigt werden muss.

Im Betrieb ist das Fahrzeug unterschiedlichen Wetterbedingungen ausgesetzt; ebenso erfährt auch die TCU starke Temperaturschwankungen. Es ist durchaus üblich, dass Testingenieure beim Testen von Automobilkomponenten in einer temperaturgesteuerten Kammer einen Temperaturbereich von –40 ºC bis +85 ºC ansetzen.

Produktiontests

In Produktionsumgebungen spielen ganz andere Faktoren eine Rolle als bei Funktions- und Integrationstests. Automatisierte Tests an der Produktionslinie sind unerlässlich, angestrebt werden Ausfallzeiten nahe null. Optimalerweise lassen sich mehrere Geräte und mehrere Technologien gleichzeitig testen. Die Geräte werden dazu in den Factory Test Mode (FTM) geschaltet und die Tests für maximale Effizienz an der Produktionslinie optimiert. Über automatisierte Messaufbauten werden mehrere HF-Tester gleichzeitig angesteuert. Auch die Integration von Roboterarmen in die Produktionsanordnung ist eine durchaus naheliegende Überlegung.

Die Zukunft der TCU

Die Entwicklung von Telematiksteuergeräten schreitet schnell voran. Mobilfunknetze weltweit migrieren von LTE zu 5G New Radio (5G NR) – TCUs sollten also 5G-fähig sein. Entwickler müssen sich daher mit softwaredefinierten Funkgeräten in Kombination mit geeigneten HF-Frontends und Antennen befassen, die die von den lokalen Regulierungsbehörden und Mobilfunkbetreibern vorgesehenen 5G-Frequenzbänder unterstützen. Mit einem softwarebasierten Ansatz können Automobilhersteller ihre TCUs von 4G auf 5G einfach über Software-Upgrades aufrüsten.

Automobilhersteller haben die Option, die Kosten für den Austausch bestehender 4G-TCU- gegen neue 5G-NR-Hardware an den Endkunden weiterzureichen. Wenn die Automobilhersteller alternative Ertragsmöglichkeiten sehen, könnte dies auch kostenlos erfolgen.

 

Der Autor

 

Nikhil Kumar von Rohde & Schwarz
Nikhil Kumar von Rohde & Schwarz.
© Rohde & Schwarz

 

Nikhil Kumar

ist ehemaliger Mitarbeiter bei Rohde & Schwarz und war bis 2020 als Technical Program Manager für Automotive Connectivity tätig.


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