Durch die Corona-Pandemie sind viele Produktentwicklungen beeinträchtigt und verlangsamt worden. Beobachten Sie das auch bei Ihren Kunden?
Nach meiner Beobachtung hat die Kurzarbeit einen ganz klaren Effekt auf Entwicklungsprozesse. Das dürfte vor allem an schwieriger gewordenen Abstimmungsprozessen zwischen verschiedenen Teams liegen. Hier zeigt sich auch, dass persönlicher Kontakt, die Vor-Ort-Präsenz eben doch nicht immer und überall durch digitale Hilfsmittel gleichwertig ersetzbar ist. Menschen kaufen eben von Menschen und nicht von Maschinen oder Webshops. Natürlich wird vielerorts nun darüber nachgedacht, ob man für sich wiederholende Projekt-Updates wirklich alle drei Monate nach Asien fliegen muss. Aber es wird weiter Projekte und Projektstadien geben, in denen der persönliche Face-to-Face-Kontakt vor Ort entscheidend zur Weiterentwicklung des Projekts beiträgt.
Premier Boris Johnson scheint konsequent auf einen harten Brexit zuzusteuern. Welche Konsequenzen hätte das für Ihren europäischen Produktionsstandort Ilfracombe, und wie bereiten Sie sich auf einen harten Brexit vor?
Der Brexit wird kommen. Ich persönlich glaube, es wird einen Deal „at the 11th hour“ geben. Johnson kann nicht mehr zurück. Unsere Vorbereitungen laufen, unser Plan, wie wir mit der Situation umgehen werden, steht. Es kann sein, dass es in den ersten Tagen des Brexit zu Verzögerungen kommen wird. Aber wir richten uns mit einer großzügigen Bevorratung sowohl bei den benötigten Komponenten für die Produktion als auch fertiger Produkte für unseren Vertrieb auf diese Schwierigkeiten ein. Durch den Brexit wird die Papierarbeit deutlich zunehmen. Wir werden mit Import- und Exportsteuern umgehen müssen. Wir tun unser Möglichstes, um die Auswirkungen des Brexit auf unsere Kunden so gering wie möglich zu halten.
Noch einmal die Frage zu Ilfracombe. Welche Schwerpunkte in der Entwicklung und Produktion wird es dort in Zukunft geben?
Das Marktforschungsinstitut Omdia hat im letzten Jahr festgestellt, dass TDK-Lambda der weltweit führende Hersteller von Stromversorgungslösungen für medizintechnische Geräte ist. Ilfracombe ist eines unserer absoluten Zentren in puncto Entwicklung und Produktion medizintechnisch einsetzbarer Stromversorgungen. Um den Standort zukunftssicher zu machen, bauen wir den Grad der Automatisierung in der Fertigung dort in den kommenden zwei, drei Jahren weiter deutlich aus.
Noch eine Frage zum Thema Laborstromversorgungen. Sie kündigten einen weiteren Ausbau der Produktion in Israel an. Werden Sie Ihr Produktspektrum noch weiter ausbauen?
Mit Genesys und Genesys+ haben wir in den letzten zwei Jahrzehnten eine absolute Erfolgsgeschichte geschrieben. Es ist uns gelungen, in den letzten Jahren die Leistungsdichte unserer Geräte zu verdoppeln! Für die Zuverlässigkeit dieser Geräte spricht unter anderem die Tatsache, dass einige von ihnen schon über zehn Jahre in Teilchenbeschleunigern zuverlässig ihre Aufgaben verrichten.
In Asien wirkt sich der 5G-Rollout auch auf die Stromversorgungsnachfrage für Basisstationen aus. Sehen Sie hier Wachstumschancen für TDK-Lambda in Europa?
Ehrlich gesagt: nein. Die Anforderungen an ein solches Produkt sind bislang zu wenig standardisiert, als dass es für einen Standardgerätehersteller interessant wäre, in diesem Bereich aktiv zu werden. Wir registrieren den sich entwickelnden 5G-Sog aber anderweitig, im Bereich Test & Measurement. Vor allem in der Halbleiterbranche ist der Bedarf an entsprechenden Vorrichtungen deutlich gestiegen, und damit auch der Bedarf an Stromversorgungen dafür.
TDK-Lambda hat zuletzt eine neue DC/DC-Initiative in Europa gestartet. Das wurde in der Vergangenheit bereits ein-, zweimal versucht. Was ist dieses Mal anders?
Man hat aus der Vergangenheit gelernt. Alle bei TDK-Lambda haben dieses Mal den Fokus auf diese Initiative gelegt. Wir haben unser Vertriebsteam entsprechend erweitert, wir verfügen nun über die entsprechenden Fachleute im Verkauf und können ein sehr attraktives Produktportfolio anbieten. Und wir konzentrieren uns zu Beginn vor allem auf den Medizintechnikbereich bei unser DC/DC-Wandler-Initiative.
Vor über zehn Jahren gab es einen Hype um das Thema Digital Loop. In Zeiten von Industrie 4.0 sollen Stromversorgungen nun immer smarter werden, etwa Daten erfassen und auswerten. Sind smarte Stromversorgungen die Zukunft der Branche?
Beim Digital Loop ging es in erster Linie um die Steigerung der Effizienz. Dazu wurde viel Zeit und Geld in die Entwicklung entsprechender digitaler Controller gesteckt. Mit Industrie 4.0 stehen wir einer neuen Herausforderung gegenüber, für die wir aber schon 2008 mit der EFE300-400-Serie erste passende Produkte geliefert haben. Wir werden die Entwicklung in diese Richtung weiter vorantreiben.
In der Vergangenheit hat TDK-Lambda den europäischen Markt hinsichtlich potenzieller Übernahmen sondiert. Steht das auch während der Corona-Krise weiter im Fokus?
Grundsätzlich ist es für ein global operierendes Unternehmen wie TDK-Lambda, welches in einen großen Konzern eingebettet ist, entscheidend, Unternehmen, die sich mit Leading- Edge-Produkten hervorheben, zu beobachten. Unsere Mutter TDK hat ausschließlich für diese Zwecke einen Unternehmensbereich, die TDK Venture, die sich genau mit dieser Fragestellung befasst.