Aus Sicht von Marc Eichhorn, Product Marketing Manager Batteries bei Avnet Abacus, ist das, was derzeit passiert, das klassische Auflösen einer Allokation. »Man sieht, dass sich Kunden selbst Lager aufgebaut haben und diese Kapitalkosten sie jetzt natürlich drücken.« Natürlich gebe es aktuell im Konsumgüterbereich eine Schwäche, die auch dazu führe, dass Zellenkontingente frei werden, »die plötzlich für gute Preise erhältlich sind«. Aber das lässt sich bei Weitem nicht für alle Branchen sagen. »Es gibt auch die Kunden, die bereits über die Aufträge für nächstes Jahr sprechen«, so Eichhorn, »diese Kunden sprechen über Rahmenverträge, weil sie in Marktsegmenten aktiv sind, die weiterhin boomen«.
Zu diesen boomenden Marktbereichen gehört in zwischen auch in Deutschland das Thema Speicher. »Egal ob groß oder klein, das Speichergeschäft läuft nach wie vor sehr gut«, versichert Dr. Jürgen Heydecke, Technical Director Battery Solutions bei Jauch. Auf Messen sei zu beobachten, wie überrascht Besucher darüber sind, dass auch in diesem Produktsegment inzwischen chinesische Hersteller kräftig mitmischen. »Wir reden hier über Speicherlösungen für Häuser, ja auch für Schiffe«, so Dr. Heydecke. »Alle großen Anbieter steigen da inzwischen ein, da wird es kein Zurück mehr geben.«
Eine Einschätzung, die auch Sven Krüger, Geschäftsführer der Actron Power, teilt. »Wir sind mit vielen chinesischen Pack-Herstellern im Kontakt, und wenn die in den letzten zwei, drei Jahren ein Thema haben, dann sind es Speicher!« Früher sei das nicht so ausgeprägt der Fall gewesen, »aber inzwischen steht Energy-Storage bei denen im Fokus«. Der Markt der Storage-Produkte, darüber sind sich die Diskussionsteilnehmer einig, sei riesig, und er biete, anders als der E-Mobility-Markt, eben auch Chancen für kleine und mittlere Player am Markt. Darüber, dass Leben in den Heimspeicher-Bereich reingekommen ist, freut sich auch Professor Dr. Karl-Heinz Pettinger, Inhaber der Professur für Elektrische Energiespeicher an der Hochschule Landshut, »das hat aber auch verdammt lange gedauert!«.
Versorgungstechnisch hat sich die Situation am deutschen Markt nach Einschätzung der Diskussionsteilnehmer weitgehend wieder normalisiert. Die großen Herausforderungen der Logistik seien gemeistert worden, die Preise für Container bewegten sich inzwischen wieder auf dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Auch wer seine Zellen oder Elektronik per Luftfracht transportiert, kann sich teilweise wieder über Kilopreise von 6 Euro freuen, wie Isermeyer schildert. Der einzige Unterschied im Fall des Seewegs sei, dass mit einem Puffer gerechnet werden müsse.
»Zwei, drei Wochen länger als vor der Pandemie hat sich inzwischen als neue Normalität etabliert«, erläutert Pfeil. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. »Zum einen fahren die Containerschiffe inzwischen wirklich langsamer«, so Hack, oder sie fahren verspätet los, wie Krüger hinzufügt. »Wenn die Container dann eintreffen, dauert das mit der Verzollung inzwischen auch länger, da kommen schnell ein paar Tage hinzu.« Erschwerend für die Batteriebranche: Ihre Waren werden meist in Mischcontainern transportiert, und die bleiben dann gerne mal am Kai liegen, weil nicht jedes Schiff das Equipment an Bord hat, um Mischcontainer zu löschen.
Europas Pläne für über 40 Batteriefabriken
Schon seit Jahren beschäftigen sich die Diskussionsteilnehmer des Batterieforums der Markt&Technik mit den Plänen und den Fortschritten zum Aufbau einer europäischen Batterieproduktion. Im Fokus dieser Pläne steht bekanntlich die Versorgung der europäischen Automobilhersteller mit Batterien für ihre Elektrofahrzeuge. Im Lauf der Jahre ist die Zahl der geplanten und zum Teil bereits in Bau befindlichen Fabriken zwar ständig gestiegen, wirklich ins Rollen gekommen ist das Ganze bislang aber noch nicht.
»Ich kennen keinen, der in Europa produziert und bereits groß in Elektrofahrzeugen eingesetzt werden würde«, beschreibt Dr. Heydecke die aktuelle Situation, »und das ist dann schon enttäuschend, wenn man sich diese Projekte auf der europäischen Landkarte ansieht und die riesigen Gigawattstunden, die bei den einzelnen Projekten stehen«. Ein Problem, das Suter vor allem auf zwei Punkte zurückführt: »Aus meiner Sicht ist das neben einem Investitionsproblem vor allem auch ein Problem der Genehmigungen«. Er verweist dabei unter anderem auf den Vorbehalt der beihilferechtlichen Position durch die EU. Als es dann um die Halbleiter-Fabs ging, so die Diskussionsrunde, seien diese beihilferechtlichen Zusagen der EU schneller gekommen.
Man möchte aber auch nicht ungerecht sein. »Als Panasonic zusammen mit Tesla die erste Giga-Fab errichtet hat«, blickt Isermeyer zurück, »da hat Panasonic die Maschinen 1 : 1 kopiert und in den USA aufgebaut, es hat aber trotzdem drei Jahre gedauert, bis die Zellen mit der gewünschten Qualität aus dieser Fertigung gekommen sind«. Das LG-Werk in Polen läuft nach Informationen der Diskussionsteilnehmer inzwischen, beim Samsung-Werk in Ungarn ist man sich nicht sicher. Und bei CATL in Thüringen scheinen bislang auch 380 Millionen Euro Fördergelder nicht ausgereicht zu haben, um eine Serienproduktion zu ermöglichen. Dafür soll es Nachforderungen zur Förderung in dreistelliger Millionenhöhe geben.
Offenbar trägt auch ein grundsätzlicher politischer Interessenkonflikt zu den Verzögerungen beim Wiederaufbau einer leistungsfähigen europäischen Batterieproduktion bei: »Häufig werden die Fabriken nicht dort geplant, wo es Fachpersonal und eine gewachsene Industriekultur gibt«, bemängelt Prof. Pettinger, »sondern die Fabriken werden in fördergünstigen Randzonen platziert«. Eine Strategie, die das Problem der fehlenden Facharbeiter noch weiter verschärft. »Was uns hier fehlt, sind die kleveren Schichtführer und das trainierte Personal.«
Dass es dabei allein in Deutschland nicht um mehrere tausend Personen geht, wird in der Diskussion auch schnell klar: »Ein Werk wie die CATL-Fabrik in Erfurt mit 14 GWh dürfte in Summe mit allen Personen die dort arbeiten, etwa 300 Beschäftigte benötigen«, so Prof. Pettinger. Dass sich mit 120 Mitarbeitern in einer vollautomatisierten Fab im Jahr bis zu 100.000 Energiespeichersysteme herstellen lassen, zeigt Varta gerade mit seiner neu eröffneten Fabrik am Standort Neunheim in Ellwangen.
Dr. Heydecke verweist darauf, dass der Einstieg der Koreaner in die Batterieproduktion eine konzertierte Aktion war. »LG und Samsung haben damals den klaren Auftrag von der Regierung erhalten, ihr werdet die Nummer 1.« Dass das dann letztlich im Fall Samsung nicht klappte, lag daran, dass Panasonic den Wettbewerber Sanyo kaufte und damit weiterhin die Nummer 1 blieb. »Sämtliche Universitäten, die sich mit Anoden- und Kathodentechnik beschäftigten, wurden angewiesen, unter der Ägide von LG oder Samsung eine Lithium-Ionen-Batterie zu entwickeln«, erinnert sich Dr. Heydecke. »Das Ergebnis dieses nationalen Kraftakts ist bekannt. In Deutschland dagegen leiste man sich vier Pilotlinien für die Produktion von Lithium-Ionen-Zellen, von denen keine richtig laufe, »das kostet nur Geld«.
Gewiss sei es unfair, die EU als Summe von Staaten mit einem Einzelstaat zu vergleichen, wirft Isermeyer ein, »aber wir verzetteln uns mit unzähligen kleinen, häufig nicht koordinierten Aktionen«. Der vom Ampel-Koalitionspartner schon im Fall der E-Fuels und der angestrebten Heizungs-Wende strapazierte Begriff der »Technologieoffenheit«, er wird, wenig wirksam, auch im Batteriebereich verfolgt. »Wir fördern die besten Technologien nach dem Gießkannenprinzip und hoffen, dass sich evolutionär die beste Technologie in der nächsten Generation durchsetzt«, beschreibt Prof. Pettinger das vorherrschende Denken. Wer in Verwaltungsgremien die Frage nach einem Masterplan stelle, der erhalte die entsetzte Antwort: »Wir sind doch nicht im Kommunismus!«
Fazit: Optimistisch betrachtet gehen die Diskussionsteilnehmer davon aus, dass Ende dieses Jahrzehnts wohl ein Dutzend Batteriefertigungen in Europa stehen werden; ob die dann auch schon verwendbare Zellen produzieren würden, stehe auf einem anderen Papier.