EMF-Messungen an Mobilfunkstationen

EMVU-Prüfung aus der Luft

20. September 2018, 11:15 Uhr | Von Markus Ridder
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Standard-EMVU-Messmethode

Eine EMVU-Messung wird standardmäßig mit der so genannten Schwenkmethode durchgeführt. Hierbei wird mit der Antenne das Messvolumen abgetastet, das sich in mindestens 0,75 m – 1,75 m Höhe befindet und einen Mindestdurchmesser von 1 m hat. Die Antenne wird dabei hochwärts und seitwärts gedreht, um die Polarisationsrichtung der Antenne zu verändern.

So wird eine Maximierung aller im Messvolumen vorliegenden Signale erreicht, die verschieden stark aus unterschiedlichen Raumrichtungen mit unterschiedlichen Polarisationen einfallen und sich kleinstskalig ändern können.

Dieses Standardverfahren ist mit einer Drohne jedoch nicht umsetzbar, da die Steuerung für ein mäanderförmiges Abtasten und die zusätzliche Polarisationsänderung der Antenne, die innerhalb eines sehr kleinen Bereichs erfolgen muss, nicht so präzise erfolgen kann, wie es beispielsweise am Boden möglich ist. In jedem Fall ist eine isotrope Antenne notwendig.

Senkrechte Antennenmontage

Bild 4. Drohne auf Start-Podest mit montierter Antenne.
Bild 4. Drohne auf Start-Podest mit montierter Antenne.
© IMST

Für die Lageregelung des Copters ist eine senkrechte Antennenanordnung notwendig. Die integrierte Lagekorrektur des UAS wäre mit einer horizontalen Last, die unsymmetrisch um die senkrechte Rotationsachse des Copters verteilt ist, bei zusätzlicher Beeinflussung durch Wind und Witterung im Außenbereich überfordert.

Die senkrechte Anordnung brachte aber weitere Komplikationen, wie zum Beispiel die Lande- und Startmanöver mit sich. Dafür ist eine eigene Start- und Landeplattform notwendig, bei der die senkrecht stehende isotrope Antenne ausgespart bleibt (Bild 4). Aktuell wird ein erweitertes Landegestellt für die Drohne entwickelt, das die komplette Antennenlänge abdeckt, so dass eine extra Landeplattform in Zukunft nicht mehr benötigt wird.

Bild 5. Fliegende Drohne oberhalb des Prüfdrehtellers mit aktiver Messgerätesteuerung bei Störfestigkeitsuntersuchung und ohne isotrope Antenne.
Bild 5. Fliegende Drohne oberhalb des Prüfdrehtellers mit aktiver Messgerätesteuerung bei Störfestigkeitsuntersuchung und ohne isotrope Antenne.
© IMST

Ein weiterer wichtiger Entwicklungsaspekt waren die Störfestigkeitsuntersuchungen (Bild 5). Da das UAS für den Flugbetrieb in starken elektromagnetischen Feldern vorgesehen ist, wurde im Rahmen der Entwicklung besonderer Wert auf das Testen und die Erhöhung der Störfestigkeit des Gesamtsystems, aber auch der einzelnen Komponenten gelegt. Dazu gehört unter anderem die Software und die CRC-Prüfung.

In typischen hochfrequenten EMF-Szenarien treten schnell 50 V/m elektrische Feldstärke auf, was selbst für Industriegeräte in den meisten Fällen zu viel ist. Sie werden für Störfestigkeitsuntersuchungen bis 10 V/m ausgelegt. Für die finalen Störfestigkeitsprüfungen wurde das Gesamtsystem bei verschiedenen Frequenzen – zum Beispiel 900 bis 1800 MHz des Broadcast Control Channel (BCCH) des GSM-Mobilfunkstandards – und vertikaler wie auch horizontaler Polarisation mehr als 100 V/m elektrischer Feldstärke ausgesetzt und parallel dazu ein Funktionstest des Systems durchgeführt.

Die Störfestigkeitsuntersuchungen zeigen, dass das Gesamtsystem selbst bei über 100 V/m keinerlei Beeinflussung durch diese Felder zeigt, weder für die Steuerung des Copters, noch die Messgerätesteuerung und das Auslesen. Daher eignet sich die Gesamtanordnung für Messungen in unmittelbarer Nähe zu HF-Quellen wie Mobilfunkanlagen.

Über HF-Messungen hinaus

In Summe nutzt IMST den Copter nicht nur im hochfrequenten Bereich. Vielmehr wird das UAS als Systemträger verstanden, der verschiedene Mess­geräte (HF, NF, Magnetfeld, Infrarot­kamera, Radar oder HD-Kamera) aufnehmen kann und somit prinzipielle Messungen in unzugänglichen Bereichen oder größerer Höhe ermöglicht.

Weitere unmittelbare Messanwendungen für das Coptersystem sind Messungen an Hochspannungsleitungen oder an NF-Sendern. Dafür kann zum Beispiel ein Narda EHP-50 oder ein Narda EHP-200A bestückt werden, die beide ebenfalls mit einer kompatiblen Datenschnittstelle ausgestattet sind und sich entsprechend ansteuern lassen. Aufgrund der kompakteren Abmessungen ist dann auch weniger Aufwand für die Antenne bei Start und Landung notwendig, da hier jeweils beide Antennen (E- und H-Feld) im kompakten Gerät integriert sind.

Aktuell wird weiterhin wird die Positionsbestimmung des Copters noch deutlich verbessert, so dass auch das Aufnehmen von Antennendiagrammen möglich wird, die für die Charakterisierung von modernen 5G-Anlagen benötigt werden.

 

Exkurs: Fliegende Sensoren für die Rettungsleitstelle

In Deutschland müssen einige Rettungsleitstellen noch auf Kommunikationstechnik aus der 1970er Jahren zurückgreifen. Multimediadaten, die eine Koordination von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten deutlich vereinfachen würden, können über eine solche In­frastruktur nicht gesammelt werden.

Im CopKa-Projekt (FKZ: 50YB1523) entwickeln unter anderem die TU München und IMST aktuell die Architektur für eine multisensorielle Einsatzabwicklung. Eingesetzt werden in erster Linie Drohnen (Copter) mit Gassensoren, Kameras und IR-Kameras. Das Leitstellenpersonal erhält eingeschränkten Zugriff auf die Steuerung, um den Einsatzort aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten zu können.

Die Daten werden in einem zentralen Sensorhub auf dem Einsatzfahrzeug gesammelt und über eine Satellitenkommunikation im Ka-Band (20 GHz Rx, 30 GHz Tx aus Sicht der Bodenstation) an die Leitstelle übertragen. Dafür wird eine kompakte Antenne mit automatischer Ausrichtung zum Satelliten entwickelt. Damit ist das System weitestgehend unabhängig vom Mobilfunk, lediglich als Backup ist  eine LTE-Verbindung vorgesehen.

Ziel ist ein Livestream von HD- und IR-Bildern vom Einsatzort in die Leitstelle über Satellitenverbindung. Der Mehrwert des Systems hängt stark davon ab, wie präzise sich die Drohnen aus der Leitstelle steuern lassen. Dafür werden Methoden zur Teleoperation über VR-Systeme und mit 3D-Echtzeitrekonstruktion des Einsatzortes erprobt. Vortests mit dem System zeigten laut TU München, dass die technische Machbarkeit durchaus gegeben sei und das die Leitstelle durch die neue Technik im Krisenfall optimal handeln könne.

 

Der Autor

Markus Ridder
Markus Ridder, Prüflaborleiter bei IMST.
© IMST

Markus Ridder

leitet seit 2015 das nach DIN EN 17025 akkreditierte Prüflabor der IMST GmbH. Nach dem Studium der Elektrotechnik mit Fachrichtung Nachrichtentechnik arbeitete er ab 2003 im Bereich der Spezial-Messtechnik bei NEC/Renesas Electronics (Europe) und anschließend bei SGS Institut Fresenius.

Dabei war er seit 2006 mit EMV-Themen betraut. Er ist ständiges Mitglied im Arbeitskreis des VDE für Halbleiter-EMV-Messmethodik, Teilnehmer an EMVU-Gutachtersitzungen des FEE2-Gutachterprogramms des bayrischen Landesamtes für Umwelt und vertritt IMST im Bereich von Normungsangelegenheiten bei den internationalen Normungsorganisation IEC und IEEE/ICES.


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