Resonanzen auf Leiterplatten erkennen

Simulationstools sichern EMV-gerechtes PCB-Design

3. Juli 2025, 14:42 Uhr | Von Steffen Seewald, Cadfem Germany
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Antennenähnliche Strukturen auf Leiterplatten sind eine häufige Ursache für EMV-Probleme. Bleiben sie unerkannt, kann das zu bösen Überraschungen führen. Mit Simulationstools lassen sich kritische Resonanzen frühzeitig identifizieren und gezielt entschärfen – bevor erste Prototypen gefertigt werden.

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Vor seiner Markteinführung muss jedes elektronische Gerät durch Messung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) zertifiziert werden. Dabei werden oft die in den Test-Standards (z.B. CISPR [EMCSTD]) definierten Grenzwerte für elektromagnetische Abstrahlung überschritten. Ursache hierfür sind häufig die antennenähnlichen Strukturen auf der Leiterplatte (PCB) des Geräts.

PCB-Layouts als versteckte Antennenstrukturen

Antennen empfangen hochfrequente Signale aus der Umgebung, um sie an die angeschlossene Elektronik für die Signalverarbeitung weiterzuleiten. Bei der klassischen Stabantenne ist es der Stab selbst, der als resonante Struktur für die hochfrequenten Ströme dient, die dort eine stehende Welle ausbilden. Die Ströme regen elektromagnetische Wellen an, die in die Umgebung abgestrahlt werden. Im Empfangsfall regen Wellen Ströme auf dem Stab an.

Aber wo ist bei einem Sendesystem wie dem Smartphone ein solch resonanter Stab? Was bestimmt hier die Form und Dimension einer Antenne?

Die ersten Handys hatten noch kleine Stabantennen an den Seiten – denn die geometrische Größe ist wichtig für die Abstrahleigenschaften. Faustregel: Je länger die Antenne, desto niedriger die Resonanzfrequenz mit besonders großem Abstrahlpotenzial. Weitere Faktoren sind in Reihe mit den Antennenarmen geschaltete Induktivitäten oder parallel liegende Kapazitäten. Entwickler nutzen sie aus, um die Antennen zu tunen, sie klein zu halten und sie in Geräte zu integrieren. Die Antenne ist dann kein Stab mehr, sondern eine gefaltete Struktur aus einem elektrischen Leiter, wie etwa eine Kupferleitung oder -fläche auf einem PCB.

Das ist der Knackpunkt bei PCB-Layouts. Auf einem modernen PCB sind in der Regel hunderte Kupferstreifen und -flächen zu finden, weiterhin Kondensatoren und Spulen. Warum sollte nicht zufällig eine davon Teil einer Antennenstruktur sein, deren Resonanzfrequenz in das breite Frequenzspektrum fällt, das in EMV-Teststandards definiert wird?

Bild 2: Ersatzschaltbild eines typischen Spannungsversorgungsnetzes
Bild 2: Ersatzschaltbild eines typischen Spannungsversorgungsnetzes
© Cadfem Germany

Wie lassen sich Antennenstrukturen auf PCBs finden?

Beispiel: Eine typische Spannungsversorgungssektion auf einer Leiterplatte. Dort ist in aller Regel ein VRM (Voltage Regulator Module) zu finden, häufig mit schaltendem Abwärtswandler mit hoher Ausgangsinduktivität L. Der Einfachheit halber wird das VRM als ideale Spannungsquelle mit in Serie geschaltetem Innenwiderstand RSource betrachtet. Typischerweise wird die Spannung über große Metallflächen zu den zu versorgenden ICs (Integrated Circuits) verteilt, wobei eine Metallfläche die Versorgungsspannung trägt und eine andere den Referenzpegel, häuft als Masse (GND) bezeichnet. Diese zwei Flächen entsprechen einem Parallelplattenkondensator mit einer Kapazität C. Zusammen bilden RSource, L und C einen Parallelschwingkreis (Bild 2).

Dieser Schwingkreis (Resonator) entspricht einer Antennenstruktur mit Komponenten zum Tunen. Die großen Flächen übernehmen dabei die Funktion des Stabes, indem sie die hochfrequenten Ströme tragen, von denen der wesentliche Teil der Abstrahlung erfolgt.

Die Resonanzfrequenz dieses Parallelschwingkreises ist etwa fres=1 ⁄ (2π√(LC)). Daraus ist erkennbar, warum gerade die großen und somit hochkapazitiven Spannungsversorgungsflächen mit angeschlossenen Induktoren kritisch hinsichtlich EMV sind. Die großen Werte für L und C schieben die Resonanzen runter in den MHz- bis niedrigen GHz-Bereich, der von vielen EMV-Standards abgedeckt wird.

Wird die Eingangsimpedanz eines solchen Schwingkreises gemessen, so ist für den Gleichfall (DC) nur der reelle Innenwiderstand RSource sichtbar. Mit zunehmender Frequenz f wird die Impedanz aufgrund des induktiven Anteils (Zind~fL) zunächst zunehmen und schließlich aufgrund des kapazitiven Anteils (Zcap~1/(fC)) abnehmen. In Summe ergibt sich ein lokales Maximum im Impedanzprofil an der Stelle der Resonanzfrequenz.

Bild 3: Impedanzprofil zwischen einem Spannungsversorgungsnetz und dessen Referenznetz GND. Die lokalen Maxima sind durch Resonanzen bedingt
Bild 3: Impedanzprofil zwischen einem Spannungsversorgungsnetz und dessen Referenznetz GND. Die lokalen Maxima sind durch Resonanzen bedingt
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Bild 3 zeigt ein typisches Impedanzprofil, gemessen zwischen einem Versorgungsnetz und GND an verschiedenen Positionen auf dem PCB. Die Position der Messung wirkt sich auf die Höhe des Maximums aus, nicht aber auf dessen Frequenz. Grund für die positionsabhängige Impedanz ist die stehende Welle (Spannungs- und Stromverteilung) entlang dieser Flächen, vergleichbar der eines strahlenden Antennenstabs.

Simulation macht Resonanzen sichtbar

Es wurde gezeigt, dass sich Resonanzen im gemessenen Impedanzprofil widerspiegeln. Im Labor ist es schwierig, ein solches Profil zwischen allen Lagen an verschiedenen Positionen zu messen und so die stehende Welle „sichtbar“ zu machen, da mit den Messspitzen in der Regel nur die äußeren Lagen des PCB erreichbar sind. Mit einem Vollwellensimulator können virtuelle Messspitzen an jeder beliebigen Position in dem als ECAD-Daten importierten Modell platziert werden, sogar zwischen inneren Lagen eines Mehrlagen-PCB. Das Modell kann dabei neben dem Lagenaufbau, der Geometrie der Leiterbahnen und -flächen und Vias auch diskrete Bauteile wie R, L und C enthalten.

Bild 4: Spannungsverteilung zwischen zwei PCB-Lagen für die resonanten Moden, die in Bild 3 markiert wurden
Bild 4: Spannungsverteilung zwischen zwei PCB-Lagen für die resonanten Moden, die in Bild 3 markiert wurden
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State-of-the-art Simulationssoftware wie Ansys SIwave bringt zudem Visualisierungsmöglichkeiten für die Spannungs- und Stromverteilungen von Resonanzen. Dabei können per Ein-Klick-Lösung PCBs auf Resonanzen untersucht und die stehenden Wellen als Ausgangspunkt für Abstrahlung visualisiert werden. Bild 4 zeigt die so simulierten Spannungsverteilungen der in Bild 3 markierten Resonanzen. Sind diese Verteilungen bekannt, lassen sich Maßnahmen zur Unterdrückung der Resonanzen ableiten.

Kopplungsmechanismen: Wann wird eine Resonanz zur Störquelle?

An dieser Stelle stellen die simulierten Resonanzen lediglich potenzielle Quellen für Abstrahlung dar. Damit abgestrahlt wird, sind diese Antennen noch mit Signalen entsprechender Frequenz zu treiben. Dazu sind zum einen Strukturen nötig, die das Signal einkoppeln. Das können Signalleitungen sein, die nah an der resonanten Struktur geführt werden, oder auch Vias, die ein Signal durch die resonanten Flächen führen. Zum anderen müssen die auf den Koppelstrukturen geführten Signale gerade einen spektralen Anteil bei der Resonanzfrequenz haben. Dieser Anteil ist jedoch in nahezu jedem gepulsten Signal (z.B. Bitfolgen oder Taktsignale) vorhanden. Folglich sollten für ein EMV-gerechtes Design mit Antennenstrukturen die einzige handhabbare Ursache für Abstrahlung ausgeschlossen werden.

Zwei Optimierungsansätze aus den Simulationsergebnissen

Die durch Simulationen erworbene Kenntnis über das Aussehen der Antennen ist ein guter Startpunkt, um sie zu eliminieren. Dabei gibt es zwei Ansätze. Zum einen können die Resonanzen durch Einfügen einer resistiven Komponente (z.B. ein Widerstand oder der parasitäre Widerstand eines Kondensators) gedämpft werden. Dadurch würde Leistung in diesem Widerstand “verbrannt”, statt abgestrahlt. Alternativ kann die Antenne gezielt durch Änderung von L oder C verstimmt werden, was über die Änderung der Länge der Antennenarme bzw. Flächen erfolgt, indem diese elektrisch kurzgeschlossen werden. Im Falle von Flächen gleichen Potentials (zwei GND-Flächen) kann das Kurzschließen durch “Stitching Vias” erfolgen. Das würde einer Reduzierung der Loop-Induktivität L entsprechen und die Resonanzfrequenz erhöhen.

Um Flächen unterschiedlichen Potentials kurzzuschließen, beispielsweise eine Versorgungsspannung gegen GND, können keine Vias verwendet werden, da die Flächen DC-mäßig elektrisch nicht verbunden werden dürfen. Hier kann jedoch ein AC-Kurzschluss nur für die höheren Frequenzanteile durch Einfügen von Kondensatoren erfolgen. Werden diese nah der Spannungsmaxima der resonanten Moden platziert, so würde das die stehende Welle unterdrücken, von der die Abstrahlung ausgeht. Im Resonanzprofil würde das die zugehörigen Maxima durch Verkürzung der Resonatorlänge zu höheren Frequenzen verschieben, bestenfalls bis außerhalb des EMV-Messbereichs.

Bild 5: Resonanzen können durch Verstimmung (Detuning) mittels Kondensatoren (blau) oder auch durch Dämpfung (rot) beseitigt werden
Bild 5: Resonanzen können durch Verstimmung (Detuning) mittels Kondensatoren (blau) oder auch durch Dämpfung (rot) beseitigt werden
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Bild 5 zeigt den Einfluss beider Varianten (Verstimmung und Dämpfung) auf das Resonanzprofil. Im Falle der blauen Kurve wurde das zugehörige Maximum zu einer höheren Frequenz verschoben. Dabei ändert sich das gesamte Impedanzprofil, da sich das Kurzschließen auf alle Resonanzen unterschiedlich stark auswirkt und auch deren Spannungs- und Stromverteilungen beeinflusst, die jedoch am selben Punkt gemessen wurden. Im Falle von Dämpfung durch Einfügen eines Widerstands (rote Kurve) werden alle Maxima etwas gedämpft, jedoch ändert sich ihre Position auf der Frequenzachse nicht.

Bild 6: Simulierte maximale E-Feldstärke in drei Metern Entfernung, vor und nach Verstimmung und Dämpfung der untersuchten Resonanzen. Die Anregung wurde frequenzunabhängig mit 1 V eingestellt
Bild 6: Simulierte maximale E-Feldstärke in drei Metern Entfernung, vor und nach Verstimmung und Dämpfung der untersuchten Resonanzen. Die Anregung wurde frequenzunabhängig mit 1 V eingestellt
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Bild 6 zeigt die simulierte elektrische Feldstärke (Maximalwert über alle Raumrichtungen) im Fernfeld (Abstrahlung). Die erhöhten Feldstärkewerte sind auf die Resonanzen zurückzuführen, die in der Simulation mit 1 Volt frequenzunabhängig (konstantes Spektrum) angeregt wurden. Die Positionen der Maxima entsprechen etwa den zuvor simulierten Resonanzfrequenzen aus Bild 3. Besonders die beiden Moden oberhalb von 1 GHz tragen stark zur Abstrahlung bei. Mit dem im letzten Absatz beschriebenen Optimierungsansatz wird die Abstrahlung und somit gemessene Feldstärke deutlich reduziert.

In EMV-Teststandards werden Grenzwerte für diese elektrische Feldstärke vorgegeben, die mit einer Antenne in gewissem Abstand abhängig vom Standard ermittelt wird. Der einzuhaltende Grenzwert ist ebenfalls abhängig vom Standard. Diese gibt es zahlreich für viele verschiedene Anwendungen, beispielsweise für Haushaltsgeräte [EMCSTD], Konsumer-Elektronik oder auch industrielle oder medizinische Geräte [CISPR], um nur einen kleinen Teil davon zu nennen. Was jedoch alle gemeinsam haben ist, dass Feldstärkemaxima wie in Abbildung 6 gezeigt bei nahezu jedem Standard dazu führen werden, die EMV-Prüfung nicht zu bestehen.

Fazit: Simulation ist der Schlüssel zur EMV-sicheren Entwicklung

Im Artikel wurde ein Ansatz gezeigt, wie mit Hilfe von Simulation Informationen zu Resonanzen auf einem PCB gewonnen werden, die die Ursache für Abstrahlung sind. Dieses Wissen ermöglicht zielgerichtete Gegenmaßnahmen zur Unterdrückung der Resonanzen und somit der Abstrahlung. Auf zwei davon wurde näher eingegangen. Simulation und Optimierung können designbegleitend erfolgen und somit zeit- und kostenintensive Fertigungszyklen ersparen.

Steffen Seewald, M.Sc, ist Berechnungsingenieur im Bereich der Hochfrequenztechnik beim Simulationsspezialisten Cadfem Germany GmbH in Hannover
Steffen Seewald, M.Sc, Cadfem Germany GmbH
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Der Autor:

Steffen Seewald, M.Sc, ist Berechnungsingenieur im Bereich der Hochfrequenztechnik beim Simulationsspezialisten Cadfem Germany GmbH in Hannover (www.cadfem.net).

Neben Projektarbeit und technischer Beratung von Kunden leitet er das dreitägige Seminar „EMV mit Simulation & Messung analysieren und verbessern“: Inhalte und Anmeldung: www.cadfem.net/emv.


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