Aus der »schwarzen Kunst«, die Quellen von Störaussendungen aufzuspüren und sie zu beseitigen, wendet IMST ein wissenschaftlich fundiertes und reproduzierbares Verfahren an.
Häufig bestehen Geräte die EMV-Prüfung nicht, weil sie Störstrahlung aussenden, deren Ursache aber nicht wirklich festgestellt werden kann. Dann wird es auch schwierig, die Fehler abzustellen und das Gerät EMV-konform zu machen. Das liegt meist daran, dass die Messverfahren nicht adäquat sind, mit deren Hilfe die Ingenieure die Ursache der EMV-Unverträglichkeit feststellen wollen.
Heute suchen die Ingenieure mithilfe von Prüfsonden nach Störstrahlungen, die von Geräten und Baugruppen ausgehen. Von Störstrahlung sprechen die Ingenieure, wenn die elektromagnetische Abstrahlung über den erlaubten Grenzwerten liegt und deshalb zu Störungen innerhalb oder außerhalb des Gerätes führt. Doch wie spürt man deren Ursache auf? Das Mittel der Wahl ist zumeist eine Nahfeldsonde. »Sie ‚erschnüffelt’ dann, wo genau die Störstrahlung das Gerät verlässt. Dazu ist sie an einen Spektrumanalysator angeschlossen, der die Ergebnisse der Messung anzeigt«, sagt Jens Lerner, Leiter des IMST-Prüfzentrums.
Dieses Verfahren hat jedoch seine Grenzen: Die Sonde muss ein Techniker per Hand um das Gerät herumführen. Zwar lässt sich damit der Ort am Gerät ungefähr feststellen, an dem die Strahlung austritt, und auch ihre Stärke kann indikativ gemessen werden, aber das händische Verfahren ist ungenau und schwer reproduzierbar. Sehr präzise lässt sich die genaue Position des Strahlungsaustritts damit nicht feststellen. Vor allem aber führt der Techniker die Sonde per Hand niemals zweimal auf genau demselben Weg um das Gerät und beeinflusst mit seinem Körper und dem Haltewinkel der Sonde die Messung. Zudem lassen sich die Ergebnisse nicht den räumlichen Koordinaten zuordnen oder speichern. Die so gewonnenen Ergebnisse können also nicht zuverlässig reproduziert und ausgewertet werden.
Das hat IMST jetzt geändert, wie Lerner erklärt: »Wir nutzen einen sogenannten EMV-Scanner. Dort ist die Schnüffelsonde in einen 3-Achsen-Roboter eingespannt, sodass sie in allen drei Raumrichtungen präzise verfahren wird. Die Anlaufpunkte können so beliebig oft mit hoher Genauigkeit wiederholt angesteuert werden und Messergebnisse lassen sich den Raumkoordinaten zuweisen und zusammen speichern. Außerdem können Einflüsse durch Haltewinkel und Messpersonal ausgeschlossen werden. Des Weiteren können wir bei einem Scan des fraglichen Bereichs über einen sehr weiten Frequenzbereich messen.«
Das ist aber noch nicht alles. Was das System, welches IMST nutzt, vor allem von ähnlichen Ansätzen unterscheidet: »IMST nutzt spezielle, hochempfindliche Sonden, und die Software erfasst alle Messdaten in einer Grafik, die als Überlagerung zu einem Bild des tatsächlichen Messobjektes gelegt werden. Dabei werden Aussende-Pegel farblich abgestuft dargestellt und können nach dem Scan beliebig in Frequenz, Pegel und Raumkoordinaten analysiert werden. Damit ist sehr genau zu ‚sehen’, wo die Störstrahlung herkommt.« Das sei ähnlich wie die Thermografie-Messung an einem Haus, um festzustellen, wo dort die Wärme abgestrahlt wird.
Somit ist also auf Bauteil- und Leiterbahnebene räumlich sehr genau festzustellen, was physikalisch passiert. Doch leider verhalten sich reale Systeme in der Praxis etwas anders, wie Lerner erklärt: »Die Anwender müssen häufig erfahren, dass sich nicht immer mit Sicherheit feststellen lässt, was Ursache und was Wirkung ist.«
Deshalb komme es häufig zu kuriosen Situationen: »Die Frequenzen, die die Grenzwertüberschreitung im Fernfeld verursachen, sind doch gar nicht vorhanden!«, wird sich so mancher geplagte Anwender verwundert denken. Um der Sache ein schnelles Ende zu bereiten, beißt er dann in den sauren Apfel und ändert seine Leiterbahnführung, obwohl das aufwendig und teuer ist. Ist EMV also tatsächlich das, wofür viele sie halten: eine »schwarze Kunst«?
Lerner geht etwas nüchterner an die Sache heran. »Warum sehe ich die grenzwertüberschreitende Störaussendung nicht direkt als Nutzfrequenz einer Schaltung?« Es könnte zum Beispiel daran liegen, dass nicht die Störaussendung an sich, sondern Abstrahlungen auf der ersten, zweiten oder höheren harmonischen Frequenz sich als Störaussendung im Fernfeld zeigen. Dies bleibt bei der Entwicklung oft unberücksichtigt. Das hat aber zur Folge, dass eine Leiterbahn plötzlich ungewollt in die Rolle einer Antenne schlüpft, die munter Störstrahlung in die Umgebung sendet.
Wenn das sichtbar gemacht werden kann, dann sind Ursache und Wirkung wieder klar zuzuweisen und dann lässt sich der Fehler meist mit einfachen Mitteln beheben, indem die Baugruppe beispielsweise mit einem zusätzlichen Filter ausgestattet wird. Ein neues Layout ist dafür meist nicht erforderlich, es muss nicht »umsonst« viel Geld ausgegeben werden, um einen Fehler zu beheben, dessen Ursache scheinbar im Dunklen liegt. »Zudem ist es am effizientesten, ein EMV-Problem bei der Ursache zu beheben anstelle aufwendiger, kostenintensiver Workarounds«, so Lerner.
Dazu ein Beispiel: Ein LoRa-Funkmodul, integriert in einem komplexen Gerät, sendet mit maximaler Leistung. Über die normativ festgelegte Störaussendungsmessung wird im Fernfeld eine unerlaubte Störaussendung oberhalb des Grenzwertes festgestellt. In diesem Fall kann der EMV-Scanner von IMST genau messen, wo diese Störstrahlung entsteht, überkoppelt bzw. abgestrahlt wird, und zwar räumlich hochauflösend in einer Form, die es die normative Fernfeld-Messung nicht erlaubt. »Sobald wir das wissen, versuchen wir, technisch zu ermitteln, was passiert: Wie kommt es zur Abstrahlung und was kann man dagegen tun?«
An dieser Stelle kommt der IMST-EMV-Scanner ins Spiel und erlaubt den Ingenieuren von IMST, tief in das zu untersuchende Gerät hineinzublicken, um genau zu »sehen«, was physikalisch passiert.
»Mit unserem neuen EMV-Scanner in Kombination mit der speziellen Auswertungssoftware können wir jetzt genau messen, wo Störstrahlung herkommt, und dann Gegenmaßnahmen ergreifen, um die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten sicherzustellen«, so Jens Lerner.