Elektrofahrzeuge sind Hochleistungsrechner auf Rädern - mit sensibler Elektronik, komplexer Vernetzung und ständig wachsender Funktionalität. Damit elektromagnetische Störungen die teils sicherheitskritischen Systeme nicht aus dem Takt bringen, sind durchdachte EMV-Prüfstratgien nötig.
Die Mobilitätswende und die damit verbundene Elektrifizierung von Fahrzeugen stellen Fahrzeughersteller und Zulieferer vor eine Vielzahl neuer Herausforderungen. Elektrofahrzeuge setzen auf Hochvolt-Antriebsstränge sowie komplexe Batteriemanagementsysteme und haben darüber hinaus zahlreiche Leistungselektronik-Komponenten. All das sind Quellen elektromagnetischer Emissionen, die potenziell andere elektronische Komponenten in ihrer Arbeitsweise beeinträchtigen könnten – was im schlimmsten Fall zu Personenschäden führen kann. Um dies zu verhindern, ist es unerlässlich, die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) der einzelnen Komponenten zu testen.
Vor diesem Hintergrund hat die Elektrifizierung von Fahrzeugen den Bedarf an EMV-Prüfungen in der Automobiltechnik drastisch erhöht. Elektrofahrzeuge verfügen über Hochvolt-Antriebsstränge und komplexe elektronische Systeme, darunter Fahrerassistenzsysteme (ADAS), Infotainmentsysteme und drahtlose Kommunikationsmodule wie V2X, 5G und GPS. Diese Technologien sind für die moderne Mobilität wichtig, erhöhen aber das Risiko für elektromagnetische Störungen (EMI). Diese können sowohl die Leistung als auch die Sicherheit von Fahrzeugen beeinträchtigen.
Um die Zuverlässigkeit der Systeme zu gewährleisten und Fahrzeuginsassen bestmöglich zu schützen, müssen alle Komponenten eine Resilienz oder bestenfalls Immunität gegenüber internen und externen Störungsquellen aufweisen. Hinzu kommt, dass auch die Architektur von Elektrofahrzeugen immer komplexer und vielschichtiger wird. Dies erfordert ein Umdenken im Bereich der EMV-Prüfungen und einen neuen Ansatz, der die Wechselwirkungen aller Systeme zueinander berücksichtigt.
Regulierungsbehörden wie UNECE, CISPR und ISO haben bereits auf diese Entwicklungen reagiert und strengere Prüfungen für Erstausrüster (OEMs) und Zulieferer vorgeschrieben. Herausforderungen bestehen jedoch auch weiterhin und es kommen stetig neue dazu. Leistungsstarke DC-Schnellladesysteme und bidirektionale Ladesysteme sind zweifelsohne innovativ, bringen aber neue elektromagnetische Störungsquellen mit sich.
Es ist daher nicht ausreichend, die Prüfung auf Fahrzeugkomponenten zu beschränken. Auch Wechselwirkungen mit externen potenziellen Störungsquellen müssen berücksichtigt werden. Nur wenn sichergestellt ist, dass Fahrzeuge und Infrastruktur wie Ladesäulen und Stromnetze reibungslos miteinander arbeiten, wird sich die Elektromobilität durchsetzen. Die Wechselwirkung zwischen der Fahrzeugladung und der Netzinfrastruktur erfordert die Implementierung von EMV-Strategien, um Oberschwingungen, transiente Emissionen und mögliche Störungen in Energienetzen zu minimieren.
Neben der Elektrifizierung gab es in der Fahrzeugindustrie außerdem große Fortschritte in den Bereichen der Automatisierung und Konnektivität. Dadurch stieg die Anzahl funktechnischer Systeme an – und dieser Trend wird sich zukünftig womöglich fortsetzen. Auch diese Systeme müssen störungsfrei mit den Komponenten des Elektrofahrzeugs zusammenarbeiten, was EMV-Prüfungen noch wichtiger, aber auch komplexer macht.
EMV-Prüfungen sind daher längst kein rein regulatorisches Hindernis mehr – sie sind zu einem Grundpfeiler der Fahrzeugsicherheit, -leistung und -zuverlässigkeit im Elektrozeitalter geworden.
Moderne Elektrofahrzeuge bringen eine Vielzahl potenzieller elektromagnetischer Störquellen mit sich. Um Konformität und Funktionalität sicherzustellen, müssen diese in ihrer Funktionsweise sorgfältig kontrolliert werden. Leistungselektronik wie Wechselrichter, DC-DC-Wandler und Onboard-Ladegeräte erzeugen durch ihre Hochfrequenz-Schaltvorgänge erhebliche leitungsgebundene und abgestrahlte Störungen.
Auch bidirektionale Ladesysteme, einschließlich Vehicle-to-Grid (V2G)-Technologien, machen die elektromagnetische Umgebung noch komplexer und bergen zusätzliche EMI-Risiken. Diese Systeme müssen auch Netz-Interoperabilitätsstandards erfüllen, damit elektromagnetische Störungen die Effizienz und Zuverlässigkeit der Energieübertragung zwischen Fahrzeug und externer Stromquelle nicht beeinträchtigen.
Elektromotoren und PWM-Steuerungen sind eine bedeutende Quelle für elektromagnetische Störungen. Hochgeschwindigkeitsschaltungen und die Kommutierung erzeugen sowohl leitungsgebundene als auch abgestrahlte Emissionen. Hochvolt-Batteriesysteme, insbesondere die Batteriemanagementsysteme (BMS), überwachen und balancieren die Batteriezellen kontinuierlich über schnelle Kommunikationsprotokolle. Bei unzureichender Abschirmung können dadurch EMI-Probleme entstehen.
Der Einsatz von Halbleitern mit breiter Bandlücke wie Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN) steigert die Effizienz der Leistungselektronik in Elektrofahrzeugen. Gleichzeitig entstehen jedoch neue Hochfrequenz-EMI-Herausforderungen, die spezielle Filter- und Abschirmtechniken erfordern.
Auch Funk- und Konnektivitätsmodule stellen eine Herausforderung dar. Der umfassende Einsatz von 5G, V2X, Bluetooth, Wi-Fi und GPS in modernen Elektrofahrzeugen erfordert ein sorgfältiges EMV-Management, um einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten. Over-the-Air (OTA)-Updates, Ferndiagnosen und Fahrzeug-Telematik sind auf stabile drahtlose Kommunikation angewiesen, was die Unterdrückung von Störungen zur Priorität macht.
Da Fahrzeugsoftware zunehmend auf cloudbasierte Dienste und den Echtzeitaustausch von Daten angewiesen ist, reichen EMV-Überlegungen über das Fahrzeug hinaus und betreffen die gesamte vernetzte Infrastruktur. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Automobil-, Telekommunikations- und Energiesektoren ist erforderlich.
Fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme (ADAS) stellen zusätzliche EMV-Herausforderungen dar. Radar-, Lidar-, Ultraschallsensoren und kamerabasierte Systeme sind auf Hochfrequenzsignale angewiesen. Die elektromagnetische Interferenz (EMI) von Hochvolt-Antrieben und Ladesystemen kann die Sensorleistung beeinträchtigen und zu Fehlfunktionen oder gar Systemausfällen führen.
Die elektromagnetische Verträglichkeit von ADAS ist entscheidend für eine sichere und zuverlässige autonome Mobilität. Die zunehmende Sensorfusion, bei der verschiedene Sensortechnologien zusammenarbeiten, verbessert die Umfelderkennung. Dadurch wird ein robustes EMV-Design erforderlich, um Signalstörungen und Systeminterferenzen zu vermeiden.
Die EMV-Anforderungen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren (ICE) und Elektrofahrzeuge unterscheiden sich deutlich. Die Unterschiede ergeben sich aus der jeweiligen Antriebsarchitektur, der elektrischen Komplexität und den regulatorischen Vorgaben.
ICE-Fahrzeuge arbeiten mit niedrigeren Spannungen und erzeugen EMI vor allem durch Zündsysteme und Lichtmaschinen. Elektrofahrzeuge hingegen nutzen Spannungen von 400 V bis 800 V und setzen Hochleistungselektronik ein, die Hochfrequenzstörungen verursacht. Zukünftige Elektrofahrzeug-Plattformen mit 1000 V sollen die Effizienz steigern und die Ladezeiten verkürzen. Dadurch gewinnen robuste EMV-Strategien weiter an Bedeutung.
Internationale Normen wie ISO 7637, CISPR 25, ISO 11452 und UN ECE R10 legen strengere EMV-Richtlinien für Elektrofahrzeuge fest, da diese anfälliger für elektromagnetische Interferenzen sind.
Die Elektrifizierung der Automobilindustrie generiert demnach Handlungsdruck, zumal unzureichende EMV-Prüfungen gravierende Risiken verursachen können. Sicherheitsrisiken, Funktionsstörungen, regulatorische Sanktionen und höhere Betriebskosten sind mögliche Folgen.
Elektromagnetische Interferenzen können wichtige Systeme wie elektronische Bremsen, Servolenkungen und Beschleunigungsregelungen stören. Im Extremfall kann es sogar zu ungewollter Beschleunigung oder Bremsausfällen kommen. Hohe EMI-Werte können zudem zu Fehlfunktionen bei Hochvolt-Batteriepacks, Wechselrichtern und Ladesystemen führen. Eine Beeinträchtigung des Batteriemanagementsystems könnte zum Auslesen falscher Spannungswerte führen, thermisches Durchgehen auslösen oder sogar Brandgefahr verursachen.
Auch autonome Systeme und Fahrerassistenzsysteme sind potenziell gefährdet. EMI-induzierte Fehler können etwa Radarsysteme, LiDAR oder Kamerasysteme beeinträchtigen und so zu fehlerhaften Objekterkennungen oder Problemen bei der Spurführung führen, was das Risiko von Unfällen erhöht. Darüber hinaus kann es auch zu einem Signalverlust bei der V2X-Kommunikation kommen, was sich negativ auf die Entscheidungsfindung autonomer Fahrzeuge auswirken würde. Eine unzureichende Abschirmung bei Hochvolt-Komponenten würde Passagiere zudem einer erhöhten elektromagnetischen Feldbelastung (EMF) aussetzen. Eine chronische Exposition gegenüber hochfrequenten Feldern wirft generell gesundheitliche Fragen auf; die Forschung hierzu läuft jedoch noch.
Elektromagnetische Interferenzen können die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladestation stören und so Ladeabbrüche oder sogar Systemausfälle verursachen. Auch bidirektionale Ladesysteme (V2G, V2H) können betroffen sein, was zu Problemen bei der Netzsynchronisation und der Energieverteilung führen kann.
Auch Störungen bei der drahtlosen Konnektivität sind kritisch: EMI kann 5G, Bluetooth, GPS, WLAN und die V2X-Kommunikation beeinträchtigen, was eine Reihe von Problemen verursachen kann - angefangen bei Ungenauigkeiten des Navigationssystems bis hin zu Softwareproblemen.
Auch Infotainment- und Armaturensysteme sind anfällig für EMI. Mögliche Folgen sind etwa Bildschirmflackern, verzerrte Audiowiedergabe oder sogar komplette Systemausfälle. Hieraus kann auch eine konkrete Gefährdung für die Fahrzeuginsassen entstehen, etwa wenn der Fahrer durch die Beeinträchtigung abgelenkt wird.
Strenge Vorschriften wie UN ECE R10, CISPR 25, ISO 7637 und ISO 21498 legen Grenzwerte für Emissionen und Störfestigkeit fest. Bei Nichteinhaltung drohen Zertifizierungsprobleme, die den Verkauf von Fahrzeugen in wichtigen Märkten wie der EU, den USA und China verhindern können.
Wird ein EMV-Problem erst spät im Entwicklungsprozess erkannt, sind kostspielige Nachbesserungen nötig, etwa durch PCB-Redesigns, zusätzliche Abschirmungen oder Änderungen an Kabelbäumen. Produktionsverzögerungen können die Markteinführung erheblich gefährden.
Treten EMV-Probleme erst nach dem Verkauf auf, sind diese schwer zu diagnostizieren und zu beheben. Das kann zu teuren Serviceeinsätzen und unzufriedenen Kunden führen.
All das zeigt: EMV-Prüfungen sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Entwicklung sicherer, leistungsfähiger und zuverlässiger Elektrofahrzeuge. Sie stellen sicher, dass komplexe elektronische Systeme harmonisch zusammenarbeiten und vor äußeren Störeinflüssen geschützt sind. Ohne umfassende EMV-Prüfungen könnten Sicherheitsrisiken, Funktionsstörungen, regulatorische Hürden und hohe Betriebskosten die Markteinführung innovativer Fahrzeuge gefährden.
Besonders in der Elektromobilität, wo Hochvoltsysteme, Leistungselektronik und drahtlose Kommunikationstechnologien eng miteinander verwoben sind, ist eine gründliche EMV-Validierung entscheidend. Nur so können Hersteller sicherstellen, dass Elektrofahrzeuge nicht nur die strengen gesetzlichen Anforderungen erfüllen, sondern auch höchsten Ansprüchen an Qualität und Zuverlässigkeit gerecht werden.
Kurzum: EMV-Prüfungen sind nicht nur eine regulatorische Pflicht, sondern ein Schlüssel zur sicheren, störungsfreien und nachhaltigen Mobilität der Zukunft. Wer die Herausforderungen der elektromagnetischen Verträglichkeit konsequent meistert, legt das Fundament für erfolgreiche und zukunftssichere Elektrofahrzeuge.
Dieter Fröhlich ist Managing Director der CSA Group Bayern GmbH