Hochleistungsoszilloskope können mittlerweile Mikrowellen- und Millimeterwellensignale, die früher die unangefochtene Domäne der Signal- und Spektrumanalysatoren waren, direkt erfassen. Kann ein Oszilloskop also einen Analysator ersetzen? Wo liegen die Stärken, wo die Grenzen der beiden Geräte?
Von Ezer Bennour, Produktmanager Signal- und Spektrumanalysatoren, Rohde & Schwarz
Moderne High-End-Oszilloskope verfügen über Hochgeschwindigkeits-A/D-Wandler, mit denen Frequenzbereiche abgedeckt werden, die früher nur mit einem Spektrumanalysator untersucht werden konnten. Durch zusätzliche Integration eines analogen Frontends mit hoher Bandbreite ermöglicht die moderne Oszilloskoparchitektur die direkte Abtastung von Hochfrequenzsignalen ohne analoge Abwärtsmischung. Damit stößt die Analysebandbreite in zuvor unerreichbare Regionen vor. Einige der heute auf dem Markt befindlichen Oszilloskope haben eine Bandbreite von bis zu 16 GHz und sind in der Lage, ein nominales 8-GHz-HF-Signal mit 16 GHz Bandbreite direkt zu erfassen. Dies ist bis dato mit einem Signal- und Spektrumanalysator nicht möglich.
Spektrumanalysatoren hingegen...
...können Frequenzbereiche bis 85 GHz und mehr abdecken. Dadurch eignen sie sich für die meisten Anwendungen im Bereich der Wireless-, Mobilfunk- oder Satellitenkommunikation sowie Radar- und IoT-Geräte. Bei diesen Anwendungen kommen Eigenschaften zum Tragen, die für Spektrumanalysatoren charakteristisch sind. Dazu gehört ein hoher Dynamikbereich, der es ermöglicht, auch sehr kleine Signale in der Nähe eines starken Trägersignals anzuzeigen. Darüber hinaus können Spektrumanalysatoren auch für Messungen im Zeitbereich eingesetzt werden, z. B. für die Messung der Senderausgangsleistung von Zeitmultiplexsystemen als Funktion der Zeit.
Im Folgenden werden die Unterschiede zwischen den beiden Gerätetypen sowie die jeweiligen Anwendungsfälle erläutert. Wir werden sehen, dass jedes der Geräte seinen Einsatzbereich hat, für dessen Anforderungen es am besten geeignet ist.
Signal- und Spektrumanalysatoren
Ein Spektrumanalysator zeigt den Signalpegel über der Frequenz bei einer gewählten Auflösebandbreite an. Damit lassen sich grundlegende Signalparameter messen, während anhand der auf dem Bildschirm erkennbaren Signalform weitere Parameter wie Filtereinstellungen oder ein Frequenzgang abgeschätzt werden können. Andere mögliche Messungen sind die Ermittlung des Signal-Rausch-Verhältnisses (SNR) und die Suche nach Nebenaussendungen, die möglicherweise über einen großen Frequenzbereich gemessen werden müssen.
Im Sweep-Spektrum-Modus...
...betrachtet der Analysator zu jedem Zeitpunkt nur einen kleinen Teil des Spektrums. Diese Frequenzselektivität ist der Schlüssel zum hohen Dynamikbereich des Analysators und ermöglicht es modernen High-End-Geräten wie dem R&S FSW außerdem, das gesamte Spektrum von 2 Hz bis 85 GHz in einer einzigen Messung zu messen und anzuzeigen. Mit externen Mischern kann der darstellbare Frequenzbereich um Hunderte von Gigahertz erweitert werden.
Ein Spektrumanalysator wird in der Regel gewählt,...
...wenn Spektrummessungen erforderlich sind, um die Konformität mit den relevanten Standards und Regulierungsvorschriften zu gewährleisten. Im Mobilfunk müssen z. B. Nebenaussendungen, Nachbarkanalleistungsverhältnis (ACLR) und Frequenzausgabemaske (SEM) bestimmt werden. Während es bei SEM-Messungen um einzelne Störungen geht, wird bei der ACLR-Analyse (Abbildung 1) die über die Frequenz integrierte Leistung der Nachbarkanäle eines Kommunikationssignals bewertet. Beide erfordern die Messung sehr kleiner Pegel in unmittelbarer Nähe eines starken Signals und profitieren daher vom Dynamikbereich und der Frequenzselektivität des Spektrumanalysators.
Spektrumanalysatoren werden in der Regel auch für die Messung elektromagnetischer Störungen (EMI) während der Precompliance-Tests gewählt. Die jeweiligen EMI-Normen verlangen ein Minimum an Störungsmessungen mit den entsprechenden EMI-Detektoren (Quasi-Peak, CISPR-Average und RMS-Average (CISPR-RMS)).
Analyse digitaler Signale
Viele moderne Spektrumanalysatoren können auch digitale Signale verarbeiten. Eine Eingangssignalbandbreite von bis zu 1 GHz ist üblich, der R&S FSW bietet sogar Bandbreiten von bis zu 8,3 GHz. Das Frontend des Analysators (Abbildung 2) setzt das Signal in eine niedrige Zwischenfrequenz (ZF) um, bevor es durch einen A/D-Wandler mit großer Bandbreite abgetastet und dann digital in das zu entzerrende Basisband heruntergemischt wird. Die erhaltenen digitalen I/Q-Werte enthalten alle Signalinformationen innerhalb der Bandbreite und des Dynamikbereichs. Das Signal kann dann mittels geeigneter applikationsspezifischer Messungen weiterverarbeitet werden. Die entsprechenden Funktionen können vom Gerät selbst oder einer PC-Software wie R&S VSE Vector Signal Explorer zur Verfügung gestellt werden.
Daher wird der Analysator z. B. bei der Arbeit mit Kommunikationssystemen eingesetzt, um wichtige Signalparameter wie den Fehlervektorbetrag (EVM), den I/Q-Offset oder die Amplitudenungleichheit sowie das Pegelverhältnis von Pilot- zu Datenkanälen zu messen. Im Radarbereich kann er bei verschiedenen relevanten Messungen helfen, z. B. der Phase, der Frequenz, der Modulation und des Pegels gepulster Signalen über die Pulsdauer.
Analysatoren können auch verschiedene andere Messungen auf Komponenten-, Modul- und Geräteebene durchführen, insbesondere in Kombination mit einer geeigneten Messanwendung. Dazu gehören das Rauschmaß und die Verstärkung von Verstärkern sowie das Phasenrauschen von Oszillatoren. Sehr genaue Messungen, fast bis zum thermischen Eigenrauschen, sind möglich.
Einige High-End-Geräte bieten auch Messungen wie die unterbrechungsfreie Echtzeit-Spektrumanalyse und unterbrechungsfreies Streaming digitaler I/Q-Daten.