Wächst das Implant gut ein? Münchner Forschende haben einen KI-Algorithmus entwickelt, der Herz-Stents nach dem Einsetzen automatisiert überprüft. Das Tool verkürzt die Auswertung deutlich und erreicht die Präzision medizinischer Fachkräfte. Ein neuer Goldstandard für die Nachsorge bei Stent-OPs?
Ein kleiner Metalltunnel, der Leben rettet - nach einem Herzinfarkt bekommen über 3 Millionen Patienten jährlich weltweit einen Stent eingesetzt, um verengte Blutgefäße zu öffnen. Doch die Heilung ist nicht trivial: Das Gewebe, das über den Stent wächst kann sich unregelmäßig, zu dick oder mit Ablagerungen entwickeln und damit zu Komplikationen oder einer erneuten Verstopfung der Arterien führen.
Überprüft wird die Heilung derzeit über intravaskuläre optische Kohärenztomographie (OCT)-Bilder - und so sperrig wie der Name der Analyse ist auch deren Integration - sie dauert lang und lässt sich schwer als Routine in die klinische Praxis bringen. Das KI-Tool DeepNeo von Helmholtz München und dem TUM Klinikum dagegen kann die Heilung von Stents in OCT-Bildern automatisch beurteilen.
DeepNeo erkennt verschiedene Heilungsmuster mit einer Genauigkeit, die der von Ärzten entspricht – jedoch in einem Bruchteil der Zeit. Darüber hinaus liefert das KI-Tool präzise Messdaten, etwa zur Gewebedicke und zur Abdeckung des Stents, und bietet so wertvolle Einblicke für das Patientenmanagement.
»Mit DeepNeo erreichen wir eine automatisierte, standardisierte und äußerst präzise Analyse der Stent- und Gefäßheilung – etwas, das bislang nur durch aufwendige manuelle Auswertung möglich war.« |
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Valentin Koch, Erstautor der Studie |
Für das Training von DeepNeo nutzte das Forschungsteam 1.148 OCT-Bilder aus 92 Patientenscans, die manuell annotiert wurden, um verschiedene Formen des Gewebewachstums zu klassifizieren. Anschließend wurde der KI-Algorithmus in einem Tiermodell getestet. Als Ergebnis identifizierte das KI-Tool krankhaftes Gewebe in 87 Prozent der Fälle korrekt, verglichen mit der detaillierten Laboranalyse, dem aktuellen Goldstandard. Auch bei der Auswertung menschlicher Scans zeigte DeepNeo eine hohe Präzision und stimmte eng mit den Einschätzungen medizinischer Fachkräfte überein.
Der nächste Schritt bestehe nun darin, KI-Algorithmen wie DeepNeo gezielt in die klinische Praxis zu integrieren - dort soll das maschinelle Lernen helfen, »Therapieentscheidungen schneller und fundierter zu treffen«, wie Dr. Carsten Marr, Direktor des Institute of AI for Health im Münchner Helmholtz-Institut sagt.
Seine Kollegin Prof. Julia Schnabel, Leiterin des Instituts für Maschinelles Lernen in der Biomedizinischen Bildgebung und Professorin für Computational Imaging und Künstliche Intelligenz in der Medizin an der TUM, sieht in DeepNeo einen Baustein für ein KI-gestütztes Gesundheitssystem, das künftig klinische Entscheidungen mit bislang unerreichter Sicherheit unterstützen könnte. Das Patent ist angemeldet, jetzt werden Industriepartner gesucht.
»DeepNeo erleichtert und standardisiert die Auswertung von OCT-Bildgebungen nach Stentimplantationen und trägt so zu fundierteren klinischen Entscheidungen bei«, sagen PD Dr. med. Philipp Nicol und Prof. Dr. med. Michael Joner, Kardiologen am TUM Klinikum, die das Projekt klinisch begleitet haben. »Das Verfahren hat das Potenzial, nicht nur die Gesundheitskosten zu senken, sondern auch den Weg für effektivere und personalisierte kardiovaskuläre Therapien zu ebnen.« (uh)