Es werden in dem Positionspapier eine Reihe von zu integrierenden Maßnahmen vorgeschlagen. Gibt es welche, die Ihnen besonders wichtig erscheinen?
Wie bereits erwähnt, ich möchte betonen, dass viele Projekte und Konzepte schon sehr gut ausgearbeitet vorliegen und in der Praxis erprobt sind. Das sind Schätze, die man einfach heben kann, »Low hanging fruits«, die von der Landes- und Bundespolitik aufgegriffen werden könnten. Die Expertinnen und Experten dazu hat man direkt mit im Boot, sodass man an dieser Stelle gut beraten wird, wenn man diese Konzepte als Anreize für deutsche Schulen skalieren möchte. Leider sind diese Konzepte nicht sichtbar und die Multiplikatoren haben in der Regel nur wenig Zeit und Ressourcen, diese auf eine politische Ebene zu heben. Daher jetzt das Positionspapier.
Wenn Sie mich nach einer bestimmten Maßnahme fragen, so sage ich Ihnen, dass wir unbedingt einen Aktionsplan benötigen, der von einem interdisziplinären Expertengremium aufgesetzt werden sollte. Die Beteiligung von jungen Menschen ist dabei sehr wichtig, da wir deren Perspektive einfangen müssen und sie diese Konzepte mitgestalten und im Laufe der Zeit anpassen sollen.
Was sind die nächsten Schritte, an wen in der (Berliner?) Politik wollen Sie als VDE herangehen, wer ist auf politischer Ebene der Adressat?
Wenn »top-down«, dann richtig. Bundeswirtschaftsminister Herr Habeck ist sicherlich die erste Adresse, gefolgt von BMBF-Ministerin Frau Stark-Watzinger und dann Bundesarbeitsminister Herrn Heil. Ich denke, das kann nur gelingen, wenn man diese Ministerien gemeinsam als Akteure einbezieht und deren Expertise einbindet. Doch als wichtigen Verstärker benötigen wir die Presse, die dem Thema Nachwuchsgewinnung in der Elektro- und Informationstechnik die adäquate Sichtbarkeit verleiht. Erst dann sollten die weiteren Schritte in Aktionsplan folgen.
Wird das Positionspapier von der gesamten VDE-Führung unterstützt und spricht damit auch für den gesamten VDE?
Ja, voll und ganz. Schauen Sie sich bitte die Liste Autorenschaft und Unterstützerinnen und Unterstützer an. Allein diese große Zahl an international renommierten Persönlichkeiten verleiht dem Papier das notwendige Gewicht. Der VDE als Verein dieser Personen ist die nationale Plattform und das Sprachrohr für die Elektro- und Informationstechnik. Auch der VDE CTO Herr Dr.-Ing. Hieber ist einer der Unterzeichner des Papiers.
Bildung ist Ländersache, das dürfte die Ausgestaltung – vor allem mit Blick auf Lehrpläne und eine stärkere Kooperation zwischen Schulen, Kitas, Unis und Unternehmen – nicht erleichtern. Wie wollen Sie die Herausforderung lösen?
Selbstverständlich wollen wir keine Änderung des Systems erzwingen, denn die föderalen Strukturen haben viele Vorteile und diese wollen wir nutzen. Wir wollen keinem Bundesland etwas aufdrängen und auch keinen Einfluss auf die Lehrpläne ausüben. Vielmehr sollen Förderstrukturen aufgebaut werden, die ähnlich sind, wie die der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). D. h. die Förderung erfolgt nach Antragstellung und zu einem selbst ausgearbeitet Maßnahmenplan. Es geht vorranging um Entlastung von Lehrpersonal an den Schulen, um den Aufbau einer Infrastruktur, die als Brücke zwischen Academia und Schulen fungieren soll und das Erarbeiten einer Imagekampagne.
Welche Fehler möchten Sie eher nicht wiederholen?
Deutschland hat sich viel zu früh aus der Hochintegration, d. h. digitalen Mikroelektronik, vom Weltmarkt verabschiedet, obwohl wir eine hervorragende Patentlage hatten und viele Expertinnen und Experten in Lohn und Brot standen. Das Geschäft im Consumer-Electronic-Sektor ist jedoch, wie wir alle wissen, sehr kompetitiv und hoch dynamisch. Hätte man Fachexpertinnen und Fachexperten als Entscheidungsträger in Industrie und Politik zu dieser Zeit gehabt, so hätten man die Durststrecke von circa ein bis zwei Jahren durch gezielte Subventionen leicht überwinden können. Stattdessen hat man diesen Bereich nahezu vollständig aufgegeben und nicht einmal Forschungsförderung aufrechterhalten. Ein Fehler, der jetzt mir vielen staatlichen Mitteln, also Steuergeld, kompensiert werden soll.