Neues VDE-Positionspapier 

So wird die E-Technik entstaubt

27. Juni 2023, 11:45 Uhr | Corinne Schindlbeck
© Mercedes Fittipaldi/stock.adobe.com

Genug der immer neuen Bestandsaufnahmen über fehlende Fachkräfte, genug der lähmenden Schwarzmalerei. Nun müssten endlich Taten folgen: Der VDE wendet sich mit einem offiziellen Positionspapier an die Öffentlichkeit und die politischen Entscheidungsträger in Bund und Ländern.

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Das Papier wird von mehr als 100 Größen des Faches, mehrheitlich Hochschulprofessoren, unterstützt und fasst u. a. konkrete Handlungsempfehlungen zusammen. »Wir wissen, was wir tun müssen«, jetzt sei aber auch Unterstützung gefragt, erklärt Arbeitsmarktexperte und Mitautor Dr.-Ing. Michael Schanz vom VDE. 

Innerhalb von nur zehn Jahren hat sich der Nachwuchsmangel an Elektroingenieurinnen und -Ingenieuren sowie in den einschlägigen Studiengängen massiv verschärft: 35 % Prozent weniger Erstsemester. Mit unrühmlichen acht Prozent Elektroingenieurinnen am Arbeitsmarkt ist das Fach Schlusslicht.

Dass dabei im gleichen Zeitraum ein Plus von 27 % Erstsemestern in Informatik aufwuchs, markiert die Stoßrichtung, die das Papier einschlägt: Es liege nicht daran, dass das Fach nicht attraktiv sei, sondern vor allem am schlechten bzw. nicht vorhandenen Image der »Elektrotechnik« insbesondere in der jungen Bevölkerung.

Diese hatte der VDE im vergangenen Jahr anhand einer Studie messen lassen, die wohl weltweit größte ihrer Art (Markt&Technik berichtete). Sie hat klar gezeigt: Das Fach hat einen schweren Stand innerhalb der technischen Disziplinen, weil bei jungen Menschen (und selbst bei denen mit sehr guten Noten in Mathematik und Physik) »falsche Inhalte und Arbeitsgebiete« sowie insgesamt ein »veraltetes Bild« assoziiert werden. Deshalb möchte der VDE mittelfristig einen »Club der Willigen«, u. a. für eine nötige Imagekampagne, um sich scharen.

Initiator und Federführender der neuen Initiative ist der neue Geschäftsführer der Informationstechnischen Gesellschaft (ITG) im VDE e.V., Dr.-Ing. Damian Dudek. Dudek war lange bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und ist Experte für Forschungsförderung.

Dass Inhalte wie die Digitalisierung, die Halbleiterfertigung, die Informationstechnologien, die Entwicklung von KI-Methoden, die Energietechnik zu selten auf das Konto der Elektro- und Informationstechnik verbucht werden und sich dort nicht in Form steigender Studierendenzahlen bemerkbar machen, schmerzte ihn.

Umso mehr, als die Informatik – als spätere Entwicklung aus der Elektro- und Informationstechnik heraus – dieses Imageproblem offenbar nicht hat.

Ein falsches Bild der Elektro- und Informationstechnik in der öffentlichen Wahrnehmung verdecke aber, welche »hervorragenden Karrieremöglichkeiten«, Verdienstaussichten sowie abwechslungsreiche und vor allem hochaktuelle Arbeitsfelder (vgl. Energiewende) es damit »nicht in die Allgemeinheit schaffen«. Und in Folge die »vielen etablierten Projektvorhaben, Kurse und Werbemaßnahmen«, die es schon gibt, kein Interesse fänden. 

Immer gleiche Hiobsbotschaften zum Fachkräftemangel (dito »Frauenmangel«) in der Elektro- und Informationstechnik zementierten also in Wahrheit den Zustand, statt aufzuklären, sagt Initiator Dudek. Fazit: »Wir wollen zeigen, was sich hinter der heutigen Elektro- und Informationstechnik verbirgt und warum es so wichtig ist, den technischen Fortschritt voranzutreiben«. Die Elektro- und Informationstechnik dürfe, ja müsse sich dazu aus dem offiziellen MINT-Kanon herausheben, in dem sie bis heute zu sehr untergehe, ergänzt VDE-Kollege Schanz. 

Denn falsche Bilder lassen sich korrigieren. Aus diesem Grund sieht der VDE Anlass für ein Ende des Trübsinns: »Wir schauen optimistisch in die Zukunft und wenn alles gut geht, haben wir durch Impulse wie eben dieses Positionspapier bald genügend motivierte Studierende in unserem Fach«. Dafür müsse das Studium praxisnaher, attraktiver – etwa durch Case Studies von Beginn an – und bedarfsgerechter gestaltet sowie mit mehr Personal ausgestattet werden.

Zudem seien die Prüfungsmodalitäten zu überarbeiten. Denn, auch das gehört zur Wahrheit dazu: Die Abbruchquoten an den Hochschulen und Universitäten liegen bei bis zu erschreckenden 68 Prozent, dadurch drohen ihnen sogar Kürzungen der universitären Mittel, wenn man nicht »gegensteuere«. 

Der engere Austausch mit Schulen sei daher »zwingend« notwendig, um den potenziellen Nachwuchs adäquat auf das anspruchsvolle und besonders zu Beginn theorielastige Studium vorzubereiten. Dass dabei auch Zöpfe abgeschnitten werden müssen, findet Dr.-Ing. Michael Schanz. Beispiel: »Mathe on demand« mit konkreten Case Studies ab dem ersten Semester statt reines Theoriegepauke im Grundstudium. »Wenn wir die Faszination der Anwendungen nicht im ersten Semester rüberbringen, ist ein großer Teil der Studis wieder weg, ehe es richtig interessant wird.«, so Schanz.

Gelänge es endlich, der Jugend ein realistisches Berufsbild, die exzellenten Karriereaussichten sowie den »Sinn« des Faches zu vermitteln, werde man bald »genügend motivierte Studierende des Faches« haben. Wie es jetzt weiter gehen soll, skizzieren die beiden VDE-Kollegen: »Wir schlagen vor, einen mehrstufigen Aktionsplan aufzusetzen«. Dazu brauche es nun »eine Expertengruppe aus Industrie, Wissenschaft und schulischer Ausbildung unter Einbeziehung unterschiedlicher Ministerien«. 

 


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