Die schöne Zeit für Produktfälscher könnte zu Ende gehen: Ein am MIT entwickelter THz-ID-Tag versieht beliebige Objekte mit einem einzigartigen »Fingerabdruck«.
Weil er kostengünstig und winzig ist, kann er künftig quer durch die weltweiten Lieferketten eingesetzt werden. An sich lassen sich Gegenstände relativ einfach über einen ID-Tag authentifizieren. Meist werden dazu heute RFID-Tags benutzt. Doch dabei besteht immer noch eine gravierende Sicherheitslücke: Der Tag kann vom Gegenstand gelöst und auf eine Fälschung aufgeklebt werden. Dann wird leider die Fälschung als »echt« erkannt.
Das brachte Ruonan Han, Associate Professor, der die Terahertz Integrated Electronics Group im Research Laboratory of Electronics des MIT leitet, auf eine Idee: »Viel besser wäre es, den Gegenstand selber zu authentifizieren anstatt nur den ID-Tag.«
Doch wie lässt sich die Idee umsetzen? Dazu konnte er auf den Vorarbeiten der Forscher vom MIT aufbauen. Ihnen war es schon vor einigen Jahren gelungen, einen kryptografischen ID-Tag zu entwickeln, der mit THz-Wellen arbeitet. Dadurch konnte er um ein Vielfaches kleiner und wesentlich kostengünstiger als die herkömmlichen RFID-Tags hergestellt werden. Das war schon einmal ein großer Fortschritt – aber das Problem des Umklebens auf Fälschungen löst auch der THz-ID-Tag nicht.
Doch Han und sein Team erkannten, dass er die THz-Wellen dazu nutzen konnte, nicht den Tag alleine, sondern den gesamten Gegenstand zu authentifizieren, ihm gewissermaßen einen Fingerabdruck zu verpassen, wie sie in einem Vortrag auf der ISSCC 2024 gerade erläuterten.
Dazu mischten sie mikroskopisch kleine Metallpartikel in den Klebstoff, mit dem der Tag an einen Gegenstand geheftet wird. Die THz-Wellen können nun das Muster dieser Partikel erkennen. Es ist einzigartig und kann nicht dupliziert werden. »Ähnlich wie ein Fingerabdruck wird dieses zufällige Partikelmuster zur Authentifizierung des Gegenstands verwendet«, erklärt Eunseok Lee, Student der Elektrotechnik und Informatik (EECS) am MIT.
»Diese Metallteilchen wirken auf die THz-Wellen wie Spiegel. Wenn ich eine Reihe von Spiegeln auf einer Oberfläche verteile und dann Licht darauf scheinen lasse, erhalte ich je nach Ausrichtung, Größe und Position der Spiegel ein anderes Reflexionsmuster. Aber wenn ich den Chip abziehe und wieder anbringe, wird dieses Muster zerstört«, erläutert Ruonan Han.
Der Tag enthält eine Reihe winziger Schlitze, durch die die THz-Wellen auf die mikroskopisch kleinen Metallpartikel im Klebstoff fallen. Mit 1 mm Wellenlänge sind sie so kurzwellig, dass die Partikel sie reflektieren. Die reflektierten THz-Wellen landen dann in einem Empfänger und können ausgewertet werden.
Ein weiterer Vorteil der THz-Wellen: Es sind keine Antennen außerhalb des Chips erforderlich.
Ein Hersteller, der seine Produkte vor Fälschungen schützen will, nimmt das ursprüngliche Muster auf und speichert es in der Cloud, um es später vergleichen und so die Produkte selber und nicht nur den Tag auf ihre Echtheit prüfen zu können.
Auf konventionellem Weg zu überprüfen, ob zwei Partikelmuster übereinstimmen, ist allerdings sehr schwierig und zeitaufwändig. Deshalb wandte sich Han an einen Mitarbeiter des Computer Science and Artificial Intelligence Laboratory (CSAIL) des MIT.
Er setzte KI auf Basis eines Neuronalen Netzes ein. Nach dem Training war die KI in der Lage, Klebstoffmuster mit einer Genauigkeit von mehr als 99 Prozent auf Übereinstimmung zu erkennen.
»Ein Nachteil ist, dass wir für diese Demonstration nur eine begrenzte Datenmenge zur Verfügung hatten, aber wir könnten das neuronale Netzwerk in Zukunft verbessern, wenn eine große Anzahl der Tags in den Lieferketten eingesetzt würden, was uns viel mehr Daten zur Verfügung stellen würde«, sagt Lee.
Er ist guten Mutes, dass das kein Problem sein wird: Denn weil sich der THz-Tag sehr kostengünstig herstellen lässt, kann er quer durch große Lieferketten eingesetzt werden. Und weil er so klein ist, kann er an Gegenständen angebracht werden, die für herkömmliche RFIDs zu klein sind, wie beispielsweise an medizinischen Geräten.
Allerdings gibt es noch einige Schwierigkeiten: So weisen
THz-Wellen bei der Übertragung hohe Verluste auf, so dass der Sensor nicht weiter als 4 cm vom Tag entfernt sein darf, um ein genaues Ergebnis zu erzielen. Um beispielsweise Barcodes zu scannen, wäre das kein Problem, für andere Anwendungen wie eine automatische Autobahnmautstelle schon.
Außerdem muss der Winkel zwischen dem Sensor und dem Etikett weniger als 10 Grad betragen, weil sonst das THz-Signal zu stark beeinträchtigt wird. Diese Probleme seien laut den Forschern aber lösbar.
»Wir wollen damit aber auch zeigen, dass die Anwendung des THz-Spektrums weit über drahtlose Breitbandverbindungen hinausgehen kann. In dem hier aufgeführten Fall kann man THz-Wellen für ID, Sicherheit und Authentifizierung nutzen. Es gibt aber auch noch viele andere Möglichkeiten, um sie sinnvoll einzusetzen«, erklärt Han.
Der Vortrag auf der IEEE Solid State Circuits Conference ist in Zusammenarbeit der Gruppe von Han und der Energy-Efficient Circuits and Systems Group von Anantha P. Chandrakasan entstanden, dem Chief Innovation and Strategy Officer des MIT und Dekan der MIT School of Engineering sowie Vannevar Bush, Professor EECS. Zu den Mitautoren gehören die EECS-Absolventen Xibi Chen, Maitryi Ashok und Jaeyeon Won.