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So entsteht ein SiC-Wafer

11. Mai 2023, 6:00 Uhr | Ralf Higgelke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Wie lange dauert dieser Kristallwachstumsprozess bei SiC im Vergleich zu Silizium?

Beim klassischen Czochralski-Verfahren, bei dem Siliziumkristalle aus der Schmelze hergestellt werden, liegt die Wachstumsgeschwindigkeit des Kristalls bei etwa hundert Millimeter pro Stunde, bei der Siliziumkarbid-Gasphasenzüchtung sind es üblicherweise nur etwa hundert Mikrometer pro Stunde, also drei Dekaden langsamer. Das bedeutet, dass eine einzelne SiC-Boule im Verlauf vieler Tage entsteht.

Die Qualität des Keims ist bei SiC wesentlich wichtiger als bei Silizium. Können Sie uns das bitte erläutern?

Beim Czochralski-Verfahren hat der Keim einen vergleichsweise kleinem Durchmesser. Der daran aus der Schmelze gezogene Kristall hat anfänglich ebenfalls einen geringen Durchmesser – man spricht von dem Dünnhals – und wird erst später im Zuge des sogenannten Schulterwachstums auf den deutlich größeren Zieldurchmesser gebracht. In der Anfangsphase können bei noch kleinem Durchmesser Defekte wie Versetzungen effektiv verringert werden, sodass ideale Startbedingungen für den eigentlichen Kristall gegeben sind.

Bei Siliziumkarbid haben wir diese Möglichkeit nicht. Wir benötigen einen Keim, der bereits mindestens den gleichen Durchmesser wie der zu züchtende Kristall hat. Alles das, was am Anfang der Züchtung an Kristalldefekten durch den »Schock« des Ankeimens entsteht, müssen wir dann durch eine aufwendige Prozessführung abpuffern. Auch jeglicher Kristalldefekt, der bereits im Keim vorhanden ist, kann sich in dem gezüchteten Kristall fortsetzen.

Ich würde es so zusammenfassen – auch wenn die Siliziumleute dem widersprechen würden: Bei Silizium kommt es sehr auf die Prozessführung an, aber weniger auf die Qualität des Keims. Bei SiC ist auch der Keim von enormer Bedeutung, denn alles, was in dem Keim drinsitzt, könnte den gesamten Kristall unbrauchbar machen

Design&Elektronik-Redakteur Ralf Higgelke imGespräch mit Dr. Robert Eckstein (rechts), CEO von SiCrystal
Bild 2. Design&Elektronik-Redakteur Ralf Higgelke imGespräch mit Dr. Robert Eckstein (rechts), CEO von SiCrystal
© Componeers GmbH

Die Keime sind also die Kronjuwelen eines SiC-­Waferherstellers.

Genau, die gibt es nicht zu kaufen, die müssen Sie sich kontinuierlich selbst fertigen. Auch sind diese Keime das beste Material, das ein Hersteller hat, denn sie garantieren in der Produktion Boules und Wafer auf höchstem Qualitätsniveau. Wir müssen also zusehen, dass wir immer genug gute Keime in unserem »Safe« haben. Und deshalb haben wir einen speziellen Prozess, der nur darauf abzielt, den Nachschub an Keimen stets sicherzustellen.

Warum ist das Erhöhen des Wafer-Durchmessers bei Siliziumkarbid wesentlich schwieriger als bei Silizium?

Wir hatten ja schon den Abriss vom Czochralski-Verfahren. Über die Prozessführung, also die verwendeten Rotationsgeschwindigkeiten sowie die Geschwindigkeit, mit welcher der Kristall aus der Schmelze gezogen wird, wird der Kristalldurchmesser eingestellt. Bei Siliziumkarbid ist das komplett anders: Der Durchmesser des Keims gibt den Durchmesser des späteren Kristalls vor. Der maximal mögliche Aufweitungswinkel ist gering. Daher müssen wir über viele Iterationen den Kristall langsam und schrittweise auf einen größeren Zieldurchmesser bringen. Das erklärt auch, warum man Jahre braucht, um auf einen größeren Scheibendurchmesser bei in der Regel verbesserter Qualität zu kommen.

Ich könnte mir vorstellen, dass das Problem mit dem Tempe­raturgradienten mit zunehmendem Scheibendurchmesser noch größer wird. Wir kennen diese Herausforderung sehr gut und haben bei dem 6-Zoll-Wafer die Lösung bereits gefunden. Lösungsansätze für 8-Zoll-Wafer sind bereits vorhanden und unsere Entwickler arbeiten daran, das Thema anzugehen.

Wie hat sich die Produktion von SiC-Wafern über die vergangenen Jahre verändert bzw. verbessert?

Aus meiner Sicht gab es zwei große Veränderungen: zum einen generell die Zielsetzung der Produktion, zum anderen, eher augenscheinlich, die Vergrößerung des Kristall- bzw. Wafer-Durchmessers.

Als wir anfingen, bestand die Zielsetzung darin, zunächst überhaupt qualitativ akzeptables Material verfügbar zu machen; die Kosten waren eher sekundär, das heißt, aus heutiger Sicht wurden abenteuerliche Preise gezahlt. Die vielen Kristalldefekte waren damals teilweise mit bloßem Auge zu erkennen. Mitunter akzeptierten es die Kunden sogar, wenn auf dem Wafer andere Kristallmodifikation vertreten waren. Heute dagegen wird Qualität zu Recht als selbstverständlich vorausgesetzt. Dafür wird umso intensiver über das Thema Preis gesprochen. Diese Entwicklung ist völlig nachvollziehbar, denn letztendlich entfällt ja heute ein großer Anteil der Bauteilkosten auf das Substrat.

Die zweite Veränderung war die Vergrößerung des Wafer-Durchmessers. Wir haben über lange Zeit 2-Zoll-Wafer für die Optoelektronik gefertigt, jetzt sind wir im Volumen bei 100 Millimeter und vollziehen den Wandel auf 150 Millimeter. Und die Kunden beginnen schon nach einer Perspektive für 200 Millimeter zu fragen. Darin spiegelt sich letzten Endes der Kostenaspekt wider, denn je größer der Wafer, desto kostengünstiger können Halbleiterfirmen ihre Bauelemente produzieren.

In welchen Bereichen muss sich die SiC-Waferfertigung noch verändern?

Neben dem Scheibendurchmesser sind es natürlich die bereits erwähnten Kosten. Wenn Sie sich überlegen, wo heute SiC-Wafer hergestellt werden – vor allem in den USA und in Europa –, dann sind das keine Billiglohnländer. Und die Herstellungsprozesse sind so komplex, dass sich diese nicht so einfach woandershin verlagern lassen. Unsere Mitarbeiter haben jahrelange Erfahrung in der Kristallzüchtung und Scheibenherstellung; auch dieses Know-how lässt sich nicht so einfach transferieren. Zudem ist zu bedenken, dass man zu jedem Zeitpunkt aus den hergestellten Kristallen unter anderem auch wieder die Keime für die nächste Kristallgeneration gewinnen muss; das ist ein geschlossener Kreislauf, den man am besten an einem Standort abbildet.

Als ein Fazit hat man als Hersteller von Siliziumkarbid-Wafern ganz erhebliche Personalkosten, die sich natürlich in den Waferkosten niederschlagen. Daher glaube ich, dass das Thema Automatisierung – wo immer im Prozess möglich – äußerst wichtig wird. Auch die größeren Volumina, die kommen werden und teilweise schon kommen, werden die Preise senken – Stichpunkt Fixkosten-Degression. Wir sehen uns da gut vorbereitet, denn unser Standort hier in Nürnberg ist schon so ausgelegt, dass wir viel höhere Volumina produzieren können. Zu guter Letzt sei erwähnt: Steigenden Qualitätsanforderungen zu genügen ist selbstverständlich.

 


  1. So entsteht ein SiC-Wafer
  2. Wie lange dauert dieser Kristallwachstumsprozess bei SiC im Vergleich zu Silizium?

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