Oberseitig gekühlte MOSFETs

Höhere Leistungsdichte statt Überhitzung

19. November 2023, 14:00 Uhr | Von Ramiro Gascon, Product Line Manager bei onsemi
SMD-Bauelement mit Kühlung auf der Unterseite: Wärme fließt durch Durchkontaktierungen (Vias) und die Leiterplatte.
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MOSFETs, die ihre entstehende Abwärme direkt an einen Kühlkörper abgeben, erzeugen keine Hotspots auf der Leiterplatte, sondern sie tragen durch die Vermeidung von übermäßiger Wärmeableitung zu höheren Leistungsdichten und damit zu kleineren und leichteren Elektrofahrzeugen bei.

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Neben der vollständigen Elektrifizierung gilt das vollständig autonome Fahren als das nächste große Ziel in der Fahrzeugentwicklung und -fertigung. Schon heute hat das teilautonome Fahren, das durch fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme (ADAS) möglich wird, die Anzahl elektronischer Steuergeräte (ECUs) deutlich erhöht. Diese verwalten eine Vielzahl von Anwendungen, unter anderem die Datenfusion externer Sensoren und Onboard-Kameras. Jedoch steigt der Stromverbrauch dieser ECUs mit der Menge und Geschwindigkeit der Datenverarbeitung. Neuere Steuergeräte benötigen heute Spannungsregler mit einer Ausgangsleistung im niedrigen einstelligen Wattbereich, wenn Sensoren zur Einparkhilfe zum Einsatz kommen, bis hin zu mehr als 100 W, wenn es darum geht, mehrere Videoströme zu verarbeiten.

Wärmeentwicklung ist dabei ein unvermeidlicher Nebeneffekt der Verlustleistung, der die Platzierung der Komponenten auf der Leiterplatte einschränkt, um eine Überhitzung zu vermeiden. Dies ist besonders problematisch für OEMs von Elektrofahrzeugen, wirken sich doch Platz und Gewicht negativ auf die Reichweite aus. Ein effektives Wärmemanagement ist daher für hochleistungsfähige Abwärtswandler in Automotive-Anwendungen entscheidend.

Herkömmliche unterseitige Kühltechniken (BSC, Bottom-Side-Cooling) stoßen an ihre Grenzen, und mit zunehmender Leistungsdichte werden neue Methoden benötigt. In diesem Beitrag wird eine Neuerung im Bereich der Bauteil-Gehäusetechnik näher beschrieben: die oberseitige Kühlung (TSC, Top-Side-Cooling). Sie trägt dazu bei, das Problem der übermäßigen Wärmeableitung zu lösen und eine höhere Leistungsdichte in kleineren, leichteren Fahrzeugen zu ermöglichen.

Unterseitige Kühlung (BSC)

Bis vor Kurzem wurden die meisten SMD-Bauelemente in Hochleistungsanwendungen mittels BSC verbaut, um die Wärme vom Halbleiterchip abzuleiten. Ein Metall-Pad auf der Unterseite des SMD-Gehäuses ist über Durchkontaktierungen (Vias) mit einem Kühlkörper unter der Leiterplatte verbunden. Dieser Ansatz birgt jedoch einige Nachteile:

  • Der Temperaturanstieg in der Leiterplatte selbst könnte sich negativ auf den Betrieb anderer Komponenten auswirken, die in der Nähe der Leiterplatte montiert sind.
  • Die Leiterplatte könnte sich ablösen, wenn sie über einen längeren Zeitraum erhöhten Temperaturen ausgesetzt ist, was die Lebensdauer des Systems verkürzt.
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SMD-Bauelement mit Kühlung auf der Oberseite: kein Bedarf an thermischen Vias
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Oberseitige Kühlung (TSC)

TSC ist ein alternativer Ansatz, der einen direkteren Wärmepfad für die Wärmeableitung bietet und eine bessere Wärmeübertragung vom Leistungshalbleiter zu einem angeschlossenen Kühlkörper ermöglicht. Im Vergleich zu BSC verbessert sich das Wärmeverhalten um bis zu 70 Prozent, was zu niedrigeren Betriebstemperaturen und einem verbesserten Wirkungsgrad führt.

Beides ist in Automotive-Anwendungen entscheidend für die Abwärtswandlung mit hoher Leistung. Darüber hinaus bietet TSC weitere Vorteile für das Leiterplattendesign:

  • Verbesserte mechanische Stabilität: Durch das Anbringen eines Kühlkörpers direkt auf der Oberseite eines Gehäuses wird das Risiko einer mechanischen Belastung oder Beschädigung des Bauelements oder der Leiterplatte erheblich verringert. Dies verbessert die Zuverlässigkeit und erhöht die Lebensdauer der Komponenten.
  • Kompakteres Design: TSC ermöglicht ein kompakteres Leiterplattendesign als Luftkühlung, bei der die Bauelemente ausreichend Platz für Lüfter oder andere Kühlvorrichtungen ausweisen müssen. So reduzieren TSC-Designs die Größe und das Gewicht des Gesamtsystems, was für platzbeschränkte Automotive-Anwendungen entscheidend ist.

In einem Steuergerät, in dem die Leiterplattenfläche begrenzt ist, entweicht die meiste von den Bauelementen erzeugte Wärme aus dem Gehäuse. TSC-Gehäuse sind für diese Bedingungen ideal, da ein freiliegendes Pad auf der Oberseite direkt mit dem Gehäuse in Kontakt steht. Dadurch fließt die meiste Wärme von der Oberseite ab. Im Gegensatz dazu fließt eine moderate Menge von der Unterseite durch die Leiterplatte, ohne deren Temperatur wesentlich zu erhöhen. Da also ein Wärmefluss von beiden Seiten erfolgt, verlängert sich die Lebensdauer der Leiterplatte und die Zuverlässigkeit des Systems wird erhöht.

Wärmefluss verstehen

Betrachtet man das Wärmeverhalten von Bauteilen, hilft das Verständnis, wie der Wärmefluss modelliert wird. Die Wärmeleitfähigkeit ist eine Materialeigenschaft, die nicht von der Form und Größe abhängt. Sie beschreibt die Fähigkeit eines Körpers, Wärme im Inneren zu leiten, und ist beim Vergleich verschiedener Materialien nützlich. Der Wärmewiderstand beschreibt, wie ein Material dem Wärmestrom widersteht – die Dicke eines Materials wirkt sich auf seinen Wärmewiderstand aus, wobei dünnere Materialien mehr Wärme übertragen können als dickere Materialien.

Abhängig ist die thermische Impedanz von der Form, Größe, Dicke und dem Druck eines Materials. Sie ist eine praktischere Größe, die Variablen wie die Ebenheit der Oberfläche und die Belastung berücksichtigt, der ein Bauteil in einer Anwendung ausgesetzt ist. Auch die Kraft, die beim Anbringen eines Kühlkörpers auf ein Bauelement ausgeübt wird, trägt zur thermischen Impedanz bei – je höher der Druck, desto geringer der Wärmewiderstand.

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Testplatine mit TSC (links) und BSC (rechts)
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Vergleich des BSC- und TSC-Wärmeverhaltens in einem DC/DC-Wandler
Um die Leistungsfähigkeit von Bauelementen mit unterschiedlichen Kühlmechanismen zu vergleichen, experimentierte onsemi mit einer 100-W-Abwärtswandler-Prototyp-Platine, die mit großen Kupferflächen in allen PCB-Lagen optimiert wurde, um ein ähnliches Wärmeverhalten für TSC- und BSC-Bauelemente zu erzielen.

Dieser Testaufbau entspricht zwar nicht einer praktischen Anwendung wie etwa einer Stromversorgung für ein komplexes Steuergerät in einem kundenspezifischen Aluminiumgehäuse mit Kühlrippen, ist aber ausreichend, um die Auswirkungen verschiedener Parameter auf die MOSFET-Temperatur zu demonstrieren. Dazu zählen der Wärmewiderstand eines Kühlkörpers und die Dicke des Gap-Pads.

Darüber hinaus zeigte sich, dass die Montage des Kühlkörpers auf der Oberseite der Wärmequelle (Low-Side-MOSFET im DC/DC-Wandler) oder auf der gegenüberliegenden Seite der Leiterplatte ein ähnliches Wärmeverhalten erbringt. Dies basiert auf der Annahme, dass das Leiterplattenlayout thermisch optimiert ist, mit thermischen Vias und großen Kupferflächen in allen Lagen, was den Wärmefluss durch die Leiterplatte erleichtert. Außerdem sollte das freiliegende Pad eines TSC-MOSFET direkt mit einem Kühlkörper verbunden sein, um den Wärmefluss in die Leiterplatte zu minimieren.

Gemessene Ergebnisse

Bei diesem Testaufbau wurde nur ein geringer Unterschied (<3 °C) in der MOSFET-Temperatur (Tc) festgestellt, wenn ein Kühlkörper auf der Oberseite eines TSC-MOSFET angebracht wurde – im Vergleich zur Platzierung auf der Unterseite einer thermisch optimierten Leiterplatte mit einem BSC-MOSFET. Im Vergleich zum Verzicht auf einen Kühlkörper bei einem Laststrom von 20 A war die MOSFET-Temperatur in beiden Fällen etwa

  • 30 °C niedriger mit einem 60-mm-Kühlkörper,
  • 15 bis 20 °C niedriger mit einem 25-mm-Kühlkörper und
  • 10 °C niedriger mit einem 10-mm-Kühlkörper.

Ergebnisse die zeigen, dass TSC-MOSFETs mit einem Kühlkörper ein ähnliches Wärmeverhalten aufweisen wie BSC-MOSFETs, die auf einer thermisch optimierten Leiterplatte mit weniger dicht bestückten umgebenden Komponenten montiert sind. Ist jedoch eine Minimierung des Wärmeflusses in die Leiterplatte erforderlich, sind MOSFETs mit freiliegendem Pad auf der Oberseite die richtige Wahl, da der Wärmewiderstand zum Kühlkörper auf der Oberseite des Gehäuses geringer ist.

TSC bietet Vorteile über die Kühlung hinaus

onsemi bietet TSC-MOSFETs für Automotive-Anwendungen wie den NVMJST0D9N04C, der im TCPAK57-Gehäuse mit den Abmessungen 5 mm × 7 mm ausgeliefert wird. Diese Bausteine verfügen über ein 16,5 mm2 großes Wärmeleitpad auf der Oberseite, das die Wärme direkt an einen Kühlkörper und nicht an die Leiterplatte ableitet. Da beide Seiten der Leiterplatte genutzt werden und sich die in die Leiterplatte eindringende Wärmemenge verringert, ermöglicht dieses Gehäuse eine höhere Leistungsdichte, mehr Zuverlässigkeit und eine insgesamt längere Lebensdauer des Systems.


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