Maschinenbau und Elektronik

Was sich deutsche Firmen im Iran erwarten

11. Februar 2016, 11:58 Uhr | Karin Zühlke und Andreas Knoll, Markt & Technik
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„Made in Germany“ genießt hohe Reputation

Rainer Kurtz, KurtzErsa: »Die persönliche Freiheit der Menschen und die Gleichberechtigung der Frau wurden stark eingeschränkt. Sollte sich das nicht ändern, wird sich das Land weiter mit sich selbst beschäftigen und Investoren abschrecken.«
© KurtzErsa

Und noch etwas spricht für deutsche Unternehmen: »Made in Germany genießt auch im Iran einen hohen Stellenwert, so dass auch bei höheren Preisen Chancen für unsere Unternehmen bestehen«, betont Renate Pilz, Vorsitzende der Geschäftsführung von Pilz. Pilz ist seit vielen Jahren im gesamten Mittleren Osten sowohl über Repräsentanzen vertreten als auch im Direktgeschäft. Entsprechend groß ist heute bereits die installierte Basis von Pilz-Produkten in Branchen wie Automotive, Werkzeugmaschinen oder Pressen allgemein. »Der Automatisierungsmarkt im Iran wird hauptsächlich von End Usern dominiert, von denen einige auch international aktiv sind. Es gibt einige wenige Maschinenbauer, die jedoch kaum exportieren. So werden beispielsweise Windenergieanlagen und Lokomotiven im Land und in Lizenz gefertigt«, berichtet Renate Pilz.

Die Firmenchefin sieht für ihr Unternehmen jedenfalls sehr großes Potenzial: »Uns liegen aktuell zahlreiche Projektanfragen aus dem Iran vor, bei denen es z.B. um die Umrüstung von Produktionsanlagen geht. Anlass dafür sind häufig Sicherheitslücken. Anders als hierzulande ist dort Maschinensicherheit nicht gesetzlich gefordert. Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang die Ausrüstung eines von sieben iranischen Schulungszentren zur Arbeits- und Maschinensicherheit in Teheran mit Steuerungen und sicheren Sensoren von Pilz. Rund 1000 Menschen werden jährlich dort geschult. Damit wollen wir vor Ort einen Beitrag zur Schaffung einer Kultur für den Schutz von Mensch, Maschine und Umwelt leisten.«

Ähnlich positiv beurteilt auch Rainer Kurtz, Vorsitzender der Geschäftsführung des KurtzErsa Konzerns und Vorsitzender des Vorstandes der Fachgemeinschaft Electronics, Micro and Nanotechnoloy (EMINT) im VDMA, die Möglichkeiten im Iran, die sich für deutsche Firmen bieten, vor allem weil der Drang, sich weiterzuentwickeln, hoch sei und der Nachholbedarf ebenso. Schließlich kennt der Iran wesentliche Standards aus der Zeit vor den Sanktionen. »Insofern sehen wir Entwicklungschancen auch für die industrielle Produktion. Wir werden die Entwicklung im Iran auf jeden Fall genau beobachten und alte Kontakte weiter pflegen.« Kurtz-Ersa habe vor den Sanktionen viele Jahre sehr gute Geschäfte mit dem Iran gemacht und dabei sehr angenehme Geschäftspartner kennengelernt, unterstreicht Kurtz. Insofern liegt es auf der Hand, dass auch Kurtz-Ersa an das frühere Potenzial anknüpfen will: »Unser Potential hängt von der Entwicklung der Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie und der Elektro- und Elektronikindustrie ab. Wenn diese Industrien wieder Anschluss an frühere Zeiten gewinnen, dann ist das Potential erheblich.«

Auch Siemens begrüßt die Beendigung wesentlicher Sanktionen und die erwartete Öffnung des iranischen Marktes und verweist auf die lange Tradition der Geschäftsbeziehungen mit dem Iran. »Unsere Aktivitäten im Iran reichen zurück bis ins Jahr 1869, und wir werden an diese lange Tradition wieder verstärkt anknüpfen. Wir wollen den Iran bei der zukünftigen Entwicklung seiner Infrastruktur unterstützen. Es gab ja bereits eine erste Absichtserklärung im Bahnsektor«, so Yashar Azad, Pressesprecher Finanz- und Wirtschaftsthemen von Siemens. »In der Vergangenheit hatten wir eine wichtige Rolle besonders im Energiesektor und im schienengebundenen Verkehr inne. Daran wollen wir anknüpfen, natürlich immer im rechtlich zulässigen Rahmen. Vor allem bei Infrastrukturprojekten in der Öl-, Gas- und petrochemischen Industrie sowie der Stromerzeugung und -verteilung, aber auch im schienengebundenen Verkehr und in der Medizintechnik sehen wir großen Nachholbedarf.« Die Exportkontrolle werde aber stets ein notwendiger Bestandteil des Irangeschäfts bleiben, unterstreicht der Siemens-Sprecher.

Wenn es der deutschen Automatisierungs- und Maschinenbau-Industrie gelingt, sich gut im Iran zu positionieren, dann profitieren auch Zuliefer-Firmen wie das EMS-Unternehmen Zollner. Zwar plane Zollner nach Auskunft seines Vorstandsvorsitzenden Johann Weber selbst nicht, sich kurz- oder mittelfristig im Iran zu engagieren, sei aber als kundengesteuertes Unternehmen indirekt an dortigen Investitionen beteiligt. Weber: »Durch die Aufhebung des Wirtschaftsembargos nach den jahrelangen Atom-Sanktionen hat das Land nun die Möglichkeit, sich als lukrativer, ressourcenreicher Markt zu präsentieren und auch selbst kräftig zu investieren. Das wird sich noch verstärken, wenn der Ölpreis wieder steigt. Ich kann mir gut vorstellen, dass „Made in Germany“ bei iranischen Käufern gut ankommt, etwa in der Automobilbranche. Die Altersstruktur im Iran ist so, dass es dort viele junge Leute gibt, die natürlich mobil sein, sprich, ein Auto haben möchten. Auch in der Luftfahrt, im Maschinenbau oder im Gesundheitssektor sehen wir großes Potenzial.«


  1. Was sich deutsche Firmen im Iran erwarten
  2. „Made in Germany“ genießt hohe Reputation
  3. Kleinerer Mittelstand profitiert kaum

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