GPV setzt auf komplexe Elektroniklösungen, expandiert im Verteidigungssektor und treibt die Digitalisierung seiner Standorte voran. CEO Bo Lybæk gewährt im -Interview mit Markt&Technik Einblicke in Strategie, Standorte und Zukunftspläne.
Im zweiten Quartal 2025 lagen Umsatz und Ergebnis eng beieinander und stiegen nur moderat. Wie würden Sie den aktuellen Stand der „Marktnormalisierung“ beschreiben? Und wie sensibel reagiert GPV auf erneute Volatilität?
Wie in unserem Finanzbericht für Q2 2025 angegeben, sind die Verkaufsraten stabil, und das EBITDA ist leicht um 8 Prozent gestiegen. Wir sehen weiterhin Volatilität im Markt, daher müssen wir agil und handlungsbereit bleiben. Für uns bedeutet das, noch näher an unseren Kunden zu sein, die Lieferkette sorgfältig zu steuern und sicherzustellen, dass wir uns schnell anpassen können, wenn sich die Bedingungen ändern.
Sie haben den Verteidigungssektor als zukünftigen Wachstumsmarkt identifiziert. Wie planen Sie, diesen Bereich strategisch auszubauen – zum Beispiel durch Standortanpassungen, Zertifizierungen oder Schulungen der Belegschaft?
Der Verteidigungssektor ist für uns ein natürlicher Wachstumsbereich, und GPV hat in diesem Sektor eine Tradition. Wir sind Mitglied der Danish Defence and Security Industry Association, aber der Verteidigungssektor ist nach wie vor recht national geprägt, darum nutzen wir unser gut verteiltes Standortnetzwerk. Wir haben NATO-sicherheitszertifizierte Standorte und bauen unsere Fähigkeiten weiter aus – sei es durch Zertifizierungen, Schulungen oder die Nutzung unseres internationalen Netzwerks –, um diesen Sektor künftig noch stärker zu unterstützen.
GPV konzentriert sich zunehmend auf komplexe High-Mix-Lösungen – also auf den Ansatz „Beyond EMS“. Was bedeutet das konkret für Ihre Prozesse, Ihr Portfolio und Ihre Kundenbeziehungen?
Wenn wir von „Beyond EMS“ oder „More than EMS“ sprechen, geht es darum, mehr anzubieten als reine Elektronikfertigung – und schon heute sind mehr als 50 Prozent unserer Aktivitäten komplexe Box-Build-Produkte. Immer häufiger wünschen sich unsere Kunden komplexe High-Mix-Lösungen, die Elektronik, Mechanik und Kabel zu vollständigen Box-Builds kombinieren – inklusive Testabdeckung und After-Sales-Services. Das verändert unsere Arbeitsweise: Wir arbeiten enger mit den Engineering-Teams zusammen, standardisieren Prozesse über unsere Geschäftsbereiche hinweg und wachsen mit unseren Kunden als echter Partner entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Sie konsolidieren Standorte in Österreich, Schweden, Dänemark, der Slowakei und Thailand. Wie entscheiden Sie, welche Standorte Priorität haben, und wie reagieren Sie auf geopolitische Entwicklungen?
Wir evaluieren unser Standortnetz kontinuierlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Anforderungen unserer Kunden zu erfüllen. Priorität hat immer, wo wir am effizientesten sind und Kunden am besten unterstützen können. Das bedeutete die Zusammenlegung kleinerer Standorte zu größeren – leider auch die Schließung von Standorten in Österreich und Dänemark – und die Konsolidierung in der Slowakei und in Thailand. Gleichzeitig spielt Geopolitik eine Rolle: Zum Beispiel verschafft uns unser Standort in Mexiko angesichts der US-Zölle einen wichtigen Vorteil im Rahmen des USMCA-Freihandelsabkommens – so können wir Kunden in Nordamerika zu attraktiven Bedingungen bedienen.
Ihr Werk in Mexiko bietet klare Vorteile unter dem USMCA-Abkommen. Wie wollen Sie diesen Standort strategisch weiterentwickeln?
Unsere Geschäftseinheit in Mexiko ist angesichts der aktuellen Zollherausforderungen eine Stärke. Sie bringt uns Nähe zu US-Kunden, und mit dem USMCA-Freihandelsabkommen ist das ein attraktives Setup. Derzeit bereiten wir eine größere Freifläche für die Fertigung vor, da neue Kunden auf den Produktionsstart warten. Wir brauchen das auch, weil die Profitabilität dort noch nicht auf dem Niveau ist, das wir anstreben.
2024 haben Sie die Strategie „M.O.R.E 28“ gestartet. Wie weit sind Sie mit der Umsetzung, und welche zentralen Meilensteine erwarten Sie bis 2028?
Wir haben unsere Strategie „M.O.R.E 28“ im vergangenen Jahr mit dem Ziel gestartet, gemeinsam mit unseren Kunden „mehr zu erreichen – nachhaltig“. Der Fokus liegt darauf, das GPV aufzubauen, das wir 2028 sein wollen: mit hoher Wettbewerbsfähigkeit, einem starken Fertigungsnetzwerk, einer starken Organisation und neuen Plattformen wie OneERP. Bis 2028 wollen wir schlanker, schneller, digitaler und bereit sein, Wachstum in hochkomplexen Segmenten zu realisieren.
GPV hat die Prognose für das Jahr 2025 kürzlich präzisiert. Wie optimistisch sind Sie für die zweite Jahreshälfte, und welche Frühindikatoren sehen Sie für eine echte Rückkehr zum Wachstum?
Ja, wir haben unsere Prognose für 2025 eingegrenzt. Der Umsatz im ersten Halbjahr war stabil, aber etwas auf der schwächeren Seite, obwohl wir eine gewisse Nachfragezunahme gesehen haben. Die entscheidende Frage ist, wie nachhaltig das ist. Deshalb sind wir für die zweite Jahreshälfte zwar optimistisch, aber zugleich vorsichtig.
Im Frühjahrsbericht 2024 wurde die Einführung eines einheitlichen ERP-Systems als Effizienztreiber hervorgehoben. Wie weit ist die Implementierung fortgeschritten, und welche Vorteile erwarten Sie?
Wir führen derzeit ein gemeinsames ERP-System ein – wir nennen es OneERP. Wir haben zwei Pilotstandorte definiert, denen der Rollout im gesamten GPV-Netz folgt. Natürlich wollen wir, dass dies erfolgreich ist. Unsere bestehenden Systeme funktionieren heute gut, aber es ist ein großer Schritt hin zur Harmonisierung unserer Prozesse. Wir erwarten erhebliche Vorteile: mehr Transparenz, stärkere Datenbasis, mehr Digitalisierung und effizientere Abläufe in allen operativen Geschäftseinheiten.
Als Teil von Schouw & Co. profitieren Sie von langfristigem Eigentum. Welche strategische Flexibilität verschafft Ihnen das, und auf welche konkrete Weise unterstützt Schouw GPV?
Teil des dänischen Industriekonzerns Schouw & Co. zu sein – mit einer Geschichte von über 150 Jahren – ist zweifellos eine Stärke. Es gibt uns Stabilität und eine langfristige Perspektive, die in unserer Branche selten ist. Das bedeutet auch, dass wir uns darauf konzentrieren können, das Geschäft zukunftsfähig aufzubauen, solide Ergebnisse und Cashflow zu liefern und mit einer starken finanziellen Basis zukünftiges Wachstum zu unterstützen.
Welche globalen Trends prägen derzeit Ihr Geschäft – zum Beispiel Reshoring, Komponentennachfrage oder die sich verändernde China-USA-Dynamik – und welche Wettbewerber halten Sie für am relevantesten?
Mehrere globale Trends prägen unser Geschäft: Regionalisierung, sich verändernde Handelsdynamiken und spezifische Nachfragetreiber wie Halbleiter und Rechenzentren. Gleichzeitig sehen wir, dass Kunden und potenzielle Kunden die Zusammenarbeit mit einem EMS-Anbieter mit starkem und gut positioniertem Standortnetz bevorzugen. Der Wettbewerb ist nach einer Phase gestiegener Material- und Kostenbelastungen hart, und unsere Kunden achten stark auf die Gesamtbetriebskosten – darum liegt unser Fokus klar auf unserer Wettbewerbsfähigkeit.
Haben ESG-Aspekte und Nachhaltigkeit bei Ihren Standortentscheidungen oder in Ihren Kundenbeziehungen eine strategisch wichtige Rolle gespielt – oder tun sie das weiterhin?
Nachhaltigkeit spielt eine wichtige Rolle in der Art und Weise, wie wir unser Geschäft und GPV führen. Wir stellen jedoch fest, dass sie für unsere Kunden heute eine geringere Rolle spielt als noch vor einigen Jahren. Dennoch beeinflusst sie unsere Standorte, unsere Investitionen und unsere Kundenbeziehungen. Einige Kunden erwarten sie, andere sind – wie gesagt – zurückhaltender geworden. Aber wichtiger ist: Wir sind überzeugt, dass es das Richtige ist. Wir sind ein ordentlich geführtes Unternehmen, und heute gehört ESG beziehungsweise Nachhaltigkeit fest zu dieser Agenda.
Plant GPV gezielte Investitionen in innovativere Prozesse wie KI-basierte Fertigungsoptimierung, IoT-Integration oder Smart Manufacturing?
Wir investieren bereits stark in Automatisierung und digitale Plattformen wie unser OneERP und andere Tools. Diese Plattformen öffnen auch die Tür zu fortgeschritteneren Technologien wie KI, maschinellem Lernen, IoT und Smart Manufacturing. Für uns ist wichtig, diese Technologien dort in unsere Abläufe zu integrieren, wo sie für unsere Kunden sinnvoll sind.
Die Fragen stellte Karin Zühlke