Ein spezieller, aber ebenso wichtiger Anwendungsfall wie Tests am Arbeitsplatz sind die Tests mit Signalmanipulationen direkt im Fahrzeug. CANoe ist dabei zwischen das Fahrzeug und das zu testende Steuergerät geschaltet und agiert wie ein Gateway, indem es die Daten in beide Richtungen eins zu eins durchroutet. Der Tester ist nun in der Lage, interaktiv während des Betriebs ausgewählte Botschaften zu selektieren und zu manipulieren. Er kann zum Beispiel Botschaften blockieren, Signalwerte verändern, Prüfsummen verfälschen oder Botschaftszähler einfrieren. Weil das Testsystem alle Botschaften in Form von Systemvariablen abbildet, lassen sich diese bequem über den Symbol-Explorer anzeigen. Ein Klick ins Kontextmenü einer Systemvariable öffnet das zugehörige Bedien-Panel, das die genannten Manipulationen gestattet.
Netzwerkmanagement-Tests
Das Netzwerkmanagement (NM) steuert den Netzwerkverkehr auf dem Bus und ist hauptsächlich für das Aufwachen und Herunterfahren der Steuergeräte zuständig. Ein Steuergerät mit fehlerhaftem Netzwerkmanagement könnte beispielsweise den Netzwerkverkehr im Fahrzeug dauerhaft wach halten und dazu führen, dass die Autobatterie nach kurzer Zeit entladen ist. Solche Probleme sollen schon im Vorfeld durch diesen Test entdeckt werden. In vordefinierten Testabläufen wird das NM für die verschiedenen Daimler-Vernetzungstopologien geprüft. Neben dem zu testenden Steuergerät werden weitere Teilnehmer am NM dabei simuliert. Aktuell unterstützen die Daimler-NM-Tests die Bussysteme CAN und FlexRay.
Kleiner Testaufbau mit großer Wirkung
Besonders erfreulich für Daimler ist, dass die Netzwerktests mit einem kleinen Testaufbau realisierbar sind. Neben PC oder Laptop benötigt ein Testingenieur lediglich eine Break-out Box sowie ein oder zwei CAN- oder FlexRay-Schnittstellen von Vector. Die Break-out Box stellt mit wenigen herausgeführten Anschlüssen und Kabeln quasi die minimal notwendige Hardware-Konfiguration dar. Sie generiert unter anderem aus einer 12-V-Einspeisung neben einem 12-V-Dauerplus eine schaltbare Spannung zum Simulieren eines Zündschlosses. Dass das Werkzeug von Vector Informatik ohne aufwändige Zusatz-Hardware auskommt, war eine der Vorgaben des Automobilherstellers. Insbesondere wollte Daimler – soweit möglich – die sehr aufwändigen und komplexen HiL-Systeme für die Vernetzungstests ersetzen, bei denen Aufwand und Kosten häufig in keinem vernünftigen Verhältnis zu den erzielten Ergebnissen stehen.
Bei einem gegebenen Zeitrahmen und mit dem vorhandenen Personal erlaubt es COMSpector, ungleich mehr ECM- und CPC-Testkonfigurationen zu erstellen und durchzuspielen. Das erhöht die Testtiefe und kommt vor allem der Produktqualität zugute. Während die Ingenieure früher zum Beispiel die Zykluszeiten für jeden Botschaftstyp einzeln ermitteln mussten, deckt jetzt eine observierende COMSpector-Testkonfiguration das komplett für alle Botschaften gleichzeitig ab. Allgemein waren damals zahlreiche händische Anpassungen erforderlich und bei komplizierteren Angelegenheiten stets Änderungen im CAPL-Code unvermeidbar. Nur gut geschulte Tester waren in der Lage, solche Aufgaben zu erledigen und das nicht ohne erheblichen Vorbereitungsaufwand. Heute können auch Kollegen viel einfacher Testaufgaben übernehmen, die keine ausgewiesene Test- oder Netzwerk-Spezialisten sind.
Daimler setzt COMSpector inzwischen weltweit ein, unter anderem in den USA und in China. Zirka 20 Empfänger umfasst zur Zeit der Master-Verteiler der verantwortlichen Mitarbeiterin. Kürzlich war von einem amerikanischen Kollegen erneut zu hören, dass das Tool sehr hilfreich für ihn sei und es seine Arbeit gut unterstütze. So ist es auch kein Wunder, dass von allen Seiten Erweiterungswünsche nach Sindelfingen herangetragen werden. Dort werden die Ideen und Impulse für die nächste COMSpector-Version gesammelt und geprüft.
Die Entwicklung geht weiter
Der Netzwerktest-Generator COMSpector ist bei Daimler weltweit zu einer unverzichtbaren Komponente im Bereich des Testens geworden. Er erlaubt, zügig und ohne Spezialwissen Testkonfigurationen für observierende und stimulierende Netzwerktests im Antriebsstrang zu erstellen. Insbesondere macht das Werkzeug das mühsame und zeitraubende Programmieren und Anpassen von Testskripts überflüssig. Die Mitarbeiter können ihre Anstrengungen vielmehr auf die eigentlichen Entwicklungsarbeiten und Qualitätsverbesserungen konzentrieren. Viele Steuergeräte- und Routing-Tests sind inzwischen in der Daimler-Freigabeprozedur verbindlich mit COMSpector vorgeschrieben. Hierzu kann der Tester den von CANoe gelieferten fertigen Report einfach als Nachweis der erfolgreichen Durchführung ablegen.
Aktuell arbeiten Daimler und Vector daran, Testmöglichkeiten für CAN FD und Automotive Ethernet in COMSpector zu integrieren.
Die Autoren:
B.Eng. Viola Misch |
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studierte Elektrotechnik mit Schwerpunkt Fahrzeugelektronik und mechatronische Systeme an der DHBW Ravensburg. Seit 2014 arbeitet sie in der Pkw-Entwicklung bei Daimler. Dort ist sie im Bereich Topologie und Vernetzung Antriebstrang tätig und betreut das COMSpector Tool Daimler-seitig. |
Dipl.-Ing. Katja Hahmann |
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studierte Elektrotechnik an der TU Chemnitz. Sie trat 1997 bei Vector Informatik in Stuttgart ein und ist dort Gruppenleiterin der kundenspezifischen CANoe-Anwendungen und Testsysteme in der Produktlinie Networks and Distributed Systems. |