Ein Studienkollege kam als Physikabsolvent vom Vorstellungsgespräch im ABC-Konzern zurück und konnte sich gar nicht mehr einkriegen über das, was er dort zu hören bekam: Man suchte einen Photovoltaik-Beauftragten, der die staatlich geförderten Projekte betreuen sollte - auch wenn klar wäre, dass dabei nichts rauskommen könne. Immerhin hat sich diese Technologie in den folgenden 30 Jahren zu einem veritablen Wirtschaftszweig gemausert.
Seitdem muss ich immer schmunzeln, wenn ausgerechnet die Versorger Tipps zum Energiesparen verteilen und mit der Umlage für Erneuerbare Energien die intransparenten Preiserhöhungen rechtfertigen oder unter Androhung endzeitartiger Ausfallszenarien, wie von der Netzagentur beschworen, Investitionsförderung für den smarten Netzausbau abgreifen möchten bzw. mit smarten Zählern direkt auf das Kundenkonto zugreifen und wenn das erschöpft ist, den Strom ohne physischen Konflikt einfach fernabschalten so wie das bereits in den Slums von Schwellenländern gern praktiziert wird. Das Smart Metering könnte ja durchaus Sinn machen, wenn attraktive Niedriglast-Tarife angeboten würden, aber davon ist erst mal gar nicht die Rede - lieber zahlt man den Großverbrauchern noch für die gnädige Abnahme des übeschüssig erzeugten Stroms. Es könnte ja sein, dass man eine Schnäppchenjagdlawine bei den Endverbrauchern lostritt, deren Marktdynamik den Wettbewerb womöglich unwiderruflich anheizt und damit letztlich nur wieder die Renditen schmälert.
Hier wird ganz offensichtlich der Bock zum Gärtner. Der Interessenkonflikt ist doch offensichtlich: Je mehr Energie der Bürger einspart oder selbst erzeugen kann, desto weniger können die Energiekonzerne ihm in die Tasche greifen und ihre monopolistische Macht ausspielen, mit der auch Politiker erpressbar sind. Das Konzept solarer Selbstversorgung muss in deren Augen so eine Art Freibeutertum sein. Schade nur, dass man bei Sonnenschein eher weniger Energie braucht. Insofern wäre eine ausreichende Speicherfähigkeit für schattige Tage in der Tat ein Schlüssel zur Autarkie.
Wenn man bedenkt, dass fast ein Drittel der erzeugten Energie auf dem Weg zum Endverbraucher verloren geht, macht es um so mehr Sinn, die Energie vor Ort zu speichern. Dazu gibt es bereits hoffnungsvolle Ansätze wie elektrolytische Umwandlung von Wasser und Kohlendioxid zu Alkohol, der in den alten Öltanks eingekellert werden könnte, um damit zu heizen und zu fahren, ohne die Kühlklimmzüge und Verpuffungsrisiken der reinen Wasserstoff-Bevorratung oder um in einer Brennstoffzelle Strom zurückzugewinnen, der in einem Superakku oder Superkondensator etwa auf der Basis von Carbon-Nanotube-Aerogel gepuffert werden könnte, um kurzfristig auch höhere Leistungen abzurufen. In derartigen Technologien schlummert sicherlich mehr Potenzial zur Energiewende als im "Smart Metering" oder womöglich noch supraleitenden "Smart Grids". Wenn sich die Energieriesen als Erfüllungsgehilfen der Energiewende empfehlen, dann drängt sich der Verdacht auf, dass sie damit versuchen, das Pfründe-Heft so lange wie möglich in der Hand zu halten.
Hans Diesing