Beim Thema Krebsbehandlung kann bereits heute in Modellen auf Basis von Algorithmen berechnet werden, ob und wie Patienten auf eine Bestrahlung ansprechen werden. Dadurch lassen sich die Dauer, Dosis und Häufigkeit der einzelnen Einheiten individuell optimieren. 2019 konnte man dies in einer Studie, die im Fachjournal The Lancet erschienen ist, für den Fall der Strahlentherapie bei Lebertumoren klinisch nachweisen: So konnte gezeigt werden, dass mithilfe von »Deep Profiler«, einem von Siemens Healthineers entwickelten neuronalen Netz, diejenigen Patienten identifiziert werden können, die eher auf eine Strahlentherapie reagieren. In dieser Subgruppe treten statistisch gesehen weniger Rezidive auf, das heißt, der Tumor kommt seltener zurück. Für Patienten der anderen Subgruppe sind dagegen alternative Behandlungen womöglich wirksamer. Diese Vorhersagen der KI können so dabei helfen, dass jeder Patient in Zukunft die optimale Therapie erhält.
Ein weiteres Entwicklungsprojekt in der Krebstherapie ist ein Algorithmus für die Labordiagnostik. Er soll das Risiko vorhersagen, ob Patienten in den kommenden zwölf Monaten an Darm-, Leber- oder Lungenkrebs erkranken. Basierend auf den Ergebnissen aus der Laboranalyse von großem Blutbild, Stoffwechsel und Blutfettwerten soll der Algorithmus die behandelnden Ärzte auf das erhöhte Risiko hinweisen und weitere Tests empfehlen, falls verdächtige Muster in den Daten erkannt werden. Der Algorithmus wurde mit rund 27.000 Fällen trainiert und befindet sich gerade in der internen Validierung.
Die Idee eines digitalen Patientenzwillings ist längst keine Science-Fiction mehr, sondern in vielen Medizintechnik-Unternehmen bereits ein konkretes Ziel. Allerdings kann der Zwilling nur so gut sein wie die Daten, auf denen er basiert und mit denen er abgeglichen werden kann. Es bedarf also einer sehr hohen Datenqualität. Zum anderen muss ein sicherer und transparenter Zugang zu den Gesundheitsdaten gewährleistet sein sowie die Integration von Daten, die an unterschiedlichen Stellen generiert werden. Etwa beim Hausarzt, in der Klinik und über Wearables im Alltag. Patienten müssen jederzeit über die Nutzung ihrer Daten entscheiden können. Das alles sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Realisierung von kompletten digitalen Patientenzwillingen. »Die Frage ist nicht, ob wir als Patienten einen digitalen Zwilling haben werden, sondern wann«, erklärt Heimann. »Dies wird sicher noch einige Jahre dauern, und viele technische Probleme müssen vorher noch gelöst werden. Doch wir konzentrieren uns darauf, unsere spezifischen Lösungen Ärzten so schnell wie möglich verfügbar zu machen, damit sie ihre Patienten optimal behandeln können.« (uh)