Digitale Patientenzwillinge sind komplexe Modelle. Sie beruhen auf qualitativ hochwertigen, strukturierten Gesundheitsdaten. Generell gilt: Je besser die Qualität der Daten, die zur Auswertung vorhanden sind, desto größer die Aussagekraft der Berechnungen. Dabei helfen die medizinische Bildgebung, also beispielsweise Bilder aus Computer- oder Magnetresonanztomographen, aber auch Befunde aus der Labordiagnostik, etwa nach einer Blutabnahme. All diese Informationen bilden das Grundgerüst des digitalen Ebenbildes von Organen. Mithilfe von Algorithmen können diese Daten noch weiter ausgelesen werden und biophysikalisch modelliert werden.
Anhand der vorliegenden und laufend aktualisierten Daten könnte zukünftig
sogar vorhergesagt werden, wie sich Krankheiten bei Patienten entwickeln und wie die Betroffenen auf eine bestimmte Therapie ansprechen werden. Mit diesem Wissen könnte dann die optimale personalisierte Therapie ausgewählt werden. »Präzisionsmedizin bedeutet die richtige Therapie für die richtigen Patienten zur richtigen Zeit«, erklärt Heimann. »Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto eher können wir die Idee der personalisierten Medizin verwirklichen.«
Und medizinische Daten gibt es mehr als genug: Bilddaten, Labordaten, Genomdaten und Patientendaten, die über sogenannte Wearables gesammelt werden. Wenn es um ihre Nutzung und Auswertung geht, hat sich die künstliche Intelligenz in den letzten Jahren durchgesetzt. Was vor gut 15 Jahren noch eine Nische war, ist heute aus dem klinischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Etwa, wenn es um automatische Vor-Befunde und um die Analyse großer Mengen von Bilddaten geht. Auch klinische Arbeitsabläufe können entlang der Behandlungspfade dank KI-Unterstützung optimiert, standardisiert und automatisiert werden, was gerade in der klinischen Routine eine große Unterstützung bedeuten kann. So sind bereits heute leistungsfähige KI-basierte Anwendungen im Einsatz, die auf das Konzept des digitalen Patientenzwillings einzahlen. Sie ermöglichen präzisere Diagnosen und zielgerichtetere Behandlungen – auf der Grundlage evidenzbasierter Medizin.
Ein Beispiel hierfür ist eine 3D-Kamera von Fast zur automatischen, präzisen und konsistenten Positionierung der Patienten: Sie berechnet zunächst einen digitalen Avatar der zu untersuchenden Person. Dieser wird genutzt, um im Anschluss KI-basiert die Patienten bestmöglich und vollautomatisch für die bildgebende Untersuchung in Computertomograph oder Magnetresonanztomograph zu positionieren.
Auch in der Strahlentherapievorbereitung spielt KI eine wichtige Rolle: Hier ist es für Ärzte wichtig, möglichst konkret festzulegen, wo bestrahlt werden muss – und wo nicht. Es geht darum, umliegendes Gewebe zu schützen und Organfunktionen nicht zu beeinträchtigen. Bisher mussten in Handarbeit die Grenzen gezogen und Umrandungen eingezeichnet werden. Siemens Healthineers hat hierfür eine KI-Software entwickelt, die die Konturen basierend auf einer Vielzahl von Datensätzen von selbst erkennt und dem klinischen Personal diese Aufgabe erleichtert (Bild 3, nächste Seite).