Neurotechnologie wird Alltagselektronik

Der Apple-Moment fürs Gehirn

11. Juni 2025, 10:00 Uhr | Ute Häußler
Ute Häußler ist die Leitende Redakteurin der Elektronik Medical.
© WFM

Das Smartphone bald per Gedanken steuern? Das Neurotech-Startup Synchron ist eine Partnerschaft mit Apple eingegangen. Noch 2025 will der Tech-Riese ein neues Protokoll vorstellen, dass Gedanken als Eingabequelle für iOS-Geräte akzeptiert. Ist das der Wendepunkt für Gehirn-Computer-Schnittstellen?

Diesen Artikel anhören

Sie lesen das Editorial der Elektronik Medical, Ausgabe 3-2025. Das vollständige E-Paper können Sie hier durchblättern.

Liebe Leserinnen und Leser,

Gefühlt sind Gehirn-Computer-Schnittstellen noch immer Science Fiction. Doch was in den 1960er-Jahren mit experimentellen Projekten begann, entwickelt sich dank milliardenschweren Investoren in atemberaubender Geschwindigkeit zu marktfähiger Alltagselektronik.

Elon Musk propagiert mit seinem Start-up Neuralink die Verschmelzung von Mensch und Computer. Im Januar 2024 bekam »Patient Eins« Noland Arbaugh ein erstes Implantat eingesetzt, die Probleme mit verrutschten Elektroden scheinen überwunden. Aber auch wenn »Patient Drei«, der ALS-Proband Brad Smith, mittlerweile KI-Videos rein über Nervensignale erstellt, ist dies alles noch Forschung an Einzelpersonen.

Doch die Kooperation der Neurotech-Firma Synchron mit Apple könnte die Steuerung von Smartphones per Gedanken jetzt in greifbare Nähe rücken. So will Apple noch 2025 einen Entwicklungsstandard vorstellen, der Signale von Neuroimplantaten über das Bedienungshilfen-Framework »Switch Control« zugänglich macht. Das dann über das »Made for iPhone«-Programm verfügbare Protokoll soll Gedanken als Eingabequelle für externe Geräte verwenden.

Sogar ganz ohne Operation am offenen Gehirn: Synchrons Implantat »Stentrode« wird als flexibles Elektrodengeflecht minimalinvasiv über die Halsvene eingeführt und in einem Blutgefäß oberhalb des motorischen Kortex platziert. Wie ein Stent legt es sich an die Innenwände der Venen, wo 16 Elektroden Veränderungen der Vene wahrnehmen, die bei Gedanken an Bewegungen entstehen – und übersetzt die neuronalen Signale in digitale Befehle.

Im Vergleich dazu liefert das Musk‘sche Implantat mit mehr als 1.000 direkt im Hirngewebe eingebetteten Elektroden zwar einen höher aufgelösten Datenstrom und erlaubt eine komplexere Steuerung, jedoch sind die erforderlichen Eingriffe viel risikoreicher. »Stentrode« funktioniert einfacher und ist gut getestet: Seit 2019 benutzen bereits zehn Patienten Apple-Geräte wie iPhones, iPads und sogar das Vision Pro-Headset als neue Schnittstelle zur Welt.

»Hirn-Computer-Schnittstellen können so normal werden wie Herzschrittmacher heute,« prognostizierte Investor Christian Angermayer schon 2021, also vor Lichtjahren des technologischen Fortschritts. Sobald Apple und Synchron eine verlässliche gedankengesteuerte Navigation und ein neues Standardprotokoll für die Kommunikation zwischen Gehirnimplantaten und Endgeräten Realität werden lassen, ist – trotz vieler technischer und regulatorischer Hürden – ein neuer Goldstandard für Brain-Computer-Interfaces wohl nicht mehr weit.

Laut den Analysten von Morgan Stanley könnten zunächst allein in den USA über 115 Millionen Patienten mit motorischen Einschränkungen von der neuen Hirn-Handy-Kommunikation profitieren. Von der medizinischen Notwendigkeit zum Gadget und einer neuen Bedienrealität für Consumer-Geräte ist es dann wahrscheinlich nur mehr ein Wimpernschlag – vielleicht wird Science Fiction noch dieses Jahr Realität.

Ihre Ute Häußler


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Apple Event | September 2025

Wieviel Gesundheit steckt in den neuen Wearables von Apple?

Medizin und Digitalisierung

TUM investiert massiv: München soll Medizinhauptstadt werden

Hard- & Software für Medtech-Entwickler

Embedded Medical: 5 Komponenten für die Medizingeräte von morgen

Von der Halbleiterbranche lernen

Biokonvergente Tools und KI werden die Biologie entschlüsseln

Philips Future Health Index 2025

Vertrauenslücke in der Medizin: KI braucht klare Verantwortung

Medtech-Material gibt Designfreiheiten

TPU-Folien für präzise und komfortable Medizin-Wearables

Weichenstellung zum Börsengang

Brainlab vor IPO: Snke-Abspaltung für mehr HealthTech-Innovation

Ressourcen, Regulatorik, Kompatibilität

Peripherals: Die Achillesferse medizinischer Komplettsysteme

Zeiss Meditec | Vom Sammeln zum Testen

Die Daten-DNA erfolgreicher Medizin-KI

Ausgabequalität von Displays erhöhen

Med-Screens: Hidden Champions auf Station

HMI im Blick des Patienten

Gekrümmte Deckgläser für schicke Medizindisplays

Trendstudie Sensorik

Smarte Sensoren für die Medizin von morgen

Bildverarbeitung für die Medizintechnik

»Jeder Brillenträger hat wohl schon in eine IDS-Kamera geschaut«

Das aktuelle Magazin und E-Paper

Die Elektronik medical, Ausgabe 3-2025

Biomarker per Periodenprodukt messen

Die Binde wird zum Teststreifen

Elektronik für die Zukunft der Medizin

Health Electronics Summit: Die Technologien für Digital Health

Fachbuch für Medizintechnik-Entwickler

Genau erklärt: Elektronik für Smart Health-Applikationen

Für Wearables und Fitnessarmbänder

Neuer KI-Chip erkennt Herzinfarkt vor dem Patienten

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Apple GmbH

Weitere Artikel zu Componeers GmbH

Weitere Artikel zu Medizintechnik