Microchip hat im März 2018 Microsemi übernommen. Markt&Technik sprach mit Steve Sanghi, President und CEO von Microchip, über kurzfristig auftretende Probleme, über Microchip 2.0 und wie es weitergehen soll.
Markt&Technik: Die Übernahme von Microsemi ist aus meiner Sicht etwas überraschend, denn beide Unternehmen sind mit unterschiedlichen Produkten in vollständig unterschiedlichen Märkten aktiv, die Kulturen sind vollkommen verschieden und billig war die Übernahme auch nicht. Welche Gründe haben aus Ihrer Sicht für die Übernahme gesprochen?
Steve Sanghi: Diese Übernahme muss man aus verschiedenen Perspektiven betrachten: Zielmärkte, Produkte, die Kultur der Mitarbeiter und finanzielle Hintergründe.
Schaut man auf die Endmärkte, ist klar, dass Microchip im Industrie-, im Automotive-Markt und im Consumer-Appliances-Umfeld stark ist. Dagegen spielen wir nur eine untergeordnete Rolle im Kommunikationsmarkt, bei den Datenzentren und wir haben auch nur einen vernachlässigbar kleinen Anteil in Aerospace/Defence. Aber genau in diesen Segmenten ist Microsemi stark. Durch die Kombination der beiden Unternehmen ist Microchip jetzt in sechs Märkten stark vertreten: Industrie einschließlich Medizintechnik, Automotive, Consumer-Appliances, Kommunikation, Datenzentren und Aerospace/Defence. Hinsichtlich der Endmärkte war die Übernahme also ein großer Erfolg.
Wenn man sich derzeit die Marktentwicklung anschaut, hat diese Kombination sogar noch zusätzliche Vorteile. Der Automotive-Markt schwächelt derzeit, aufgrund der WLTP-Probleme und den Problemen mit China. Der Industriemarkt zeigt sich ebenfalls schwach, aufgrund der Zoll- und Handelsprobleme. Für Consumer-Appliance gilt das Gleiche. Anders sieht es bei den Microsemi-Märkten aus: Die Nachfrage in Datenzentren ist mit Cloud und Hyperscaler sehr stark, die Kommunikation läuft wiederum dank 5G sehr gut und Aerospace/Defense ist stark, weil Trump die Verteidigung des Landes wieder aufbaut. Immer sind irgendwelche Märkte gerade schwach und andere stark, je breiter man aufgestellt ist, desto besser. Das war immer unser Ziel und mit Microsemi haben wir es erreicht.
Wenn es um die Produktlinien geht, stellt sich die Lage folgendermaßen dar: Microchip ist ein großer Player bei MCUs und Analog und auch in Bereich „Connectivity“ wie drahtlose Kommunikation, USB und Ethernet, sind wir gut vertreten. Durch Microsemi können wir beispielsweise jetzt auch FPGAs anbieten, die wir bislang nicht hatten.
FPGAs sind aber doch eine sehr spezielle Produktgruppe…
Ja, aber sie sind ebenfalls programmierbar und benötigen somit ähnliche Skills wie unsere programmierbaren Komponenten. Unternehmen wie Xilinx und Intel/Altera emulieren Mikrocontroller innerhalb der FPGAs. Wir bieten jetzt beides. Außerdem gibt es viele Kunden, die FPGAs nutzen. Microsemi ist der dominierende Anbieter von Flash-basierenden FPGAs für den Aerospace/Defence-Sektor mit seinen strahlungsfesten Komponenten, das sind sehr gute Produkte mit sehr guten Margen.
Dazu kommen aber noch andere wichtige Produktgruppen, die wir erst durch die Übernahme von Microsemi jetzt auch richtig anbieten können: zum Beispiel diskrete Komponenten, angefangen bei Dioden über MOSFETs bis hin zu IGBTs, beides ebenfalls in SiC-Technologie. E-Mobilität braucht SiC und das haben wir dank Microsemi jetzt auch im Produktspektrum. Außerdem sitzt auf jedem unserer MCU-Sockets jede Menge diskreter Komponenten, so dass wir jetzt mehr Produkte an dieselben Kunden verkaufen können.
Darüber hinaus erweitern die Microsemi-Komponenten aber auch unser eigenes Angebot in einigen Bereichen, beispielsweise mit Low-Power-Wireless-Komponenten, Analog- und Power-Management-Produkten oder Ethernet-ICs.
Und Microsemi führt PCIe-Produkte im Portfolio. Heute werden über diesen Standard Server verbunden, dieselbe Technik wollen aber auch die Automobilhersteller nutzen, um die benötigten höheren Datenraten zum Beispiel beim autonomen Fahren zu realisieren. Wir arbeiten mit verschiedenen OEMs, um die PCIe-Technologie aus dem Server-Bereich in den Automotive-Markt zu bringen. Also auch in Hinblick auf das Produktspektrum ist die Übernahme von Microsemi ein Erfolg auf ganzer Linie.
Und jetzt zur Kultur: Sie haben Recht, dass die Kulturen sehr unterschiedlich sind. Aber dasselbe galt auch für Atmel. Wir haben schon viele Firmen übernommen und herausgefunden: Wenn man das Management ersetzt, wird unsere offene Kultur für die große Mehrheit der Mitarbeiter als Bereicherung gesehen.