Vor genau 100 Jahren gelang es, die wesentlichen Elemente zusammenzubringen, um die Quantenmechanik konsistent zu beschreiben, Grund genug, das »Internationale Jahr der Quantenphysik« zu feiern – zu einem Zeitpunkt, an dem die Quantentechnologien so richtig in unser aller Leben eingreifen.
Mit am bekanntesten ist die Entdeckung der Matrizenmechanik von Werner Heisenberg, die der damals 23-jährige sehr spannend in seiner Autobiographie aus dem Jahre 1963 geschildert hat. Danach kam er während eines einsamen Aufenthalts auf Helgoland im Juni 1925 auf die entscheidende Idee. Ganz wesentlich war, dabei, dass er Begriffe der klassischen Mechanik wie Ort und Bahn aufgab und nur noch von beobachtbaren Größen sprach, die er miteinander in Beziehung setzen wollte, eben über die Matrizenmechanik, die er damals noch nicht so nannte.
Sie vollständig auszuformulieren war nicht das Werk von Heisenberg allein (die Helgolandgeschichte hat wohl niemals ganz so stattgefunden wie in der Autobiographie beschrieben), sondern von vielen heute berühmten Physikern und Mathematikern, die an der Jahrhundertaufgabe Quantentheorie schon länger zusammenarbeiteten und das ganz besonders intensiv im Jahr 1925 taten, besonders in Göttingen und Kopenhagen. Im Bereich der Theorie von Heisenberg trugen die Diskussionen zwischen ihm, Max Born und Pascual Jordan ganz entscheidend dazu bei, die schließlich erste konsistente Formulierung der Quantenmechanik auf Basis der Matrizenmechanik auszuarbeiten, die ebenfalls 2025 erschien – und Werner Heisenberg 1932 den Nobelreis in Physik einbrachte.
Doch worin bestand das Problem, das Heisenberg und die anderen Physiker lösen wollten? Dass die Energie in kleine Mindestportionen auftritt, hatte schon Planck bemerkt und nannte diese Portionen »Quanten«.
Niels Bohr stellte 1913 ein Atommodell auf, nach dem die Elektronen sich nur in ganz bestimmten Bahnen um den Atomkern bewegen dürfen. Die Elektronen können durch äußere Energie angeregt werden und springen dann auf eine höhere Bahn mit höherem Energieniveau. Springen sie in den ursprünglichen Zustand zurück, so sendet das Atom Licht aus, dessen Energie der Energiedifferenz zwischen den Bahnen entspricht – in Quanten. Die Bahnen der Elektronen müssen also stabil sein – was ganz und gar im Gegensatz zur Theorie von Maxwell steht, nach der beschleunigte Ladungen elektromagnetische Wellen aussenden und an Energie verlieren: Das Elektron müsste in Sekundenbruchteilen in den Atomkern stürzen.
Das Modell funktionierte mit den ad-hoc-Annahmen leidlich, Arnold Sommerfeld baute es in München weiter aus, bei dem Heisenberg promovierte. Aber es erklärte nicht viel. Das wollte Heisenberg ändern und es gelang recht gut – wenn auch immer wieder die Frage auftaucht, was das ganze eigentlich bedeutet: Dass eine Theorie auf Basis abstrakter Mathematik funktioniert, ist das eine. Aber verstehen wir deshalb auch, wie die Welt wirklich funktioniert?
Außerdem waren Heisenberg und die Verfechter der Matrizenmechanik nicht die einzigen, die die Quantenmechanik erklären wollten. Im selben Jahr 2025 veröffentliche Erwin Schrödinger seine Wellengleichung, und erhob ebenfalls den Anspruch, damit eine vollständige Beschreibung der Quantenphänomene erstellt zu haben. Max Born interpretierte die Schrödinger-Gleichung dahingehend, dass das Quadrat ihres Absolutwertes die Wahrscheinlichkeitsdichte angibt, also die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Elektron an einem bestimmten Ort gemessen wird. Das ist die »Kopenhagener Interpretation« der Quantenmechanik.
Eine feste Elektronenbahn existiert also nicht in dem Sinne, wie eine Planetenbahn um die Sonne existiert. Das gilt für alle Teilchen, die den Regeln der Quantenmechanik unterworfen sind, also für die Welt »im Kleinen«.
Doch wo hört »klein« (Quantenmechanik) auf und wo fängt »groß« (klassische Physik) an? (2019 hat Markus Arndt von der Universität Wien gezeigt, dass ein Molekül aus 2000 Atomen mit der 25.000fachen Masse des Wasserstoffatoms sich nach den Gesetzen der Quantenmechanik verhält!). Die Diskussionen um die richtige Interpretation der Quantenmechanik halten bis heute an.
Eines steht aber fest: Im Rahmen der Quantenmechanik können nicht mehr deterministische Aussagen getroffen werden wie in der klassischen Mechanik – genau an dem Ort zu dieser Zeit wird eine Sonnenfinsternis eintreten – sondern »nur noch« Wahrscheinlichkeitsaussagen dafür, dass ein Ereignis eintreffen wird.
Nach der »Kopenhagener Interpretation« löst der Messvorgang den Kollaps der Wellenfunktion aus: Das Teilchen befindet sich plötzlich nicht mehr in einem überlagerten Zustand im abstrakten mathematischen Raum, sondern an einem bestimmten Ort in der Realität. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es an einer bestimmten Selle auftaucht, kann berechnet werden.
Diese Art von Wahrscheinlichkeit war doch von einem anderen Kaliber als die Wahrscheinlichkeit, die in der Physik bis dahin akzeptiert war, etwa in der statistischen Mechanik. Viele der klügsten Köpfe wollten daran nicht glauben, allen voran Einstein mit seinem berühmten Ausspruch »Gott würfelt nicht!«
Viele der Zweifler waren mit Einstein überzeugt, dass die Quantenmechanik unvollständig sei und dass es in ihr versteckte Variable gibt, die bei einer noch zu schaffenden, umfangreicheren Theorie zum Vorschein kämen und den Determinismus retten könnten.
Und neben vielen weiteren Rätseln tauchte 2025 ein ganz offensichtliches auf: Die Wellengleichung auf Grundlage der Infinitesimalrechnung von Schrödinger und die im Rahmen der linearen Algebra mit Tensoren und Vektoren arbeitende Matrizenmechanik von Heisenberg scheinen auf dem ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben – liefern aber dennoch sehr präzise Ergebnisse.
Dass beide Formulierungen sehr wohl etwas miteinander zu tun haben und mathematisch äquivalent sind, hatte schon Schrödinger vermuted. John von Neumann (ja, der mit der berühmten Prozessor-Architektur, auf deren Grundlage auch heute noch die meisten Computer arbeiten) konnte es 1932 mathematisch beweisen. Er ging nach seiner Promotion in Mathematik und in Chemie zu David Hilbert nach Göttingen und hat maßgebliche Beiträge zur Quantentheorie geleistet. Unter anderem geht der Hilbert-Raum, in dem die Mathematik der Quantenmechanik sich abspielt, auf ihn zurück. Außerdem hat von Neumann eines der wichtigsten Lehrbücher zur Quantentheorie geschrieben, das für Jahrzehnte gültig blieb: »Die mathematischen Grundlagen der Quantenmechanik«.
In diesem Werk ging er auch auf das Problem der »versteckten Variablen« ein, und meinte gezeigt zu haben, dass sich in der Quantenmechanik keine Variablen verstecken können – Problem gelöst.
Doch schon 1935 wies die deutsche Mathematikerin Grete Hermann nach, dass von Neumanns Argumente nicht überzeugen konnten – ohne allerdings damit auf breiteres Echo zu stoßen. (Nebenbei: Grete Hermann hatte bei Emmy Noether promoviert, die Dank der Protektion ihres Doktorvaters David Hilbert trotz starker Opposition der Herren Mathe-Profs in Göttingen zur ersten Mathematik-Professorin in Deutschland aufsteigen konnte.)
Erst John Bell zeigte unabhängig von Grete Hermann mit seinem Theorem 1964, dass keine physikalische Theorie mit verborgenen lokalen Variablen jemals alle Vorhersagen der Quantenmechanik reproduzieren kann, der Determinismus der klassischen Physik also die Quantenmechanik nicht beschreiben kann. Er führte ein Verfahren ein, mit dem die bis dahin als philosophische angesehene Frage nach den versteckten Variablen theoretisch gemessen werden konnte. In der Praxis gelang dies Alain Aspect, John Clauser und Anton Zeilinger am Beispiel verschränkter Photonen, wofür sie 2022 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Doch dazu später.
Denn das hat jetzt nicht mehr viel mit dem Jahr 1925 zu tun, zu dem noch vielmehr zu sagen wäre. So zeigten 1925 George Uhlenbeck und Samuel Goudsmit, dass das Elektron einen Spin hat, der ihm ein magnetisches Moment verleiht. In Wien formulierte Wolfgang Pauli 1925 sein Ausschlussprinzip: Keine zwei Elektronen in einem Atom können dieselben Quantenzustände besetzen. Albert Einstein und Satyendra Nath Bose entwickelten 1925 die Bose-Einstein-Statistik, die das Verhalten von Bosonen bei tiefen Temperaturen beschreibt. Parallel dazu legten Paul Dirac und Enrico Fermi die Grundlagen zu ihrer Fermi-Dirac-Statistik, die 1926 in ihre endgültige Form gebracht wurde.
Das Jahr 1925 war also wie ein Brennglas: Plötzlich fügten sich die Beobachtungen und Theorien, die über mehr als zwei Jahrzehnte zuvor gesammelt wurden, zu einem größeren Ganzen: Die Grundlagen der Quantentheorie wurden zu einem Großteil in diesen zwölf Monaten geschaffen.
Leider konnte vieles, was untrennbar zur Quantenmechanik gehört, hier nicht erwähnt werden, die Begriffe »Superposition« und »Verschränkung« wurden nur angerissen, Begriffe, die ebenfalls elementar wichtig waren, um der Quantenmechanik den Weg in reale Anwendungen zu öffnen und die jetzt im Zuge der Entwicklung von Quantencomputern wieder eine wesentliche Rolle spielen, um mit »Qubits« rechnen zu können.
Doch sind Quantencomputer bei weitem nicht die ersten Anwendungen der von Vielen als so unverständlich angesehenen Quantenmechanik. Die meisten sind sich gar nicht darüber im Klaren, wie viel Quantentechnologien sie heute bereits in ihrem Arbeitsumfeld, in ihrer Freizeit und zu Hause in Consumer-Produkten nutzen.
Um nur zwei davon zu nennen: Ohne Quantenmechanik kein Laser, der aus unterschiedlichen Anwendungsgebieten nicht mehr wegzudenken ist. Auch die NAND-Flash-Speicher in unseren Smartphones würden ohne den quantenmechanischen Tunnel-Effekt nicht arbeiten können.
Inzwischen haben in vielen Bereichen die Ingenieure die Weiterentwicklung der Quantentechnologien übernommen. Sehr früh begann das beispielsweise, als die Laser ihren Siegeszug antraten. Und sehr früh wurde das in München erkannt, als die dortige Messegesellschaft im Jahr 1973 die »Laser – World of Photonics« ins Leben rief – zu einem Zeitpunkt, als der Siegeszug des Lasers noch längst nicht abzusehen und von viele Experten ernsthaft bezweifelt wurde.
Quantentechnologien und Laser hatten also schon damals sehr viel miteinander zu tun – und auch heute, wo die Einwicklung von Quantenprozessoren und Quantencomputern den rein akademischen Bereich verlässt und ein Teil der Ingenieurswissenschaften wird, spielen Laser eine herausragende Rolle. Einer der Pioniere, der die Voraussetzungen dazu lieferte, war der oben erwähnte Experimentalphysiker und Nobelpreisträger Anton Zeilinger. Wie auch immer die Hardware-Plattformen aussehen, auf deren Basis künftige Quantencomputer arbeiten werden – spezielle Laser sind elementar wichtig, damit sie funktionieren können.
Deshalb hat die Messe München 2022 die Messe »World of Quantum« parallel zur »Laser - World of Photonics« veranstaltet, die sich ausschließlich auf die aufstrebenden Quantentechnogien – von der Quantenverschlüsselung über die Quantenkommunikation bis zu Quantencomputern – konzentriert. Im internationalen Jahr der Quantenphysik findet sie zum dritten Mal in München statt. Und wer weiß, vielleicht wird sie genauso erfolgreich wie es die »Laser - World of Photonics« in ihrem Sektor immer noch ist.