Interview mit Infineons CEO Dr. Reinhard Ploss

»Let's do it«

18. Februar 2016, 8:50 Uhr | Frank Riemenschneider
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Fortsetzung des Artikels von Teil 4

»Normen setzten sich durch Nutzung und nicht durch Zertifizierungsgremien durch.«

Wenn Sie den Automatisierungsgrad Ihrer weltweiten Standorte vergleichen, wie stehen Sie wo?

Ploss: Dresden ist am weitesten automatisiert, das Testfeld in Singapur etwas weniger, und in Villach machen wir wesentliche Schritte nach vorne. Wir können schon heute eine ganze Reihe von Daten durch die ganze Wertschöpfungskette verfolgen und machen sehr umfängliche statistische Analysen aus den elektrischen Messwerten. Wir können damit Rückschlüsse ziehen, wo im Fertigungsfluss Verbesserungen notwendig sind und sogar beim Design feststellen, wo es Stärken und Schwächen hat. Unser Ziel ist es, schneller lernen zu lernen.

Haben Sie da ein konkretes Beispiel?

Ploss: Nehmen Sie Veränderungen bei den Materialien. Früher hatten Chips Alupads, an die Golddrähte angeschlossen wurden. Alles kein Problem. Alu ist weich, Gold hat immer eine saubere Oberfläche. Heute bonden wir Kupferdrähte auf Kupferschichten, was nicht trivial ist, weil Kupfer stark oxidiert. Wie macht man so etwas? Das bei hoher Zuverlässigkeit hinzubekommen, benötigt schnelle Lernzyklen inklusive Entwicklung an unterschiedlichen Standorten und neuen Methoden für die Prozessautomatisierung.

Wie passen die chinesischen Aktivitäten mit Industrie 4.0 und dem amerikanischen Industrial-Internet-Consortium (IIC) zusammen? Immerhin gibt es schon eine Standard-IoT-Referenzarchitektur aus China …

Ploss: Das ist sicher einfacher für uns als für unsere Kunden. In unseren eigenen Fertigungen haben wir die Entscheidungshoheit zu Industrie 4.0. Was unsere Komponenten angeht, arbeiten die ja – abgesehen von der IT-Sicherheit – weitestgehend standardunabhängig, da die Kommunikation der Maschinen untereinander in der Software oder den Schnittstellen abgebildet wird. Was uns angeht, sind wir bei der IT-Sicherheit interessiert, an geeigneten Normen mitzuwirken. Ich denke, das einzig wirklich sichere Sicherheitselement in der vernetzten Welt ist ein Hardware-Anker, auf den man weitere vertrauenswürdige Elemente aufsetzen könnte.

Da ist Europa doch meilenweit hinterher, oder etwa nicht?

Ploss: So drastisch würde ich die Situation nicht beschreiben. Europa – gerade Deutschland – genießt ein hohes Ansehen bei der Sicherheit. Es ist allerdings schade, dass wir hier nicht schneller vorankommen. Wie bei beim Mobilfunkstandard GSM seinerzeit gäbe es heute die Chance, intrinsisch normierend zu wirken.

Wo konkret würden Sie sich noch wünschen, dass Deutschland schneller wird?

Ploss: Bei der systemischen Ausgestaltung – speziell etwa bei der IT-Sicherheit. Man kann sagen: Globale Normen setzten sich durch Nutzung und nicht durch Zertifizierungsgremien durch. Mir wäre es wichtig, dass wir eine normative Kraft haben, die sich entweder aus einzelnen starken Global Playern oder aus Konsortien ergibt. Deutschland hat zwar in der Software etwa mit SAP durchaus starke globale Spieler. Doch insgesamt ist die Software-Kompetenz nicht mehr sehr umfassend – da ist übrigens neben den immer öffentlich diskutierten USA auch China schneller. Deshalb haben wir dort, sagen wir, einen Orchestrierungsbedarf.

Wer soll den Dirigenten spielen?

Ploss: Es ist natürlich die Verantwortung der Industrie, das zu entwickeln. Die Politik könnte durch geeignete Förderinstrumente jedoch große Hilfen geben. Man muss bedenken, dass man im wettbewerbsnahen Bereich Handlungssicherheit bekommt, und da ist die Politik gefordert.


  1. »Let's do it«
  2. »Bei Akquisitionen muss man frühzeitig Klarheit für die Mitarbeiter schaffen.«
  3. GaN- und SiC-Technologien
  4. Keine »chinesische Firma mit Hauptsitz in Neubiberg«
  5. »Normen setzten sich durch Nutzung und nicht durch Zertifizierungsgremien durch.«
  6. »Wir müssen den Politikern interessante Geschichten liefern.«

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