Die Beschäftigten des übernommenen Unternehmens schauen in der Regel sorgenvoll in die Zukunft. Wie haben Sie es geschafft, dass IR-Mitarbeiter in Kaliforniern so positiv über den Zukauf sprechen?
Ploss: Da kommen mehrere Sachen zusammen. Zum einen unser USA-Chef Robert LeFort, der ja schon von 2000 bis 2006 bei Infineon war. Er kennt daher unsere Kultur in Deutschland sehr gut und bringt gleichzeitig das Verständnis für die amerikanische Kultur mit. Er war der Wandler oder auch Vermittler zwischen den Welten. Wir haben außerdem unsere Führungskräfte sehr früh eingebunden. Wir haben uns Zeit dafür genommen, darüber nachzudenken, was die geeigneten Strukturen sind und wie wir die Veränderungen am besten managen. Und wir hatten auch sehr früh Reviews mit den IR-Managern, um ihnen die Wertschätzung des Vorstandes zu zeigen.
Nichtsdestotrotz gibt es auch die einen oder anderen Verlierer …
Ploss: Wichtig ist, früh Klarheit zu schaffen. Unklarheit ist am schlimmsten, endlose Diskussionen zermürben die Menschen. Desto besser also, je eher man sagt, ob jemand auf jeden Fall dabei ist, unter bestimmten Bedingungen, noch eine gewisse Zeit oder auf jeden Fall nicht mehr.
Sie haben sich nach meinen Informationen auch persönlich engagiert, sind am Tag 1 rübergeflogen, haben Welcome-Packages verteilt und diese sogar signiert …
Ploss: (winkt ab) Ach so, ja … Da muss sich der Vorstand natürlich persönlich engagieren. Ebenfalls sehr gut war, dass die Mitarbeiter von Infineon weltweit auf die neuen Kolleginnen und Kollegen zugegangen sind. So wurde ein Welcome-Video aufgenommen, an dem sich viele Standorte beteiligt haben und das auf den Betriebsversammlungen und im Intranet zu sehen war.
Ihren Führungskräften haben Sie aber auch einiges dabei abverlangt: Die habe ich teilweise nur noch auf Flughäfen in den USA und Asien angetroffen. Wie passt das mit der Work-Life-Balance zusammen, die Sie immer gerne für Infineon proklamieren?
Ploss: Die Begeisterung selbst hat viele Mitarbeiter getragen. In der Tat haben sich eine ganze Reihe der Führungskräfte weit über das normale Maß eingebracht. Aus meiner Sicht sind aber auch die Auszeiten wichtig. Keiner im Führungskreis musste seinen Urlaub verfallen lassen – und ich rufe übrigens auch niemanden am Wochenende an …
…wenn nicht ein ganz wichtiger Kunde mit einem ganz dringendem Anliegen anklingelt?
Ploss: (lacht) Ja, natürlich kann es Ausnahmesituationen geben. Aber man muss auch mal Ruhe geben. Es gab und gibt Kunden, denen sind Weihnachten und Wochenende Fremdwörter. Wenn das zur Regel wird, ist es nicht gut, weil die Leistungsfähigkeit nicht ansteigt.
Zurück zu IR. Sie haben schon heute einen höheren Marktanteil, als Infineon und IR vor dem Kauf zusammen hatten. Worauf führen Sie das zurück?
Ploss: Wir wachsen in einigen Bereichen deutlich schneller als der Markt, in den übrigen zusammen mit dem Markt. Dabei unterstützt teilweise die Verstärkung durch IR für das gemeinsame Unternehmen, im Chipkarten-Geschäft sind wir ohne einen Effekt durch IR sehr erfolgreich.
Im März haben Sie mit Panasonic ein Dual-Source-Abkommen zum Thema Galliumnitrid abgeschlossen. Wie passt das denn dazu, dass Sie doch jetzt eine eigene GaN-on-Si-Plattform im Hause haben?
Ploss: Das passt sogar sehr gut. Panasonic hat nämlich eine Normally-off-Technologie und IR hat im Grunde Normally-on. Wie wir auch aus anderen Themen wissen, bevorzugt der Markt Normally-off-Bauelemente. Wir werden zukünftig einen Fokus auf Normally-off setzen. Mit Panasonic und dem Know-how von IR haben wir eine ganz signifikante Beschleunigung bei der Markteinführung.
Was ist dann der Mehrwert von IR, wenn der Markt die Produkte nicht will und Sie andere Transistoren bauen müssen, wenn auch auf derselben Technologie-Plattform?
Ploss: Mit IR haben wir einen großen Schritt bei dem Grundmaterial nach vorne gemacht, nämlich bei der Galliumnitrid-auf-Silizium-Epitaxie. Die Fähigkeit, monokristalline Schichten auf Silizium abzuscheiden, ist ganz entscheidend. Man könnte das zwar auch kaufen, aber die Bauelemente leben von einer guten Anpassung dieser Schichten. Dazu kann man IRs Erfahrungen aus dem GaN-Bereich in den Applikationen 1:1 auch auf andere Transistoren übertragen. IRs Technologie ist das Fundament, worauf wir dann Normally-off- und Normally-on-Häuser bauen können.