GlobalFoundries in Dresden

»Automotive steht im Zentrum unseres Denkens!«

15. Oktober 2023, 8:30 Uhr | Heinz Arnold
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Technology Summit Europe von GlobalFoundries in München

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Nicht die Elektrifizierung und nicht das zumindest teilautonome Fahren sind das wirklich Neue; die Revolution besteht darin, dass die Autos zu vernetzten Einheiten werden, mit jeweils Hunderten von Sensoren ausgestattet«, erklärte GF-CEO Thomas Caulfield auf dem Technology Summit Europe von GlobalFoundries in München. Das freut ihn, nicht nur, weil die Sensoren die vielen Daten liefern, die dann in die Cloud wandern, um dort zu Trainingszwecken im Machine-Learning verwendet zu werden.

Was ihn viel mehr in Hochstimmung versetzt, ist die Tatsache, dass die Inferenz gerade nicht in der Cloud stattfindet. Denn für die Inferenz die Daten von der Cloud hin und her zu schicken, das wäre vollkommen unwirtschaftlich. Deshalb geht seit einiger Zeit der Trend dahin, die Edge-Devices – und eben auch das Auto – in die Lage zu versetzen, die Inferenz selber vor Ort durchzuführen. »KI in der Edge« lautet das Schlagwort dafür.

Weshalb sich Thomas Caulfield darüber freut: GlobalFoundries entwickelt die Prozessplattformen, um genau die Chips herzustellen, die dazu unter anderem im Auto gebraucht werden. Nicht die jeweils neusten Prozessknoten sind dafür erforderlich, sondern die etwas entspannteren Geometrien der Mainstream-Prozesse genügen dafür. Allerdings hat GlobalFoundries sie mit vielen spezifischen Besonderheiten ausgestattet, die es den Kunden ermöglichen, die unterschiedlichen Chips auf den verschiedenen Prozessplattformen genau mit den Eigenschaften auszustatten, die sie für ihre jeweiligen Aufgaben benötigen – und sie von denen des Wettbewerbs zu differenzieren.

Zwar ist er überzeugt, dass die KI nicht nur die Autos, sondern die gesamte Industrie revolutionieren werde. Damit will er aber nicht der heute üblichen KI-Euphorie das Wort reden: »Die Chancen der KI werden kurzfristig übertrieben, langfristig aber unterschätzt.« Es herrsche die irrtümliche Meinung vor, die KI-Revolution werde von der Cloud getrieben. »Vielmehr sind die Anwendungen in der Edge der Treiber. ChatGPT hat der Öffentlichkeit nur gezeigt, welche Leistungsfähigkeit in KI steckt. Es wäre aber falsch zu meinen, dass KI nur auf Basis von Supercomputern und Super-CPUs in der Cloud abläuft!«

Thomas Caulfield, CEO von GlobalFoundries
Thomas Caulfield, CEO von GlobalFoundries.
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Um zu erklären, was er damit meint, hat er ein Drei-Ebenen-Modell entwickelt: die Digitalisierung, die Connectivity und die Cloud. Auf der digitalen Ebene werden die analogen Daten über Sensoren aufgenommen und so umgesetzt, dass sie sich digital weiterverarbeiten lassen. Außerdem müssen die Geräte untereinander vernetzt sein – ohne die Connectivity kann das System nicht funktionieren. Die Cloud bildet die dritte Ebene, die im KI-Umfeld – wie schon gesagt – vor allem für Trainingszwecke erforderlich ist.

Alle drei Ebenen zusammen treiben einen positiven Kreislauf an, den die Connectivity beschleunigt: Das Netz ist jetzt der Computer, angetrieben durch die Intelligenz in der Edge. Das Ganze wird von Hyperscalern monetarisiert.

Die schöne Nachricht für GlobalFoundries: Auf jeder der drei Ebenen wird die Nachfrage nach Chips kräftig steigen. »Es werden sicherlich auch mehr Super-CPUs für die großen Rechenzentren benötigt, aber bei Weitem nicht nur.« Denn die mithilfe der neusten Prozesstechnologien gefertigten High-End-ICs benötigen in ihrem Umfeld eine Vielzahl von Chips, auf deren Fertigung sich GlobalFoundries spezialisiert hat: ab Strukturgrößen von 12 nm an aufwärts, also eher ausgereifte Prozesse, die aber über vielfältige zusätzliche Funktionalitäten verfügen. »Ich bin überzeugt, die KI ist für unsere Industrie das, was die Smartphones in den 2000er-Jahren waren; nach der Smartphone-Welle kommt jetzt die »IoT und KI in der Edge«-Welle. KI werde deshalb die vorhergegangenen Wellen nicht ablösen, sondern setzt auf den bereits geschaffenen Infrastrukturen auf.

Dabei komme es für alle Edge-Geräte vor allem auf eine möglichst geringe Leistungsaufnahme an: »Sie ist überhaupt alles, der gesamte sich selbst verstärkende positive Kreislauf steht und fällt mit der Fähigkeit, die Leistungsaufnahme weiter reduzieren zu können.«

Die Chancen der KI werden kurzfristig übertrieben, langfristig aber unterschätzt. Denn nicht KI in der Cloud, sondern KI in der Edge treibt die KI-Revolution
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Genau daraufhin hat GlobalFoundries die Prozesse ausgelegt. So weisen die mithilfe des ständig weiterentwickelten 22FDX-Prozesses (22 nm FD-SOI) hergestellten Transistoren eine sehr geringe Leakage auf, sodass sich eine sehr hohe Schalteffizienz ergibt. Die ebenfalls neue Automotive-Plattform 22FDX+ steigert die Performance der Chips um 10 Prozent bei einer um 20 Prozent reduzierten Leistungsaufnahme. Die SRAM-Zellen bringen eine um 60 Prozent reduzierte Leakage bei einer Junction-Temperatur von 150 °C.

Darüber hinaus stattet GlobalFoudries die Prozesse mit verschiedenen Zusatzfunktionalitäten aus: »So können wir beispielsweise sehr gute Power-Management-Chips herstellen, die erheblich dazu beitragen, die Effizienz in Rechenzentren zu steigern. Wir haben Prozesse, die speziell auf effektive HF-Komponenten zugeschnitten sind, denn wie gesagt, auf die Vernetzung kommt es an, von Bluetooth und NFC im Nahbereich über WiFi bis zu den Telekommunikationsstandards.«

Relativ neu ist das Beispiel der photonischen ICs. Hier kombiniert GlobalFoundries den CMOS-RF-Prozess mit optischen Komponenten, was auch unter dem Namen Silicon Photonics bekannt ist. »Wir nutzen nicht mehr die Elektronen, sondern die Photonen zur Datenübertragung. Das reduziert gegenüber Kupfer die Leistungsaufnahme um den Faktor 5, während die Bandbreite um den Faktor 2 steigt«, so Caulfield. Das sei für die Datenübertragung in den großen Datenzentren besonders interessant, hier entstehe ein neuer Markt.

Zurück zu den Autos, die laut Caulfield die Nachfrage nach Chips in den kommenden Jahren kräftig nach oben treiben werden. Zwar wächst der Absatz von Autos derzeit, aber mit einem Plus von weltweit 87 Mio. Einheiten 2023 auf 100 Mio. Einheiten bis 2028, mit dem Marktforscher rechnen. Doch diese Zunahme ist sekundär. Denn der Halbleiter-Content pro Auto steigt rapide: von 66 Mrd. Dollar in diesem Jahr auf 114 Mrd. Dollar 2028. Werden in diesem Jahr Chips im Wert von 750 Euro pro Auto verbaut, so werden es 2028 wohl 1250 Dollar sein.

Weil Caulfield also mit einem riesigen Nachfrageanstieg nach Automotive-Chips rechnet, hat GlobalFoundries die Kapazität kräftig ausgebaut. Allein über die letzten drei Jahre wurde die Kapazität der Fab in Dresden von 300.000 Wafern pro Jahr auf 850.000 Wafer pro Jahr fast verdreifacht. Der Automotive-Anteil in Dresden ist von anfangs 1 Prozent auf 20 Prozent gestiegen. »Automotive steht im Zentrum unseres Denkens«, sagte Manfred Horstmann, Senior Vice President von GlobalFoundries und Geschäftsführer des Standorts in Dresden. Bis 2030 will Caulfield die Kapazität in Dresden noch einmal verdoppeln. Wofür er, nebenbei bemerkt, eine ähnlich hohe Förderung erwartet, wie sie TSMC in Dresden gewährt wird.

Lob erhielt er von Karsten Schnake, Einkaufsvorstand von Skoda und Head of Project Compass von Volkswagen: »Sie haben die Erhöhung der Kapazität versprochen und Sie haben geliefert«, erklärte er auf dem GF Technology Summit in München. Die langfristig sichere Versorgung werde die größte Herausforderung sein. »Das können wir nicht den Tier-Zulieferern überlassen, wir müssen deshalb die Halbleiter und unsere Partner verstehen und Transparenz in der Lieferkette schaffen. Wie können wir sie so managen, dass es für alle Partner vorteilhaft ist?« Und er folgert: »Wir dürfen keine Bauelemente in unseren Autos finden, die wir nicht freigegeben haben und von denen wir nicht wissen, wo sie herkommen.«

Im Rückblick auf die Krisenjahre habe man gelernt, dass es auf die persönlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten in der Lieferkette ankomme, »da sind wir geweckt worden. Wir müssen mehr Zeit mit unseren Geschäftspartnern verbringen!«

Es war interessant, dass ein Vertreter der Autohersteller auf dem GF Technology Summit derart harmoniebedacht sprach, sodass nicht nur Caulfield, sondern auch Jean-Marc Chery, CEO von STMicroelectronics, und Peter Schiefer von Infineon nur zustimmen konnten.

Das hatte vor wenigen Monaten auf dem GSA European Executive Forum an gleicher Stelle in München noch deutlich anders ausgesehen: Dort sind die Vertreter der OEMs in ihren Reden recht ruppig mit ihren »Partnern« aus der Halbleiterindustrie umgegangen und hatten sie eher irritiert zurückgelassen.

Doch werden die Endanwender tatsächlich tun, was die Analysten erwarten, und die Autos in den prognostizierten Zahlen kaufen? Diese Frage hat sich offenbar auch der Division President Automotive von Infineon, Dieter Schiefer, gestellt. Er beantwortete sie auf dem GF Technology Summit gleich selbst: »Die Elektronik muss das Auto sicherer denn je machen, und die allerwichtigste Frage des Nutzers ist: Kann ich der Technik vertrauen?«

Wenn die Technik auch nur kurzzeitig versagt, wenn die Einparkfunktion sporadisch nicht funktioniert, ist das Vertrauen dahin. Die Elektronik muss also zu 100 Prozent verlässlich sein. »Für uns bedeutet das, höchste Qualität und die sehr anspruchsvolle funktionale Sicherheit für die Halbleiter zu gewährleisten«, so Schiefer.

Auch Caulfield gab sich harmoniebetont und lernbereit: »Was uns bis hierher gebracht hat, wird uns nicht in die Zukunft führen.« Dazu würden neue Partnerschaften gebraucht, allein schon, um die Innovationen zu schaffen, auf die die unmittelbaren Kunden wie ST und Infineon warten und die die OEMs und ihre Zulieferer so dringend benötigen. »Dank unseren Partner wie Imec haben wir mehr wissenschaftliche Arbeiten pro Kopf publiziert als alle Wettbewerber.«

Jean-Marc Cherie erwähnte im Zusammenhang mit neuen Partnerschaften die neue Fab in Crolles, die GlobalFoundries und STMicroelectronics gemeinsam bauen: »Wir kooperieren, obwohl wir auch im Wettbewerb stehen. Das geht.«

Alle Sprecher auf dem GF Technology Summit schienen darin übereinzustimmen, »dass die wesentlichen Innovationen künftig in der Elektronik stattfinden werden. Die fruchtbare Kooperation zwischen der Halbleiter-Industrie und den Automotive-Unternehmen wird deshalb der Schlüssel zum Erfolg sein«, wie Peter Schiefer in seiner Präsentation erklärte. Um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen, aber auch, um die großen Chancen, die sich der Industrie über IoT und KI bieten, nutzen zu können. Jetzt müssen den schönen Worten nur noch die Taten folgen.


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