Radarsensoren

Mehr sehen als mit Licht

9. Juli 2018, 13:50 Uhr | Dr. Ahmad Bahai
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Einfach zu skalieren

Radar wurde bereits auf die vielfältigste Weise eingesetzt. Radar mit stark fokussierter Keule und großer Reichweite verlangt nach einer anderen Antennenkonfiguration und höherer Leistung. Zum Beispiel sind Radarsysteme von Fahrassistenzsystemen mit mittlerer bis großer Reichweite in der Lage, Objekte in bis zu 250 m Entfernung mit einer Genauigkeit im Millimeterbereich zu detektieren. Ein Radarsensor-SoC von TI für kürzere Distanzen und mit einer breiteren Keule dagegen kann für Näherungssensoren genutzt werden, wie etwa zum Erkennen von Objekten in der Nähe des Autos oder für die Füllstandsmessung in industriellen Anwendungen.

Ein Radarsystem detektiert Objekte in drei Dimensionen, nämlich Entfernung, Geschwindigkeit und Winkel. Die Winkelauflösung eines Radarsystems wird von der Apertur der Antenne bestimmt, und die Verwendung mehrerer Antennen an einem Radarmodul kann die Winkelauflösung verbessern. Durch die Skalierbarkeit der Sendeleistung, des Signalverlaufs, der Antennen-Anzahl und der Verarbeitungsleistung sind die Radarsensor-SoCs von TI für ein weites Anwendungsfeld geeignet.

Kombiniert mit leistungsfähiger Signalverarbeitung in der Edge, mit leistungsstarken Prozessoren, die Rechenleistung für Daten-Analytik, Mustererkennung und weitere KI-Algorithmen bereitstellen, sind komplexe Anwendungen möglich. Beispiele für diese Edge-Verarbeitung sind ein Roboterarm, der seine Sensordaten lokal verarbeiten kann, ein Radarsystem, das parallel zu einem Lidarsystem die Bildverarbeitung lokal übernehmen kann, sowie ein Radar-Spektroskopiesensor, mit dem sich gefährliche Zustände in einem industriellen Tank feststellen lassen.

Messfunktionen: Zeit, Frequenz und Raum

Abgesehen von der Laufzeit des Signals kann ein Radarsystem auch die Frequenzverschiebung aufnehmen, die durch die Relativgeschwindigkeit von Sender und reflektierendem Objekt verursacht wird. Man kennt dieses Prinzip von den Radargeräten, die die Polizei zum Aufdecken von Tempoverstößen im Straßenverkehr verwendet.

Ein Radarsystem sendet fortlaufend ein moduliertes Signal aus. Diese frequenzmodulierte Dauerstrich-Technik (FMCW – Frequency-Modulated Continuous Wave) eröffnet die Möglichkeit, die Signale mithilfe fortschrittlicher Signalverarbeitungsalgorithmen in drei Dimensionen – Zeit, Frequenz und Raum – zu verarbeiten, um Bilder der detektierten Objekte zu synthetisieren.

Im Gegensatz zu einer Kamera handelt es sich bei den erzeugten Bildern um Umrisse der betreffenden Objekte, was immer dann vorteilhaft ist, wenn es auf den Schutz der Privatsphäre ankommt.

Verteilte Radarsensoren können ein breiteres Sichtfeld überwachen und Objekte auflösen, die sich in der gleichen Entfernung, aber an verschiedenen Orten befinden. In teuren ISAR-Systemen (Inverse Synthetic Aperture Radar) wurde ein Array aus synchronisierten Radarsensoren verwendet. Mit den CMOS-basierten Radarsensor-SoCs von TI aber lässt sich zu einem Bruchteil der Kosten und der Komplexität eines ISAR ein synthetisches Array realisieren, dessen große Apertur mit hoher Geschwindigkeit ein hochauflösendes Bild erzeugen kann.

Man stelle sich nur einmal mehrere dieser Radarsensoren an einem Auto-Stoßfänger vor, die Objekte mit einer Winkelauflösung von einem Grad erkennen können. Moderne Radarsysteme arbeiten mit Mikro-Doppler- und kaskadierter Radartechnik, um Objekte mit detaillierten Umrissen detektieren und klassifizieren zu können. So lässt sich erkennen, ob es sich bei einem Objekt um einen Lkw, ein kleines Fahrzeug oder einen Menschen handelt.

Array-Verarbeitung und Sensorfusion können hochauflösende Bilder liefern, erzeugen aber immense Datenmengen und erfordern deshalb eine erhebliche Bandbreite. Hier empfiehlt sich die Verwendung eines lokalen Signalprozessors, um eine breitbandige Schnittstelle für hohe Datenraten zu einem zentralen Prozessor zu vermeiden.

Diese Entwicklung wird sich fortsetzen – mit verbesserter Auflösung und einer Kombination aus ausgefeilten Algorithmen, z.B. für die gleichzeitige Ortung und Kartierung und für Synthetic Aperture Radar, wodurch dies zu einer allgemein verbreiteten Bildverarbeitungstechnik werden wird. In der Zukunft kann eine Kombination aus Radar und Lidar ein optimales System für zahlreiche weitere Bildverarbeitungsanwendungen ergeben.

Innovationen im Bereich der Halbleitertechnik, die über die HF-, Analog- und digitale Signalverarbeitungstechnik hinausgehen, haben tiefgreifende Änderungen bei  Radarsensoren bewirkt. Radarsysteme, die einst nur eng begrenzten Anwendungsbereichen in der Wehrtechnik und in der Luft- und Raumfahrt vorbehalten waren, werden inzwischen auch in Automobil- und Industrie-Applikationen genutzt. Die Radartechnik bietet enorme Chancen für Innovationen, mit denen sich unser Sichtbereich erweitern lässt.

 

Literatur

[1] Fergusson, J.; Chevrier, M. und Rankin,A.: mmWave radar: enabling greater intelligent autonomy at the edge. Texas Instruments, Whitepaper, Juni 2018, www.ti.com/lit/wp/sszy035/sszy035.pdf.

 

Dr. Ahmad Bahai, Cheftechnologe im Vorstand von Texas Instruments sowie Direktor von TI Corporate Research, Kilby Labs, beratender Professor an der Stanford University und IEEE Fellow.
Dr. Ahmad Bahai,Cheftechnologe im Vorstand von Texas Instruments sowie Direktor von TI Corporate Research, Kilby Labs,beratender Professor an der Stanford University und IEEE Fellow.
© Texas Instruments

Dr. Ahmad Bahai

ist Cheftechnologe im Vorstand von Texas Instruments sowie Direktor von TI Corporate Research, Kilby Labs, beratender Professor an der Stanford University und IEEE Fellow. Er leitete zuvor als CTO bei National Semiconductor die Forschungslabors. Bis 1997 war Dr. Bahai bei den Bell Laboratories als technischer Leiter der Forschungsgruppe für Kommunikationstechnik und Signalverarbeitung zuständig und war Professor auf Zeit an der University of California, Berkeley. Später gründete er die Firma Algorex, ein IC-Entwicklungsunternehmen spezialisiert auf Kommunikationstechnik und Akustik, das von National Semiconductor gekauft wurde. Dr. Bahai ist Miterfinder der Multiträger-Modulation mit Frequenzspreizung, die in vielen modernen Kommunikationssystemen, wie 4G-Mobilfunk und Power-Line verwendet wird. Er verfasste 1999 das erste Lehrbuch zum Orthogonalen Frequenzmultiplexverfahren (OFDM), arbeitete fünf Jahre als Redakteur für IEEE-Zeitschriften und engagierte sich bis 2011 im technischen Lenkungsausschuss der International Solid-State Circuits Conference (ISSCC).

Dr. Bahai hat mehr als 80 IEEE-/IEE-Publikationen veröffentlicht und hält 38 Patente. Seinem Elektrotechnikstudium (Master of Science) am Imperial College, University of London, folgte die Promotion (Ph.D.), ebenfalls in Elektrotechnik, durch die University of California in Berkeley.


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