»Natürlich haben gedruckte Komponenten eine Reihe von Vorteilen. Wir können auf diese Weise spezielle Geometrien fertigen, die mit herkömmlichen Methoden gar nicht zu produzieren wären. Denken Sie zum Beispiel an Kühlkanäle in Zylinderköpfen. Eines der Schlüsselwörter in der Fertigung von Flugzeugkomponenten lautet aber nun einmal „Wiederholbarkeit“: Wir müssen in der Lage sein, sämtliche Prozessparameter einzufrieren und dann immer wieder exakt identische Bauteile herzustellen. Hier sind die Abweichungen für eine Serienfertigung derzeit noch viel zu hoch«, so Philipp.
Gewicht ist ein anderes Schlüsselwort, das die Fertigungsverfahren in der Luftfahrt entscheidend beeinflusst. Jedes eingesparte Kilogramm eines Großraumflugzeugs ermöglicht es der Airline, mehrere Tausend Euro pro Jahr zu sparen. Etwa 15 Prozent eines Flugzeugrumpfes bestehen aus sogenannten „Brackets“, das sind Befestigungssysteme für Flugelemente, Treibstoff- und Hydraulikkomponenten und andere zentrale Bauteile. Als strukturrelevante Elemente sind sie meist hoch klassifiziert, müssen also höchsten Material- und Sicherheitsanforderungen genügen. »Einer der Gründe, warum wir uns speziell mit 3D-Druck aus Titan beschäftigen, sind die enormen Gewichtseinsparungen, die mit diesem Material möglich sind. Ein Großraumflugzeug mit einem Gewicht von rund 200 Tonnen trägt etwa 15 Tonnen Brackets in seiner Struktur. Eine Reduzierung des Gewichts dieser Komponenten um bis zu 25 Prozent durch Verwendung von gedruckten anstatt gefrästen Teilen hat also viele hunderttausend Euro Einsparungen zur Folge«, erklärt Philipp.
»Doch im Gegensatz zu weniger lastbeanspruchten Komponenten wie beispielsweise Treibstoffdüsen im Flugzeugtriebwerk sind wir bei hochklassifizierten Bauteilen von einer Genehmigung durch die Zulassungsbehörden noch weit entfernt. Das liegt zum Beispiel daran, dass Titan bei der Verarbeitung an der Luft sehr schnell oxydiert. Aber auch eine mit Argon gefüllte 3D-Druckkammer ist nie völlig frei von Sauerstoff, und so entstehen beim Auftragen der einzelnen Schichten sehr schnell Gefügefehler, die später zu Rissen führen können. Eine Qualitätssicherung mit entsprechenden Messgeräten ist bisher kaum möglich, sodass ein additiv gefertigtes Bauteil aus Titan im Gegensatz zu einem zerspanten Teil immer ein Restrisiko in der Materialstabilität aufweist. Dieses Risiko wird in der Luftfahrt natürlich kein Hersteller eingehen.«
Praktische Erfahrung sammelt man in Salzburg deshalb nicht nur mit Versuchsreihen von Flugzeugkomponenten, sondern auch mit praktisch einsatzfähigen Bauteilen. So sind die Experten von Aircraft Philipp bereits jetzt in der Lage, voll funktionsfähige Zylinderköpfe herzustellen, z.B. für Motoren in Einmann-Fluggeräten. Ingenieur Philipp ist sich sicher: »Irgendwann wird man jedes gewünschte Bauteil in einem additiven Verfahren herstellen können; Belastbarkeit oder Haltbarkeit werden dann auch kein Thema mehr sein.«
Unterm Strich wird die Entscheidung zugunsten eines additiven Verfahrens immer auch eine Kostenfrage sein. Das Beispiel der Titan-Brackets im Flugzeugbau zeigt, wie sich mit innovativen Werkstoffen deutlich Kosten einsparen lassen. Die Verarbeitung von Titan in herkömmlichen Zerspanungsverfahren produziert jedoch bis zu 95 Prozent Späne, wodurch ein großer Teil der Wirtschaftlichkeit wieder zunichte gemacht wird. Erst das schichtweise, additive Auftragen eines Pulvers mit einem Verlust von nur etwa 5 Prozent und der Möglichkeit, auch die Rückstände mehrfach wiederzuverwenden, ermöglicht eine wirklich kostensparende und ressourcenschonende Verarbeitung von Werkstoffen. Zudem kann durch Zusammenfassen von Einzelteilen zu einem integrierten Bauteil auf kostspielige Montageschritte verzichtet werden. Philipp ist zuversichtlich: »Ich glaube zwar nicht, dass man in 50 Jahren komplette Flugzeuge drucken wird, aber deutlich mehr als der Haken für die Kapitänsmütze im Flight Deck wird schon möglich sein.«