Die Margen aus dem reinen Komponentengeschäft gehen bekanntlich immer weiter zurück. Wie kann ein Distributor aus Ihrer Sicht wettbewerbsfähig bleiben?
Sven Krumpel: Für Codico können wir diese Bedenken nicht bestätigen. Wir verfolgen ein anderes Konzept; der Kunde erlebt bei uns einen tatsächlichen Added Value – unser Design-in-Schwerpunkt zeichnet uns aus, wir bieten einen Mehrwert und schaffen in unseren Beziehungen Werte, die kunden- und lieferantenseitig auch honoriert werden.
Andreas Mangler: Die sinkenden Margen sind nur eine Seite der Medaille: Hinzu kommen immer mehr Beratungsleistungen, mehr erklärungsbedürftige Produkte und wachsende Dokumentationsanforderungen, die ein Distributor heutzutage leisten muss. Ob dies alles auch in Zukunft kostenfrei machbar ist, hängt definitiv von der Margenentwicklung ab. Das Distributionsmodell, wie wir es betreiben als Broadliner mit einem Umsatzanteil von über 70 Prozent an erklärungsbedürftigen Design-in-Produkten und zusätzlich mit hohen Stückzahlen an passiven Bauelementen, ist trotz hohem Automatisierungsgrad sehr personalintensiv. Hier unterscheiden wir uns signifikant von unseren Wettbewerbern.
Slobodan Puljarevic: EBV verfolgt hier einen Mix aus mehreren Ansätzen: ein starkes Team von hervorragend ausgebildeten Anwendungs-Spezialisten und beste Markt- und Technologiekenntnisse über unsere vertikalen Vertriebsteams, gepaart mit unserer technischen Sales-Mannschaft. Hinzu kommen eine breite Auswahl an Technologiepartnern, die unsere Hersteller-Linecard gezielt unterstützen, und EBVchips: Hier werden ganz neue, so nicht verfügbare Produkte mit Kunden gemeinsam definiert und entwickelt. Supply-Chain-Management und Logistikprogramme, maßgeschneidert für die Anforderungen und Bedürfnisse unserer Kunden, komplettieren unser Angebot. Natürlich müssen auch wir uns bei Veränderungen auf dem Markt immer wieder neu positionieren, aber mit unserem sehr breiten und innovativen Mix an Dienstleistungen und Serviceprogrammen gelingt es uns, weiterhin profitabel zu arbeiten.
Frank Hansen: Unbestritten ist dies eine Herausforderung, aber auch eine Möglichkeit, sich beim Kunden mit Service und Dienstleistungen noch weiter zu etablieren. Hier kommen unsere Schlagworte „Hardware as a Service“ und „Software as a Service“ ins Spiel.
Martin Bielesch: Für die Distributionsbranche, die aktuell sehr gut dasteht, ist es enorm wichtig, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen, sondern die Geschäftsaktivitäten an die Marktrealitäten und die zu erwartenden Veränderungen, soweit möglich, anzupassen. Für uns sind zwei Dinge dabei von hoher Bedeutung. Zum einen der Ausbau von Services verschiedenster Art rund um das Kerngeschäft. Arrow hat damit schon vor längerer Zeit begonnen und bietet Mehrwert entlang des gesamten Produkt- und Applikationszyklus, von der Design-Idee bis hin zu End of Life. Der zweite Punkt ist die digitale Transformation, die unterschiedlichste Branchen mit kleineren und größeren Evolutionen, durchaus auch Revolutionen, erfasst. Für Arrow heißt das, dass wir neben unserem erfolgreichen Geschäft bei Kunden vor Ort unsere digitalen Services immer weiter ausbauen und Innovation gerade in diesem Bereich einen absoluten Fokus darstellt. Auch gilt es, die digitale Transformation beim Kunden bestmöglich zu unterstützen, etwa im Bereich Industrial IoT. Ich kann nur weiterhin betonen, dass es im Distributionsumfeld, in dem sich viele Anbieter in ihrem Angebot stark ähneln, enorm wichtig ist, Unterscheidungsmerkmale zu schaffen, um im Wettbewerb zu bestehen.
Welche Auswirkungen haben die zahlreichen Übernahmen in der Komponentenindustrie auf die Distribution und speziell auf Ihr Geschäft?
Andreas Mangler: Mit den Übernahmen verändern sich auch die Distributoren-Netzwerke der Hersteller. Oft sind lokale oder kleinere Distributoren die Leidtragenden. Die Konzentration auf nur wenige mögliche Einkaufsquellen stellt für die Industriekunden zunehmend ein Problem dar. Und in der daraus folgenden Übernahmeschlacht um diese Aufträge kommt es unweigerlich zu hohem Preis- bzw. Margendruck.
Sven Krumpel: Übernahmen sind Tatsachen und gehören zur Branche. Wir sehen hier nicht nur Risiken, sondern insbesondere auch Chancen! Wir verlassen uns auf unsere Stärken und entwickeln uns mit den sich verändernden Situationen.
Frank Hansen: „Change is good“. Was wir bemerken bzw. aus Kundensicht sagen können, ist, dass die Kunden immer stärker einen Ansprechpartner suchen, der ihnen das Interface zu neuen Lieferanten eröffnet und sie mit Rat und Tat bei den Veränderungen ihrer aktuellen Lieferanten unterstützen kann.
Slobodan Puljarevic: Übernahmen und Verluste von Herstellern beeinflussen auch unsere Organisation. Ressourcen müssen anders genutzt und Schwerpunkte neu gesetzt werden. Wir bewerten, wie immer, auch zukünftig unsere Linecard sehr genau und nehmen bei Bedarf Anpassungen vor. Mit unserem Angebot an Services und Innovationen sind wir sehr optimistisch, was unsere Zukunft anbetrifft. Unsere Industrie ist seit jeher stark volatil und Veränderung ist die einzige Konstante in der Halbleiterbranche. Unser Anspruch ist es, den Markt mit zu beeinflussen, auf Veränderungen frühzeitig und intelligent zu reagieren und eigene Innovationen voranzutreiben. Je mehr wir eigenständig agieren und unsere Dienstleistungen mit Blick auf die Anforderungen unserer Kunden ergänzen, optimieren und ausbauen, desto weniger treffen uns Veränderungen am Markt. Dies war seit jeher Strategie der EBV, dafür stehen wir seit 1969. Auch deshalb sind wir seit vielen Jahren die Nummer 1 in Europas Halbleiter-Distribution sowie im Distributions-Netzwerk unserer langjährigen Hersteller-Partner.
Martin Bielesch: Wir haben in der jüngsten Vergangenheit sehr viel Bewegung insbesondere auf der Herstellerseite gesehen, teils in atemberaubendem Tempo. Für Distributoren sind diese Entwicklungen je nach Aufstellung Risiko oder Chance. Führt ein Distributor zwei Unternehmen, die zusammengehen, bereits in seinem Portfolio, so ergeben sich Synergien und es besteht eine gute Ausgangsposition, den Merger im Sinne des Kunden auch von Distributionsseite aus gut zu managen. Bestehen Geschäftsbeziehungen nur einseitig, kann es unter Umständen bedeuten, dass der neu formierte Player nicht mehr im Programm ist. Bei Arrow sehen wir uns aufgrund unseres breiten Angebots diesbezüglich sehr gut aufgestellt; für uns sind diese Entwicklungen in den meisten Fällen eine große Chance, im Distributionsnetzwerk des jeweiligen Herstellers eine noch bessere Position einzunehmen.