Doch es gibt auch eine nicht zu vernachlässigende Hürde zu nehmen: die Cyber-Security. Hier ist bisher wenig geschehen. Nach den Beobachtungen von Sievers noch nicht einmal aus Kostengründen – die Zusatzkosten spielen gegenüber möglichen Schäden kaum eine Rolle –, sondern weil die Automobilhersteller anfangs gar nicht an Security gedacht hatten. »Bekanntermaßen sind die Entwicklungszyklen lang, und so wird es noch eine Weile dauern, bis sichere Fahrzeuge auf den Markt kommen. Doch ohne Security wird in der schönen neuen Welt nichts gehen«, so Sievers.
Dazu ein kurzer Blick auf das Auto: Die verschiedenen Netze wie LIN, CAN, Flexray und zunehmend Ethernet bieten Hackern einen schönen Einstieg. Wie sich das Auto damit unter Umgehung des Fahrers aus der Ferne steuern lässt, wurde bereits mehrfach gezeigt. Es gibt dagegen durchaus effektiven Schutz: Das Secure Element, das die Authentifizierung über Hardware durchführt, wirkt wie ein Schloss an der Haustür. Server-Gateways bilden Firewalls zwischen den verschiedenen Netzen. Auch hier spielt die Hardware-embedded Security eine wichtige Rolle. Zudem lassen sich die Physical-Layer-Chips und die Mikrocontroller selber mit Kryptographie-Funktionen ausstatten. Sievers: »Diese vier Schichten sichern das Auto schon recht gut ab.« Und das sei vor allem für die europäische Halbleiterindustrie eine gute Nachricht. »Drei der Top-5-Hersteller von Halbleitern für den Einsatz in Autos – Infineon, NXP und ST – sitzen in Europa. Und sie sind in Hardware-basierenden Sicherheitssystemen weltweit führend.«
Autonomes Fahren beschleunigt Elektromobilität
Eine interessante Entwicklung ist laut Sievers, dass autonomes Fahren und Elektromobilität sich gegenseitig beschleunigen werden. Im Moment gäben die Fortschritte in der Batterietechnik der Elektromobilität weiteren Schub. Die Reichweite sei immer weniger das Problem. Allerdings sieht er nicht, dass der Markt von Privatfahrzeugen angestoßen werde: »Die großen Stückzahlen kommen zunächst über Mobilitätsdienste. Und hier werden autonomes Fahren und Elektrifizierung Hand in Hand gehen.«
Das sei auch bitter nötig. In London beispielsweise entstehen bis zu 90 Prozent des Verkehrs über Paketzulieferer. Hier denken Firmen wie Mercedes bereits über die Kopplung von Lastwagen mit Drohnen nach. In dieser Richtung hat Singapur sehr interessante Ideen. Das heißt aber auch: In eher ländlichen Gebieten wird es noch lange die alte Technik geben.
Und schließlich werden auch Lastwagen teilweise autonom fahren, etwa in Platoons, in denen vorne ein LKW fährt, den ein Fahrer steuert, und dem dann weitere fahrerlose Fahrzeuge folgen. Sie können in einem extrem geringen Abstand fahren, was den Treibstoffverbrauch bis zu 20 Prozent senkt. Und auch das ist für die Halbleiterindustrie eine gute Nachricht: Der Wert der Halbleiter pro LKW wird durch die neue Technik um rund 400 Dollar steigen.
Vier Ebenen
Der Weg zum autonomen Fahren
Die Automobilindustrie unterteilt den Weg zum autonomen Fahren in vier Ebenen:
• Auf der ersten Ebene halten zusätzliche Sensorsysteme wie etwa Frontradar Einzug. Das hatte schon vor zehn Jahren begonnen und ist heute nichts Neues.
• Auf der Ebene 2 findet die partielle Automatisierung statt, beispielsweise unterstützen Lenk und Bremsassistenten den Fahrer. Auch dies ist heute schon Gang und Gäbe.
• Auf Ebene 3 ist die Semi-Automation erreicht. Hier kann das Auto teilweise autonom agieren, beispielsweise selbstständig vom Hoteleingang in die Garage fahren. Das ist eine überschaubare Strecke und daher wenig sicherheitsrelevant. »Feldversuche zum Valet-Parking hat es bereits gegeben. Ich schätze, dass bis in drei Jahren erste Autos erhältlich sind, die das können«, sagt Kurt Sievers. Allerdings gilt für Ebene 3 immer noch: Der Fahrer hat die letzte Verantwortung beim Fahren auf Straßen.
• Die Ebene 4 bezeichnet dann das wirklich autonome Fahren: Ein Fahrer ist in jeder Situation überflüssig. »Der Sprung über die Kluft von Ebene 3 zu Ebene 4 ist gewaltig. Bis das autonome Fahren Wirklichkeit wird, dauert es noch etwas länger«, erklärt Sievers.