Vernetzung

Matter in der Praxis

4. Februar 2024, 11:00 Uhr | Von Klaus Dembowski
© PandaStoc Art | stock.adobe.com

Wenn sich Firmen wie Apple, Amazon, Google und Samsung auf etwas Gemeinsames einigen, ist das von großer Bedeutung. Herausgekommen ist der Verbindungsstandard Matter für die Hausautomatisierung, der Kompatibilität für unterschiedliche Smarthome- oder auch allgemeiner für IoT-Geräte schaffen soll.

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Die Initiative für diesen Verbindungsstandard geht auf die Zigbee-Allianz und die vier genannten Gründungsmitglieder zurück, die im Jahre 2019 das Projekt Connected Home over IP (CHIP) initiiert haben. Mittlerweile sind dieser Allianz mehr als 400 Firmen beigetreten, und im Oktober 2022 wurde die erste Version des Standards, der seitdem unter Matter firmiert, von der CSA (Connectivity Standard Alliance) veröffentlicht.

Die ersten offiziellen Matter-Geräte sind im Frühjahr 2023 auf den Markt gekommen. Integriert ist Matter unter anderem in Alexa von Amazon, in Apples Homekit, in Google Home sowie in SmartThings von Samsung. Kommuniziert wird mit Matter-Geräten, wie beispielsweise Lampen, Heizkörperthermostaten, Rollläden oder auch Sensoren und Lautsprechern, über eine App auf dem Smartphone (Android, iOS) oder über eine Smart-Home-Zentrale, die beide als Matter-Controller fungieren können. Beim Einsatz einer Matter-App soll es keine Rolle spielen, ob diese von Amazon, Apple, Samsung oder einem anderen Matter-Unter- stützer stammt, sodass die Matter-Einheiten von mehreren Geräten aus gleichzeitig genutzt werden können.

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Verbindungsstandard mit etablierten Funkprotokollen

 Der Protokoll-Stack mit dem Application Layer, in dem die Erweiterungen für Matter untergebracht sind
Bild 1. Der Protokoll-Stack mit dem Application Layer, in dem die Erweiterungen für Matter untergebracht sind.
© Dembowski nach der Matter-Spezifikation der CSA

Grundsätzlich ist Matter ein (lizenzfreier) Verbindungsstandard, der im Wesentlichen auf dem Application Layer (OSI-Schicht 7) arbeitet. Es ist also kein neuer Funkstandard, sondern »nur« ein Verbindungsstandard. Matter (Bild 1) setzt einen funktionierenden Transport Layer (TCP, UDP), einen Network Layer (IPv6) sowie einen Link/Media-Layer (Ethernet, WiFi, Thread, 802.15.4) voraus.

Funkprotokolle, die keinen IP-Transport leisten, wie beispielsweise Zigbee oder Z-Wave, werden demnach nicht direkt unterstützt, können jedoch mithilfe von entsprechenden Bridges in eine Matter-Umgebung integriert werden.

Die Matter-Übertragungsprotokolle Ethernet (IEEE 802.3), WLAN (IEEE 802.11) und Thread (IEEE 802.15.2) sind seit Langem standardisiert und basieren alle auf dem Internet-Protokoll. Neben diesen drei Protokollen kommt für Matter außerdem noch Bluetooth Low Energy (BLE) zum Einsatz, allerdings nicht für die Übertragung von Nutzdaten, sondern allein für die Matter-Gerätekonfiguration, was als »Commissioning«bezeichnet wird. Der Commissioner wird von einem Smartphone oder einer Smarthome-Zentrale gebildet.

Die Detektierung des Boards von Silicon Labs als Bluetooth Device
Bild 2. Die Detektierung des Boards von Silicon Labs als Bluetooth Device.
© Dembowski

Der erste Kontakt zwischen einem Smartphone (Matter Controller) und einem Matter-Gerät findet mit BLE statt, indem die Zugangsdaten für WLAN oder Thread übertragen werden. Daraufhin kann das Pairing ausgeführt werden (Bild 2).

Ein noch nicht im Matter-Netz integriertes Gerät muss auf einem Computer oder Smartphone unter den BLE-Einheiten zunächst als gewöhnliches BLE Device auftauchen, andernfalls ist nachfolgend keine Matter-Konfigurierung möglich.

Die Matter-Kommunikation erfolgt stets verschlüsselt, und jede Matter-Hardware verfügt über ein individuelles Zertifikat, welches von der Matter-App mit einer Internetdatenbank in Blockchain-Technik abgeglichen wird. Matter-Geräte führen meist einen QR-Code (gewissermaßen das Zertifikat), der vom Smartphone gescannt werden kann, wodurch die Konfiguration sehr einfach vonstatten geht.

Nach dem Commissioning ist das Matter-Netzwerk vom Internet unabhängig, d. h. es funktioniert ohne jedwede Verbindung nach außen autark, was ein äußerst wichtiges Sicherheitskriterium ist, denn einige der bereits existierenden Smarthome-Lösungen funktionieren nicht ohne einen Zugriff auf die Cloud des jeweiligen Herstellers. Beim Ausfall des Internetzuganges lassen sich dann möglicherweise die Heizkörperthermostate nicht mehr einstellen oder die Rollläden oder die Haustür nicht mehr öffnen. Ein etabliertes Matter-Netzwerk ist gewissermaßen geschlossen und somit auch gegen Hackerangriffe sehr sicher.

Mitunter wird übersehen, dass grundsätzlich ein Matter Hub benötigt wird, der einen Router für WiFi und Thread beinhaltet. Der Matter Controller (Smartphone) sendet IPv6-Pakete zum Matter Hub, der diese in entsprechende WiFi- und Thread-Pakete konvertiert und zum jeweiligen Endgerät transportiert.

Matter over Thread

Thread bildet ein Mesh-Netzwerk und bietet eine vergleichsweise geringe Bandbreite, was aber beispielsweise für Schaltsteckdosen, Sensoren oder Heizkörperthermostate völlig ausreichend ist. Dafür ist der Energiebedarf auch vergleichsweise gering, weshalb die Geräte lange Zeit mit ihrer Batterie auskommen sollten.

Matter over Thread benötigt, wie erwähnt, einen Router, der in diesem Zusammenhang als Border Router bezeichnet wird und verschiedene IP-Netze miteinander verbindet. Das IP-Hauptnetz − das Heimnetz mit Ethernet und WLAN −, das auch die Verbindung zum Internet herstellt, wird über einen Border Router datentechnisch mit einem Peripherienetz verbunden.

Die Kommunikation innerhalb eines Thread-Netzes, bei dem jedes Gerät eine eigene IPv6-Adresse erhält, wird mithilfe des Border Routers durchgeführt. Das Gleiche gilt im Prinzip auch für Matter over WiFi. Üblicherweise beinhalten die Smarthome-Zentralen (z. B. Googles Nest Hub 2) die Border-Router-Funktionalität für WiFi und Thread. Viele Hersteller arbeiten noch an Updates für ihre Smarthome-Hubs und -Zentralen, um die vollständige Matter-Funktion gewährleisten zu können. Für einige Geräte der Firma AVM (Fritz!Box) ist bereits angekündigt, dass sie zukünftig ebenfalls Matter unterstützen werden. Bis dahin ist auf jeden Fall ein eigener »Matter Router« notwendig.

Als günstige Alternative kann hierfür ein Raspberry Pi (mindestens Version 3) eingesetzt werden, der mit einem bestimmten Wireless Board von Firmen wie Nordic (nRF52840) oder Silicon Labs (xG24) über USB mit dem Raspberry Pi verbunden wird. Dieses Projekt wurde von Google initiiert und firmiert unter Open Thread Border Router (OTBR) [1].

Starterkit von Silicon Labs

Das Mainboard des Matter-Entwicklungssystems von Silicon Labs mit aufgesteckten Radio Board
Bild 3. Das Mainboard des Matter-Entwicklungssystems von Silicon Labs mit aufgesteckten Radio Board.
© Silicon Labs|Dembowski

Ein für Matter-Entwicklungen vorgesehenes Kit (xG24-PK 6009 A) von Silicon Labs [2] besteht aus dem Wireless-Starterkit-Mainboard (BRD4002A), auf das das BRD4186C Radio Board aufgesteckt ist (Bild 3). Das Radio Board enthält den EFR32xG24 Wireless Gecko SoC mit 1536 kB Flash- und 256 kB RAM-Speicher (EFR32MG24B210F1536IM48).

Das Mainboard bietet eine USB-C- und eine Ethernet-Buchse, einen Segger Debugger (J-Link), ein Display (Memory-TFT), LEDs und Taster (Joystick), einen Sensor (Si 7021) für die Messung von Temperatur und Feuchtigkeit sowie diverse Header und Anschlüsse (Debug, Logic, Breakout etc.) beziehungsweise eine Halterung für eine Knopfzelle (CR2032).

Hinzufügen des Matter-Pakets
Bild 4. Hinzufügen des Matter-Pakets.
© Dembowski

Gesteuert wird das Mainboard von einem sogenannten Board Controller, der sich unter dem Display befindet und vom Anwender nicht programmiert werden kann. Um welchen Mikrocontroller es sich dabei handelt, wird weder in den Dokumentationen noch im Schaltplan verraten. Dort wird lediglich eine Control MCU (U900) angeführt. Beim späteren Download der zum Board passenden Bibliotheken (Bild 4) wird auch eine für 8051-Mikrocontroller angeboten, sodass für den Board Controller wahrscheinlich dieser Typ eingesetzt wird.

Zum Lieferumfang des Kits gehört neben den beiden Boards ein Batteriefach für zwei AA-Batterien und ein Debugger-Flachbandkabel, was eigentlich nicht notwendig ist. Passender wäre ein USB-Kabel mit USC-C-Anschluss gewesen, das aber nicht beiliegt.

Wie es bei Silicon Labs (SL) leider »üblich« ist, wird der Einstieg durch die schwer nachvollziehbare Struktur und die Verknüpfungen der Internetseiten erschwert, sodass man außerhalb der SL-Seiten mit einer Suchmaschine eher zum Ziel kommt. Die Dokumentationen könnten zielgerichteter sein, zumal das Bezeichnungswirrwarr mit firmen-eigener Nomenklatur zu Chips, Boards und Entwicklungskits auch nicht einfach zu durchschauen ist


  1. Matter in der Praxis
  2. Programmentwicklung mit Simplicity Studio

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