Nordic Semiconductor ist dafür bekannt, sehr energiesparende ICs für die drahtlose Kommunikation anzubieten. Aber mittlerweile verfolgt das Unternehmen einen viel weitergehenden Ansatz.
Laut Kjetil Holstad, EVP Strategy und Product Management bei Nordic, kann das Unternehmen heute deutlich mehr Aufgaben im System übernehmen.
Markt&Technik: Nordic ist für seine Bluetooth-LE-ICs bekannt, aber das Unternehmen hat sein Angebot in den letzten Jahren deutlich erweitert.
Kjetil Holstad: Ja, ausgehend von einer sehr gut etablierten Basis mit Bluetooth haben wir in den letzten Jahren auch andere Konnektivitätsprotokolle wie zellulares IoT etabliert. Darüber hinaus haben wir durch die Übernahme des gesamten Entwicklungsteams für das Ensigma-WiFi-IP von Imagination Technologies uns eine Position innerhalb von WiFi verschafft. Wir sehen aber auch neuere Protokolle wie Matter und Thread im Kommen. Wir arbeiten daran, auch diese neuen Technologien mit einem eindeutigen Produktangebot abzudecken, verbunden mit den bekannten Vorteilen von Nordic. Vereinfacht könnte man sagen: Wir haben uns von einem Bluetooth-Unternehmen zu einem Wireless-Unternehmen weiterentwickelt.
Daneben beschäftigen wir uns aber inzwischen auch mit ganz anderen Themen. Denn wir wollen die Probleme unserer Kunden lösen, und zwar nicht nur in Bezug auf die Konnektivität, sondern auf das gesamte System.
Was heißt das konkret?
Zum Beispiel haben wir begonnen, die Probleme von der Batterie bis zu den Antennen zu betrachten. Deshalb haben wir eigene Power-Management-ICs entwickelt, die unsere drahtlosen Kommunikations-ICs ergänzen. Denn wenn man im System wirklich eine geringe Stromaufnahme erreichen will, muss man von der Batterie bis zur Antenne denken.
Darüber hinaus weisen Technologien wie Mobilfunk und WiFi natürlich auch eine Cloud-Komponente auf. Dementsprechend haben wir auch ein Cloud-basiertes Angebot im Portfolio, mit dem man Over-the-Air-Updates und Ähnliches durchführen kann. Das heißt, dass wir nicht nur einen Chip liefern, sondern eine ganze Lösung.
Dieser erweiterte Ansatz hat sich durch die Nachfragen seitens unseres Kundenstamms ergeben, der Probleme an uns herangetragen hat, deren Lösung weit mehr als nur den Verkauf eines Chips umfassen. Es geht um den Verkauf einer Lösung, eines Ökosystems rund um die Software, eine Entwicklungsplattform etc.
Power-Management-ICs werden von vielen Unternehmen angeboten. Wie kann sich Nordic hier differenzieren?
Unsere Power-Management-ICs sind für Kunden wichtig, die wirklich auf eine sehr geringe Stromaufnahme angewiesen sind, denn in diesem Fall spielt auch das Power-Management eine große Rolle. Unsere Funk-ICs sind auf niedrigste Leistungsaufnahme getrimmt, dafür sind wir bekannt, aber man muss den gesamten Pfad betrachten, damit die Leistungsaufnahme so gering wie möglich ausfällt.
Natürlich können unsere Kunden für unsere Kommunikations-ICs auch Power-Management-ICs von anderen Anbietern wie TI oder Analog Devices nutzen, aber wenn sie unsere Power-Management-ICs nehmen, fällt die Leistungsaufnahme geringer aus.
Bietet Nordic PMICs für alle seine unterstützten Kommunikationsstandards und können diese ICs auch in Kombination mit Kommunikations-ICs konkurrierender Anbieter genutzt werden?
Wir haben mit der Entwicklung dieses Produktsegments erst begonnen, das heißt, dass das Produktportfolio noch nicht umfassend ist. Wie bereits gesagt: Es geht uns darum, unser bisheriges Produktangebot an ICs für die drahtlose Kommunikation mit Power-Management-ICs zu ergänzen, sodass wir einen größeren Teil des Problems beim Kunden lösen können, aber klar, die Komponenten können natürlich auch mit Bluetooth-ICs anderer Hersteller kombiniert werden.
Der Systemansatz, den Nordic mittlerweile verfolgt, geht aber doch noch weiter?
Ja, und zwar in Hinblick auf den Bedarf an höherer Rechenleistung im Edge, das heißt in den Sensoren oder ganz nah bei den Sensoren. Die Nachfrage nach einer höheren Rechenleistung besteht aus zwei Gründen: In dem einen Fall geht es darum, dass die Entwickler das Gleiche wie gestern machen wollen, aber viel schneller, denn auch so spart man Strom. Im anderen Fall ist nicht die Leistungsaufnahme das Thema, die bleibt gleich, aber mit dieser Leistungsaufnahme will der Entwickler viel mehr machen. Der Sensor soll also intelligenter werden. Dementsprechend arbeiten wir daran, einerseits die Rechenleistung zu erhöhen und andererseits die Stromaufnahme für diese Berechnungen zu senken.
Sie sprechen von der Vorverarbeitung von Sensordaten?
Ja, auch. Ich würde es aber anders ausdrücken: Im Allgemeinen geht es darum, KI ins Edge zu bringen.
Dazu kommt noch ein weiterer Punkt: Die Protokoll-Stacks für die verschiedenen Kommunikationsstandards benötigen immer mehr Rechenleistung. Es geht also um alle Aspekte der Datenverarbeitung, und diesen Trend adressieren wir mit unserer neuesten Produktgeneration, die die Rechenleistung im Vergleich zur Vorgängervariante verzehnfacht und den absoluten Stromverbrauch dennoch senkt. Das hat für unsere Kunden deutliche Vorteile, denn viele verwenden heute einen Nordic-Chip und daneben einen Mikrocontroller. Indem wir die Rechenleistung und die Fähigkeiten der Nordic-ICs erhöhen, brauchen sie diese externe MCU nicht mehr.
Welche Prozessorkerne nutzt Nordic, Arm oder auch RISC-V?
In den meisten Designs nutzen wir Arm-Cores. Aber einige Produkte aus der neueren Generation nutzen einen RISC-V als komplementären Core, sprich: eine Kombination aus Arm und RISC-V. Die Arm-Cores fungieren als General-Purpose-Cores, RISC-V nutzen wir für dedizierte Aufgaben wie zum Beispiel Datenerfassung oder Security-Themen.
Nutzen Sie lizenzierte RISC-V-Cores oder handelt es sich dabei um Eigenentwicklungen?
Wir haben den Befehlssatz genommen und unseren eigenen Core entwickelt, denn wir nutzen RISC-V ausschließlich für spezielle Aufgaben.
Beachtlich für die Größe von Nordic!
Ja, aber das hat auch seine Berechtigung. Uns geht es nicht um den Ersatz von Arm. Damit sind wir mehr als zufrieden, das Ökosystem, aber auch die Innovationskraft von Arm sind perfekt. Das heißt, am Angebot von Arm gibt es absolut nichts auszusetzen, und damit gibt es für uns auch überhaupt keinen Grund, Arm ersetzen zu wollen.
Der Grund, warum wir trotzdem in RISC-V investieren, besteht darin, dass RISC-V es uns erlaubt, Dinge, die für uns und unsere Kunden wichtig sind, ein wenig anders zu machen, sprich: innovativer zu sein. Und das könnten wir nicht mit Cores von SiFive oder ähnlich ambitionierten Anbietern von RISC-V-Cores. Denn diese Unternehmen versuchen, Arm durch RISC-V zu ersetzen. Darum geht es uns nicht, wir wollen Innovationen schaffen, und deshalb sind wir überzeugt, dass es sich lohnt, in unsere eigenen RISC-V-Kerne zu investieren.
Können Sie konkrete Beispiele nennen, wann Nordic seine eigenen RISC-V-Cores verwendet?
Zum Beispiel in unserer neuesten nRF54H-Familie, die mehrere RISC-V-Koprozessoren aufweist. Dank des genutzten 22-nm-Prozesses können wir Funktionen, die wir typischerweise in Hardware implementiert haben, jetzt mit einem kleinen Prozessorkern wie dem RISC-V erledigen. Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, aber wenn es beispielsweise um geringe Latenzzeiten, Funktionen rund um den Sensor oder die Emulation einer seriellen Schnittstelle, sprich: das gute alte Bit-Banging, geht, nehmen wir den Standard-Befehlssatz von RISC-V und optimieren ihn für das, was wir umsetzen möchten. Das könnte man auch mit Arm-Cores umsetzen, aber mit RISC-V können wir den Kern genau für den Zweck optimieren, denn in diesen Fällen wäre ein Arm-Core aus der Perspektive der Leistungsaufnahme ein Overkill.
Nordic nutzt für seine SoCs einen 22-nm-Prozess?
Ja, für unsere fünfte Generation von Bluetooth-Produkten, sie liegt mittlerweile ausgewählten Kunden vor, und sie wird im Laufe dieses Jahres noch auf den Markt kommen. Im Vergleich zu den 2- oder 3-nm-Prozessen, über die man viel liest, scheinen die 22-nm-Strukturen zunächst einmal nicht wie »Cutting Edge«. Aber für Kommunikations-ICs ist diese Prozesstechnologie extrem fortschrittlich. Wir werden diese 22-nm-Produkte in Form einer High-End-Serie und einer Low-End-Serie von drahtlosen SoCs anbieten. Bei dieser Generation kommt noch eine weitere wichtige Neuerung zum Tragen: Wir beziehen diese 22-nm-Komponenten von zwei unterschiedlichen Foundries. Neben TSMC fertigt auch GlobalFoundries in Deutschland die neuen Komponenten – damit wollen wir sicherstellen, dass die Versorgung auf alle Fälle gewährleistet ist.
Nutzt GlobalFoundries zur Fertigung dieser SoCs seinen 22-nm-FDSOI-Prozess?
Ja, wir nutzen den FDSOI-Prozess für die High-End-Produkte und den 22-nm-Prozess von TSMC für die Low-End-Serie.
Bringt der FDSOI-Prozess Vorteile in Hinblick auf die Leistungsaufnahme?
Beide Prozesstechnologen, also von TSMC und GlobalFoundries, sind in Hinblick auf die Leistungsaufnahme sehr gute Prozesstechnologien, aber klar, der FDSOI-Prozess bringt zusätzliche Vorteile.
Wann hat Nordic die Zusammenarbeit mit GlobalFoundries gestartet?
Die Entscheidung, eine Dual-Source-Strategie zu fahren, fiel nach den Erfahrungen, die die Corona-Pandemie mit sich brachte. Es dauert natürlich seine Zeit, bis diese Entscheidung umgesetzt wird, aber in diesem Jahr kommen die ersten Produkte auf den Markt, die bei GlobalFoundries gefertigt werden.
Nordic Semiconductor ist auch im zellularen IoT stark engagiert. Wie sehen hier die Aktivitäten von Nordic aus?
Es geht Nordic seit jeher darum, »Lead on Connectivity« zu sein. Das heißt, den Stromverbrauch zu senken und die HF-Leistung zu steigern und immer besser als konkurrierende Anbieter zu sein. Deshalb nutzen wir für Bluetooth LE zum Beispiel die sehr fortschrittliche Prozesstechnologie mit 22-nm-Strukturen. Klar, Bluetooth LE lässt sich nicht direkt mit zellularem IoT vergleichen, denn BLE ist viel älter. Mittlerweile gibt es Produkte für Bluetooth 5.4, im Hintergrund arbeiten wir aber schon an Bluetooth 6 und Bluetooth 7. Aber im Wesentlichen ist die Grundidee für mobile IoT-Technologien dieselbe, sprich: auch bei zellularem IoT verfolgen wir dieselben Ansätze wie bei Bluetooth, also die Integration zu erhöhen und die Leistungsaufnahme zu senken. Gerade die Leistungsaufnahme ist im IoT besonders wichtig, denn hier sprechen wir häufig von batteriebetriebenen Geräten. Aber das ist in unserer DNA, sodass wir alles unternehmen, um so wenig Strom wie möglich zu verbrauchen, und dieser Aspekt ist auch für das kollektive IoT sehr essenziell.
Nordic will auf der Funkseite punkten. Ist es mehr eine Frage der Prozesstechnologie oder des Designs?
Jedes Unternehmen hat Zugang zu den modernsten Prozesstechnologien, das ist also kein Konkurrenzvorteil, das Design ist entscheidend.
Schon richtig, aber vielleicht ist Nordic einfach nur schneller, wenn es darum geht, auf modernere Fertigungsprozesse zu setzen?
Ich denke, dass sich Nordic dadurch unterscheidet, dass wir die komplette Funkeinheit im eigenen Haus entwickeln. Wir entwickeln außerdem unseren eigenen Connectivity-Stacks, was für unsere Kunden genauso entscheidend ist. Klar, wir haben viele Wettbewerber, aber wenn ein Problem mit den ICs dieser Unternehmen auftritt, wird es für die Kunden oft schwierig. Wir hingegen können die Probleme schnell lösen, weil wir alles im eigenen Unternehmen entwickelt haben. Dadurch sind wir viel schneller, wenn es darum geht, Probleme zu lösen oder Dinge zu verbessern.
Dazu kommt ein weiterer Punkt, der immer wichtiger wird: Security. Vor fünf Jahren hat sich noch kein Kunde für dieses Thema interessiert, mittlerweile ist das für viele das Thema Nummer 1.
Wünschenswert, eine Studie von Cisco hat eigentlich das Gegenteil beschrieben, sprich: das Thema steht für die meisten Anbieter immer noch an letzter Stelle.
Ja, aber die Regulierungsbehörden wachen langsam auf und fordern, dass Geräte, die mit dem Internet verbunden sind, auch über gewisse Sicherheitsmechanismen verfügen. Wir bei Nordic setzen uns seit vielen Jahren mit diesem Thema auseinander, das heißt, wir arbeiten hier an vorderster Front, um sicherzustellen, dass wir unseren Kunden voraus sind.
Security ist aber ein »Moving Target«. Bietet Nordic irgendwelche Möglichkeiten zu einem Upgrade oder Update?
Ja klar, wir machen das schon seit mehr als zehn Jahren, seit damals gibt es die Möglichkeit, Nordic-ICs over the air nachzurüsten, das ist ein wichtiger Teil unserer Security-Strategie.
Ein anderes Thema ist »Multi-Protocol«. Eine im Markt geforderte und damit für Nordic wichtige Eigenschaft?
Ja auf alle Fälle, mehrere Protokolle sind für uns essenziell, denn wir sind überzeugt, dass sich einige dieser Protokolle gegenseitig ergänzen. Wenn es beispielsweise um ein Smart-Home-System mit Matter geht, ist typischerweise auch Bluetooth für das Provisioning, sprich: die Bereitstellung, wichtig. Aber auch wenn ein Systemhaus verschiedene Arten von Mesh-Networking nutzt, muss es in vielen Fällen eine Brücke zwischen alten und neuen Systemen schaffen, sagen wir: ZigBee und Matter. Das heißt, dass sich die verschiedenen Kommunikationsstandards in ganz vielen Anwendungsfällen ergänzen, also explizit nicht gegenseitig verdrängen.
Aus unserer Sicht ist Bluetooth der gemeinsame Nenner, der mit so ziemlich allen anderen Technologien gut funktioniert. Bluetooth ermöglicht einen einfachen Zugang zu Mobiltelefonen, sodass viele Aufgaben über das Telefon erledigt werden können. Das gilt auch im Bereich mobiles IoT- und Tracking-Anwendungen. Auch im mobilen IoT möchten viele Anwender zum Beispiel WiFi verwenden, um sich mit den vorhandenen WiFi-Netzen zu verbinden und damit ein Tracking durchzuführen. Es ist ganz klar: Viele unserer Kunden implementieren mehrere Protokolle gleichzeitig, aber nicht alle. Einige werden auch weiterhin nur eine Technologie nutzen. Aber wir als Unternehmen versuchen sicherzustellen, dass wir Multi-Protokoll-Funktionen anbieten, die interoperabel sind und nebeneinander bestehen können.
Gibt es in verschiedenen Bereichen einen höheren Bedarf an Multi-Protokoll-ICs?
Smart Home ist sicherlich eine Applikation, die einen häufigen Einsatz von Multi-Protokoll-ICs fordert, denn dort werden typischerweise mehrere Kommunikationsprotokolle verwendet. Sei es eine Kombination von Thread und WiFi oder Thread, WiFi und Bluetooth, oder Thread und Bluetooth, wie auch immer, es handelt sich typischerweise um eine Kombination von Kommunikationsstandards. Aber auch beim Asset-Tracking im Nicht-Consumer-Bereich sind mehrere Kommunikationstechnologien die Regel. Das fängt beim Flottenmanagement an und endet bei der Verfolgung von Containern etc. – einer der Gründe für die Nutzung verschiedener Kommunikationsstandards ist der Stromverbrauch. Denn eines ist klar: Mobilfunk für alles zu nutzen ist aus Sicht des Stromverbrauchs zu teuer, das heißt, wenn diese Anwender eine andere Technologie verwenden können, werden sie das tun.