Neue Zahlen

Bedarf an E-Technik-Ingenieuren überflügelt Softwareentwickler

8. Dezember 2023, 11:51 Uhr | Corinne Schindlbeck
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Die IW-Studie im Detail

Besonders groß und schnell wachsend ist der Bedarf im Bereich elektrische Betriebstechnik und in der Mechatronik. Auch in der Schweiß - und Verbindungstechnik, in der Elektrotechnik (ohne Spezialisierung), der Automatisierungstechnik und bei technischen Servicekräften für Wartung und Instandhaltung sowie in der Metallbearbeitung klafft eine Lücke (siehe Grafik). Sie liegt laut IW in diesen Berufen jeweils zwischen 2.000 und 4.000 Stellen im Jahresdurchschnitt 2022/23.

Für etwa jede dritte offene Stelle, die in den Berufen der Halbleiterindustrie rechnerisch unbesetzt bleibt, sind hochkomplexe Tätigkeiten gefragt und verlangen üblicherweise ein abgeschlossenes Master- oder Diplom-Studium. Im aktuellen Jahresdurchschnitt 2022/23 fehlten hier rund 30.000 Experten – ein Anstieg um 7.500 (plus 34 Prozent). 

Die größte Lücke zwischen offenen Stellen und passend qualifizierten Bewerbern gibt es derzeit bei Experten in der Elektrotechnik. Hier fehlten 2022/23 fast 14.000 (plus 45 Prozent gegenüber 2021/22). Aber auch in der Softwareentwicklung (Fachkräftelücke 2022/23: 5.880; 2021/22: 6.536) oder in der technischen Produktionsplanung und -steuerung (Fachkräftelücke 2022/23: 4.548; 2021/22: 2.419). 
Ein kleinerer Teil der Nachfrage – etwa 15 Prozent, d.h. jede sechste Stelle – benötigte 2022/2023 eine Fortbildung als Techniker oder Meister oder ein Bachelor-Studium. Die Lücke beziffert das IW auf 12.200 Spezialisten: in der Elektrotechnik (Fachkräftelücke 2022/23: 3.512; 2021/22: 2.657) und Aufsichtskräfte in der Elektrotechnik (Fachkräftelücke 2022/23: 2.123; 2021/22: 1.713). Im Vergleich zu den Fachkräften mit Berufsausbildung und den Experten habe sich die Fachkräftelücke bei den Spezialisten jedoch nur geringfügig vergrößert (plus 3 Prozent gegenüber 2021/22).
Um die Engpässe zu reduzieren, fordert das IW ein ganzes Bündel von Maßnahmen, etwa die Weiterqualifizierung von Helfern aus fachnahen Berufen wie der Metallverarbeitung. Laut Studie könne so zumindest ein Teil der Fachkräftelücke geschlossen werden. 

Auch eine Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit könne zur Linderung beitragen. Hoffnung, diese bislang nur marginal gelöste Aufgabe nun schnell besser stemmen zu können, machen die Vorschläge des IW leider nicht. Denn die Rezepte sind die gleichen: Frühkindliche Bildung, Investitionen in MINT-Fächer von Anfang an, um stereotype Barrieren abzubauen, mehr weibliche Vorbilder oder die Förderung von flexiblen Arbeitszeiten und Maßnahmen zur Verbesserung der Work-Life-Balance, als eine Auswahl. 

Zudem soll es mehr Anreize für ältere Beschäftigte geben, länger berufstätig zu bleiben. Ob diese das auch wollen? Dazu gibt es keine belastbaren Zahlen. 
Bleibt die Hoffnung auf mehr Zuwanderung durch das reformierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz, gepaart mit einer ausbaufähigen Digitalisierung der Verwaltungsprozesse und Zeitarbeit für die Rekrutierung von Fachkräften im Ausland. 

An der Willkommenskultur könnte es noch hapern angesichts von rechtspopulistischen Zustimmungswerten im Osten von über 30 Prozent. Wie wahrscheinlich ist es aus der Sicht von Analystin Köhne-Finster, dass der Erfolg der AfD kein Bremsklotz ist, der ausländische Fachkräfte abschreckt? Eine »verschärfte öffentliche Debatte über Zuwanderung« könnte die politische Agenda beeinflussen, Integrationsmaßnahmen erschweren und fremdenfeindliche Einstellungen verstärken, bestätigt die IW-Expertin. Und potenziell zu einem angespannten sozialen Klima für Zuwanderer führen. »Aber es gilt auch, dass der Einfluss nicht einheitlich ist und von verschiedenen Faktoren abhängt. Viele Menschen setzen sich weiterhin für eine inklusive Gesellschaft ein.«

Wie viel Potenzial schlummert aus Sicht von Köhne-Finster in der Zeitarbeit? Eine seriöse Potenzialschätzung sei ihr nicht bekannt. Aber man könne davon ausgehen, dass »insbesondere die hohe Flexibilität in der Arbeitsnehmerüberlassung« sehr gute Voraussetzungen darstelle, um Fachkräftelücken durch Einsatz in Zeitarbeit zu minimieren. 


  1. Bedarf an E-Technik-Ingenieuren überflügelt Softwareentwickler
  2. Die IW-Studie im Detail

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