Zahlen zum IT-Fachkräftemangel

Chancen auch für Studienabbrecher und Quereinsteiger

13. Dezember 2023, 9:52 Uhr | Corinne Schindlbeck
© Bitkom

Die Absolventenzahlen in Informatik steigen. Doch es reicht nicht, um den Mangel an Bewerbern auszugleichen, zeigt eine neue Studie des Bitkom. In deutschen Unternehmen sind derzeit 149.000 Stellen für IT-Fachleute unbesetzt - 12.000 mehr als letztes Jahr. Wie soll der Mangel behoben werden?

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34.385 Studienabschlüsse in Informatik gab es zuletzt, 22 Prozent wurden von Frauen erlangt. Um die offenen Besetzungswünsche in Deutschland zu beheben, reicht das jedoch nicht.  In deutschen Unternehmen sind derzeit 149.000 Stellen für IT-Fachleute unbesetzt - 12.000 mehr als letztes Jahr. 

Diese Zahlen referierte Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst am Mittwoch auf einer Pressekonferenz vor Journalisten.  Der Fachkräftemangel verschärf sich weiter und werde sich auch in den nächsten Jahren nicht signifikant lindern lassen, lautet seine Prognose. Corona habe nur einen kleinen Dip in der Nachfrage verursacht, als die Zahl der offenen Stellen kurzzeitig unter die Marke von 100.000 gefallen sei.  Nun schreite die Technologisierung wieder rasant voran und es brauche für die neu entstehenden Technologien immer mehr spezialisierte Kräfte. Stellen unbesetzt zu lassen, sei keine Option: »Der Mangel an IT-Fachkräften besteht in Deutschland unabhängig von Konjunkturzyklen und ist ein systemisches Problem der deutschen Wirtschaft. Zu wenig Fachkräfte und zu viel Regulierung bremsen das digitale Deutschland«“, so Wintergerst. Davon sei neben den Unternehmen zunehmend auch die öffentliche Verwaltung betroffen, die »unbedingt mehr Digitalkompetenz« brauche. 

Doch woher nehmen? Führt der Fachkräftemangel inzwischen zu Wachstumsverlusten? Aus den vorhandenen Zahlen kann Wintergerst diese Fragen nicht beantworten, »das gibt unsere Studie nicht her«. Nur aus seiner persönlichen Sicht als Vorsitzender der Geschäftsführung von Giesecke+Devrient: »Was wir hierzulande nicht besetzen können, versuchen wir im Ausland aufzubauen«. 

Umgekehrt ist laut Umfrage ist die Rekrutierung von IT-Fachkräften aus dem Ausland jedoch nur für ein Fünftel der Unternehmen (22 Prozent) ein Thema. Seit Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes 2020 haben das gerade einmal 8 Prozent versucht, weitere 14 Prozent können es sich für die Zukunft vorstellen. Jene Unternehmen, die im Ausland rekrutiert haben, beklagen zu wenig Informationen über den Einwanderungsprozess (75 Prozent) sowie einen sehr hohen bürokratischen Aufwand (67 Prozent). 44 Prozent sagen, dass die Visum-Erteilung zu lange gedauert hat, bei 8 Prozent wurde ein Visum abgelehnt. Ein Viertel (24 Prozent) sieht fehlende Deutschkenntnisse bei den Bewerbern als Problem und 5 Prozent, dass deren Qualifikationen hierzulande nicht anerkannt wurden.

Wintergerst sorgt es, dass sich ausländische Fachkräfte in Deutschland nicht willkommen fühlen. Ausländerfeindlichkeit beklagen nämlich laut der Bitkom-Umfrage 62 Prozent der ausländischen IT-Kräfte, nur noch getoppt von den Bürokratischen Hürden in Deutschland (80 Prozent). »Das macht uns nicht zu einem Land, dass attraktiv ist für die benötigten Kräfte«, beklagt Wintergerst. Dass der demographische Wandel in Deutschland sich zunehmend zu einem Arbeitskräftemangel ausweite, verschärfe das Problem noch.  

Sogar der Aufbau der Halbleiterindustrie im Osten sei dadurch in Gefahr, »wenn das weiter voranschreitet«, fürchtet Wintergerst. Der Ruf Deutschlands, ein zuverlässiger Partner zu sein, könnte ebenfalls darunter leiden.  

Die Folgen des Fachkräftemangels für deutsche Unternehmen: steigende, oft monatelange Besetzungszeiten – vor allem im Bereich Cyber Security - und hohe IT-Gehälter, die wiederum auf die Preise umgelegt werden müssten. 61 Prozent der Unternehmen gaben an, dass die von Kandidaten geforderten Gehälter ihr Gehaltsgefüge übersteigen und es dadurch nicht zur Unterschrift kam. Dabei sind die Ansprüche schon reduziert worden:  23 Prozent der in den letzten 12 Monaten besetzen IT-Stellen waren Quereinsteiger, 17 Prozent Studienabbrecher.  »Der Quereinstieg in die IT ist eine attraktive Möglichkeit. Inzwischen gibt es auch eine Vielzahl von Angeboten, die Interessierte dabei unterstützen, etwa Programmier-Bootcamps«, so Wintergerst.

26 Prozent der Unternehmen haben jedoch überhaupt keine Bewerbungen erhalten. »Unternehmen müssen sich auf die Hinterbeine setzen, um attraktiv zu werden«, so Wintergerst. 
Aber es gibt auch Gründe, die in den Unternehmen selbst liegen. 40 Prozent räumen ein, dass sie die Anforderungen der Bewerber an mobiles Arbeiten nicht erfüllen können, 29 Prozent fordern Reisebereitschaft oder Umzug. Rund ein Fünftel (19 Prozent) der Unternehmen kann die Wünsche nach Weiterbildung nicht erfüllen, fast ebenso viele (18 Prozent) stellen fest, dass sie ihre Personalentscheidungen zu langsam treffen. Und 6 Prozent halten die Bewerberinnen und Bewerber für zu alt. 

Ein Schlüssel: Weiterbildung

Angesichts des schwierigen Arbeitsmarktes für IT-Fachkräfte setzen Unternehmen verstärkt auf Weiterbildung. 54 Prozent verfügen über eine zentrale Weiterbildungsstrategie, um digitale Kompetenzen zu vermitteln. 2017 waren es erst 37 Prozent. Und sogar 67 Prozent bilden die eigenen Mitarbeiter diesen Bereichen weiter, das ist fast eine Verdopplung innerhalb der vergangenen sechs Jahre (2017: 37 Prozent). Eine deutliche Mehrheit von 70 Prozent sagt, dass Unternehmen für die Weiterbildung der Beschäftigten zu Digitalthemen selbst verantwortlich sind.

Allerdings geben 34 Prozent auch an, dass Beschäftigte keine Lust auf einschlägige Weiterbildungen haben. Ebenfalls 34 Prozent sagen, es fehle die Zeit dafür, und 22 Prozent können sich nach eigenen Angaben solche Weiterbildungen nicht leisten. 31 Prozent beklagen ein zu unübersichtliches Angebot an Weiterbildungen. 

Fachkräftemangel: Jedes zweite Unternehmen setzt Hoffnungen auf KI

Rund die Hälfte der Unternehmen (48 Prozent) glaubt, dass KI im eigenen Unternehmen dabei helfen kann. Jeweils 4 von 10 Unternehmen erwarten, dass nahezu alle Beschäftigten mit KI in Berührung kommen werden (43 Prozent) und dass sich nahezu alle Tätigkeiten im Unternehmen durch KI verändern werden (40 Prozent). 44 Prozent gehen davon aus, dass KI die Beschäftigten im Unternehmen überfordern wird, 38 Prozent bieten entsprechende Weiterbildungen an. Dabei erwarten die Unternehmen, dass KI die Beschäftigten bei Standardaufgaben entlasten wird (57 Prozent), bei der individuellen Weiterbildung helfen (51 Prozent) und IT-Fachkräfte unterstützen kann, etwa beim Programmieren (42 Prozent). 40 Prozent meinen, dass KI das Schreiben von Arbeitszeugnissen übernehmen wird. Ein Drittel sieht Potenzial bei der Bewertung von Arbeitsleistungen (32 Prozent) oder der Vorauswahl von Bewerberinnen und Bewerbern (31 Prozent). Rund ein Viertel hält den KI-Einsatz bei der Bewertung der Arbeitsbelastung (26 Prozent) und dem Onboarding (23 Prozent) neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für möglich. Nur 15 Prozent gehen davon aus, dass KI bei keiner dieser Aufgaben unterstützen kann.
 


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