Für Adlkofer stellt sich aber trotz des China-Pushs auch heute noch die Frage: Sind die 48 Volt antriebstechnisch eine Brückentechnologie oder langfristig doch nur eine zweite Spannungsebene, die mit dem Antrieb vielleicht gar nicht mehr so viel zu tun hat, sondern mit der nur noch gewisse Aggregate mit 48 Volt betrieben werden? Adlkofer: »Ich würde sagen, dass die 48-Volt-Technik aus heutiger Sicht antriebstechnisch nur eine Brückentechnologie darstellt, wobei ich dennoch überzeugt bin, dass die 48-V-Technik ihren Platz im Fahrzeug haben wird.« Armin Derpmanns, Head of Semiconductor Marketing & Operations von Toshiba Electronics Europe, beurteilt die Situation allerdings anders. Er erklärt, dass auf der 48-Volt-Konferenz in Berlin Ende letzten Jahres (7th International Conference Automotive 48 V Power Supply Systems) die Beiträge relativ eindeutig besagen: Die 48-V-Technik ist antriebstechnisch keine Brückentechnologie.
Funktionale Sicherheit
Derpmanns glaubt, dass die 48-V-Technik weniger für sicherheitskritische Systeme genutzt werden wird als für Funktionen beispielsweise im Komfortbereich. Das sieht auch Adlkofer so und erklärt: »Ein Kurzschluss zwischen 48 und 12 V kann passieren. Dieses Problem bestand schon vor vielen Jahren bei der 42-V-Technik und war schlussendlich für den Tod der 42-V-Technik verantwortlich. Und unter einer Betrachtung aus dem Blickwinkel der funktionalen Sicherheit stellt sich damit die Frage: Was fällt bei einem Kurzschluss aus?« Unter diesem Aspekt ist eine Komfortfunktion nicht so tragisch, »was ich aber sicher nicht möchte, ist, dass beispielsweise die Lenkung ausfällt«, so Adlkofer.
Genau diese Überlegungen haben schlussendlich auch dazu geführt, dass die 48-V-Technik heute anders genutzt wird als ursprünglich gedacht. Anfänglich wurde die Idee verfolgt, alles rund um den Generator herum zu elektrifizieren. Das führte zum Beispiel dazu, dass man damals als erstes System an die Servolenkung dachte. »Inzwischen hat sich aber gezeigt, dass die Servolenkung mit 48 V nicht besser gemacht werden kann, deswegen bleibt die Industrie bei 12-V-Einfachlösungen«, so Adlkofer weiter. Heute konzentrieren sich die Hersteller auf Systeme wie Federung oder Klimaanlage. Adlkofer: »Man muss die funktionale Sicherheit gut verstanden haben, um zu entscheiden, wie man den Kabelbaum verlegen kann, um den Kurzschluss zwischen 48 und 12 V zu vermeiden. Wenn eine Safety-relevante Funktion im falschen Eck verortet ist, dann kann sie eben nicht auf 48 Volt umgesetzt werden. Deshalb wird es unterschiedliche Lösungen geben. Da hat jeder OEM eine leicht andere Sichtweise, weil es auch von seiner Architektur abhängig ist«, so Adlkofer.
So oder so: »In China besteht der ganz klare Trend, 48 Volt im Antrieb zu nutzen. Die Frage ist nur: Wie viel wird mit 48 Volt elektrifiziert? Aber die Technik wird jetzt durch China einen deutlich größeren Push bekommen, als man noch vor zwei, drei Jahren dachte, als man noch davon ausgegangen ist, das diese Technik nur auf Europa begrenzt ist, dass China wieder abspringt und USA sowieso nicht auf diese Technik setzt. Aber mittlerweile hat sogar Fiat Chrysler 48 Volt für sich entdeckt, und selbst japanische Firmen nutzen die Technik«, so Adlkofer abschließend.
Definitionen von TTW, WTW, WTT
Volkswagen definiert die Abkürzungen folgendermaßen: »Mit dem Ausdruck Tank-to-Wheel (TTW) ist ein Teilbereich in der Energiewirkkette eines Fahrzeugs gemeint, der vom Zeitpunkt der Energieaufnahme (Ladepunkt, Tanksäule) bis zur Entladung (Unterwegssein) reicht. Mit TTW werden also die Nutzung des Kraftstoffs im Fahrzeug sowie die Emissionen im Fahrbetrieb beschrieben, während der Begriff Well-to-Tank (WTT) den Teilbereich der Kraftstoffbereitstellung beschreibt — von der Produktion des Energieträgers (Benzin, Diesel, Strom, Erdgas) bis zur Kraftstoffbereitstellung (Transport zu Ladepunkt oder Tanksäule).
Demgegenüber wird in der Ära von E-Mobilität und Dekarbonisierung zunehmend eine ganzheitliche Betrachtung favorisiert, welche den gesamten Energieverbrauch sowie alle Treibhausgasemissionen eines Kraftstoffs, die durch Herstellung, Bereitstellung und Nutzung verursacht werden, umfasst. Der zugehörige Oberbegriff, der Tank-to-Wheel und Well-to-Tank subsumiert, lautet Well-to-Wheel (WTW).«