Ohne ausländische Studierende wären Elektrotechnik-Studiengänge vielerorts gähnend leer – einige wären vielleicht gar nicht mehr zu halten. Deutlich beliebter ist die Informatik, zeigen aktuelle Zahlen. Aber tragen diese Studienanfänger auch zur Beschäftigung bei?
Anders als die Informatik kämpft die Elektrotechnik an deutschen Hochschulen weiterhin mit einem sinkenden Zulauf an Studienanfängern. Der Lichtblick: Ausländische Studierende halten die Erstsemesterzahlen zunehmend stabil, zeigt eine exklusive Auswertung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). E-Technik ist das Fach mit dem größten Anteil internationaler Studierender überhaupt. Vor allem Asiaten haben – nach einem pandemiebedingten Einbruch – einen Rekordwert erreicht und sorgen so für die dringend benötigte Stabilisierung und damit auch Finanzierung der Lehrstühle in der Elektrotechnik.
Marc Hüsch ist Projektleiter des Portals hochschuldaten.de beim CHE. Sein Resümee: »Der Anteil der ausländischen Studienanfänger in der Elektrotechnik ist inzwischen sehr hoch. Wenn es keine ausländischen Studienanfänger hier gäbe, wäre die Zahl insgesamt auf einem sehr geringen Niveau.« Warum die Informatik beliebter ist als die Elektrotechnik, darüber kann Hüsch nur spekulieren. »Ich denke, dass Jugendliche inzwischen sehr stark mit digitalen Medien aufwachsen und auch in der Schule über das Schulfach Informatik schon sehr affin diesbezüglich sind. Auch werden IT-Fachkräfte (ähnlich wie in den technischen Fächern) weiter händeringend gesucht.« Möglicherweise sei das Image der technischen Fächer aber aktuell nicht so gut. Die Gründe dafür seien »sehr vielschichtig«.
Über die Gründe für das Imageproblem hierzulande können Experten wie Hüsch also nur spekulieren. Aber die Zahlen sprechen für sich: Im Wintersemester 2022/23 machten Ausländer 42,3 Prozent der Erstsemester in Elektrotechnik aus, fasst das CHE die Daten des Statistischen Bundesamtes zusammen. Ohne diese internationalen Studierenden würde das Fach an vielen Universitäten auf einem äußerst geringen Niveau verharren, während in Informatik stellenweise ein kaum beherrschbarer Zulauf herrscht.
Davon sind kleinere Fakultäten der Elektrotechnik sogar existenziell bedroht. Denn die Finanzierung hängt stark von der Anzahl der Studierenden ab. Sinkt deren Zulauf, stehen die Mittel zur Disposition bzw. werden beliebteren Fächern zugesprochen. Weniger Studienanfänger in einem Fach bedeuten also letztlich weniger Geld für die Fakultät, weniger Anschaffungen für Labore und drohende Einbußen in der Lehre. Insbesondere in der Elektrotechnik spielen die ausländischen Studierenden also eine entscheidende Rolle. Aber stehen sie nach dem Studium auch dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung?
Arbeitsmarktexperten wie Dr. Michael Schanz vom Verband der Elektrotechnik (VDE) äußern Skepsis. »Rund jeder zehnte Elektrotechnik-Studierende kommt aus China. Die überwiegende Mehrheit bleibt nur kurze Zeit hier bzw. kehrt direkt nach dem Abschluss nach China zurück. Älteren Studien zufolge verbleibt nur ca. die Hälfte aller ausländischen Ingenieur-Absolventen in Deutschland. Unsere Absolvierenden-Statistik für den Arbeitsmarkt ist also nur geschönt«, warnt Schanz, was einen Schatten auf die ansonsten positiven Auswirkungen ausländischer Studierender auf die Elektrotechnik-Fakultäten wirft. »Das CHE liegt mit seiner Einschätzung goldrichtig. Laut aktuellen Berichten aus den Hochschulen sind internationale Elektrotechnik-Masterprogramme eher erfolgreich, während die Bachelor-Programme zahlenmäßig vor sich hindümpeln. An einer deutschen Technischen Uni sind es aktuell um die zehn (!) Erstsemester.«
Die Herausforderung, die ausländischen Studierenden langfristig in Deutschland zu halten und die Attraktivität der Elektrotechnik als Studienfach hierzulande zu steigern, bleibt also bestehen. Etwa durch Imageförderung. So geben immer mehr Hochschulen traditionellen Elektrotechnik-Studiengängen einen moderneren Anstrich in Form neuer Fächerkombinationen wie »Robotik« oder »Electrical Systems Engineering«, um mehr Zulauf zu generieren. Auch der VDE arbeitet strategisch mit Partnern am Image. Neuestes Projekt als Teil dieser Initiative: Am 7. Juni sollen in Dresden die Bässe wummern und unter dem Motto »bits, bonding, bassline« Young Professionals und Industrie gemeinsam feiern. Noch werden Sponsoren gesucht.