Tag der Frauen in der Wissenschaft

»Heute zu programmieren, hätte ich mir nicht vorstellen können«

8. Februar 2024, 9:50 Uhr | Corinne Schindlbeck
Zum "Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft" am 11. Februar stellen die Fraunhofer FKIE-Kolleginnen Theresa Krumbiegel, Sophie Decher und Carolin Meyer-Schwalm (v.l.n.r.) sich und ihren Weg vor.
© Fraunhofer FKIE

Am 11. Februar ruft die UN alljährlich seit 2015 den Internationalen Tag der Mädchen und Frauen in der Wissenschaft aus. Dass am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) inzwischen zur Hälfte Frauen arbeiten, liegt an gezielten Maßnahmen.  

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Carolin Meyer-Schwalm hat vor gut fünf Jahren das Studium der Elektrotechnik an der RWTH Aachen mit bestem Ergebnis abgeschlossen. Heute ist die 30-jährige Forscherin am Fraunhofer FKIE.  Frauen wie ihr ist der „Internationale Tag der Mädchen und Frauen in der Wissenschaft“ am 11. Februar gewidmet, den die UN seit 2015 ausruft. Frauen sind laut Statistischem Bundesamt im F&E-Bereich noch rar: zwischen 2011 und 2021 stieg ihr Anteil in Deutschland um gerade einmal 2,6 Prozent.

»Elektrotechnik studieren? Das habe ich mich zuerst nicht getraut«, gibt Carolin Meyer-Schwalm zu. Geprägt oder entsprechend vorbelastet sei sie auch nicht gewesen: Sie habe ihre Freizeit weder mit Löten und Schweißen zu gebracht, noch sich als naturwissenschaftlicher „Nerd“ gefühlt. Sie war in der Schule gut in Naturwissenschaften – aber eben auch in anderen Fächern. Studienmöglichkeiten gab es für die vielseitig begabte und interessierte Schülerin also viele.

Am Ende fehlte ihr ein wenig der Mut, sich gleich an E-Technik zu wagen und sie begann zunächst ein Bachelor-Studium in Wirtschaftsingenieurwesen an der RWTH Aachen. »Mir hat damals womöglich der richtige Schubs zur richtigen Zeit gefehlt, um mich gleich für Elektrotechnik einzuschreiben«, erinnert sie sich. Auch Wirtschaftsingenieurwesen sei zu Beginn eine Männerdomäne und damit eine Herausforderung gewesen: »Unter rund 600 jungen Männern im Hörsaal gab es vielleicht ein oder zwei Handvoll Frauen«, erinnert sie sich. »Aber das hatte auch seine positiven Seiten: Alle kannten einen.«

Heute strebt die FKIE-Wissenschaftlerin als nächstes Karriereziel die eigene Promotion an und ist als Mutter zweier Jungs im Alter von zwei und vier Jahren seit 2020 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der FKIE-Forschungsabteilung „Sensordaten- und Informationsfusion“ (SDF) angestellt. Derzeit arbeitet sie 25 Stunden pro Woche. »Anfangs hatte ich etwas Sorge, von den Kollegen nur als Teilzeit-Mutti wahrgenommen zu werden«, erinnert sie sich: »Doch diese Sorge war absolut unbegründet.« Für die Betreuung hat die 30-Jährige eine der deutschlandweit wenigen Professorinnen für Elektrotechnik als Doktor-Mutter gewinnen können.

Jungen Frauen, die heute darüber nachdenken, ein MINT-Fach zu studieren, spricht Meyer-Schwalm Mut zu: Mit einem naturwissenschaftlichen Studium sei jede Frau thematisch breit aufgestellt, flexibel und auf dem Arbeitsmarkt sehr begehrt. »Es gibt nichts zu verlieren«, lautet ihr Rat. »Habt keine Angst davor, in der Minderheit zu sein und vertraut auf Eure Stärken.«

Ein Schlüssel für erfolgreiche Karrieren wie die von Carolin Meyer-Schwalm scheint in der gezielten Förderung zu liegen. Bei der FKIE-Forschungsabteilung „Mensch-Maschine-Systeme“ (MMS) ist mittlerweile die Hälfte der Mitarbeitenden weiblich, bei immer mehr Forschungsgruppen übernehmen Frauen die Leitungsposition, berichtet Dr. Eva Kneise, Leiterin der Personalentwicklung am Fraunhofer FKIE. »Bestimmte Programmangebote wie etwa ‚Talenta‘ unterstützen die Mitarbeiterinnen dabei, sich untereinander zu vernetzen, ihre Karrieren zu planen und voranzukommen.«

Neben der Arbeit und Forschung in interdisziplinären und internationalen Teams gebe es zudem viele Modelle am Institut, die für Frauen reizvoll seien: Auszeiten ohne den befürchteten „Karriereknick“ etwa, Projektleitung auf Zeit, um Erfahrungen zu sammeln, oder auch Führung in Teilzeit. »Das alles ermutigt Frauen, sich mehr zuzutrauen, mehr Verantwortung oder eine Leitungsrolle zu übernehmen«, so Kneise.

Dabei ist der Weg in die Forschung keineswegs nur Ingenieurinnen vorbehalten. Das zeigen die Beispiele von Sophie Decher und Theresa Krumbiegel. Beide arbeiten am Fraunhofer FKIE in der Forschungsgruppe „Informationsanalyse“ auf dem Gebiet des Natural Language Processing (NLP), einem interdisziplinären Teilgebiet der Informatik und Linguistik. Große Datenmengen – etwa aus dem Bereich Social Media – gilt es dabei nach bestimmten Schemata zu strukturieren, zu verarbeiten und zu analysieren. Sowohl Decher als auch Krumbiegel haben in Bonn »Applied Linguistics« studiert und über Praktika das Institut kennengelernt, an dem sie seit mittlerweile einigen Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen tätig sind.

Vorgezeichnet war dieser Weg auch für sie eher nicht: »Ich habe zwar ein MINT-Gymnasium besucht, aber als Leistungskurse Deutsch und Englisch belegt«, erinnert sich die 29-jährige Krumbiegel. »Dass ich heute programmiere, hätte ich mir vor zehn Jahren nicht vorstellen können.« Auch in ihrer Forschungsabteilung sind die Männer in der Überzahl. In der täglichen Arbeit spiele das aber keine Rolle, betonen beide Wissenschaftlerinnen. »Die Arbeit steht im Mittelpunkt, unabhängig davon, ob ein Mann oder eine Frau sie leistet.« Häufig hätten sie es hingegen erlebt, dass die Umwelt im ersten Moment überrascht reagiere, wenn sie von ihrer wissenschaftlichen Arbeit berichten. Da gebe es auch in der externen Wahrnehmung noch einiges zu tun. Ihrer beider Hoffnung: »Je mehr Frauen wir in der Wissenschaft werden, desto leichter wird es in Zukunft.« 


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