Nicht nur das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hält den Fachkräftemangel für eine "Fata Morgana", auch etliche unserer Leser. Doch es gibt auch Stellenprofile, an denen sich selbst teure Headhunter die Zähne ausbeißen. Lesen Sie hier einige Reaktionen unserer Leser auf den letzten K-Ing.-Newsletter.
Dieter Renner, DRC Advisors to Board:
Seit rund zwanzig Jahren kommt die Klage der Wirtschaft bezüglich Fachkräftemangel (Ingenieure, Techniker und Facharbeiter) am Anfang „vermeintlicher“ Konjunkturaufschwünge. Gerade in der Markt & Technik konnte man in den letzten fünfzehn Jahren dies beobachten. Gleichzeitig wurden viele Leserbriefe von Ingenieuren abgedruckt, die eine ganz andere Situation in den Unternehmen beschrieben.
Ich möchte einige Aussagen im folgendem aus der Motivation heraus treffen, die Gefährlichkeit der aktuellen Diskussion für die Wirtschaft und Verbände im Hinblick auf die Reaktionen der Politik zu beleuchten. Gerade in dem aktuell verabschiedeten Programm der EU-Kommission „Europa 2020“ ist die Absicht geäußert worden, im Rahmen einer vertieften Industriepolitik in den Unternehmen bezüglich der Beschäftigungspolitik einzugreifen. Sollte die Politik den Eindruck gewinnen, dass die Industrie nicht in der Lage ist, mittel- bis langfristig die nötigen Personalkonzepte zu gestalten, ist mit einem ungewünschten Eingriff in die Rahmenbedingungen der Unternehmen zu rechnen.
Wie ist die heutige Situation auch in der Retrospektive der letzten fünfzehn Jahre zu bewerten:
Gibt es überhaupt einen Fachkräftemangel? Geht man von einer statischen Betrachtung der Elektronikindustrie (ohne Berücksichtigung struktureller Veränderungen der Zukunft) so ergibt sich aus der demographischen Prognose, dass ab 2020 die ausscheidenden Jahrgänge nicht mehr ersetzt werden können. Die Verbände benennen aktuell Zahlen im Bedarf, die teilweise um den Faktor 100% variieren, ohne die Prämissen zu benennen. In einer aktuellen DIW-Studie, die wirtschaftspolitische Veränderungen berücksichtigt, wurde sogar der Fachkräftemangel bezweifelt; aufgrund des politischen Drucks von Wirtschaftverbänden wurde diese Studie dann entschärft. Wenn es einen aktuellen Bedarf an Fachkräften gäbe, müsste doch jetzt folgendes passieren:
Aktuell ist dies nicht bis auf Ausnahmen zu beobachten. Deswegen kann über die Motive der aktuellen Diskussion trefflich spekuliert werden.
Vielleicht ist die aktuelle Situation aber auch nur der Globalisierungsentwicklung der letzten fünfzehn Jahren geschuldet. Die Nachwuchskräfte sehen im Hinblick auf die Unsicherheiten der Entwicklung der Industrie keinen vernünftigen „return-of-invest“ einer technischen Ausbildung; die Industrie kann offensichtlich keine validen Perspektiven aufzeigen und kommunizieren. Die Unternehmen haben vielleicht neben den Chancen nicht die Anforderungen gesehen, ihre Unternehmensführungen- insbesondere in Richtung des „Human-Resource-Managements“ professionell zu entwickeln.
Ich sehe jetzt die Industrie und Verbände in der Pflicht, valide ihre Aussagen zu belegen und klare Handlungsangebote und Verpflichtungen an den Nachwuchs und die Politik zu unterbreiten.