Vielen Beschäftigten wird derzeit ein vertrautes Stück Alltag genommen: Homeoffice wird zurückgedreht, Flexibilität eingeschränkt. Für Teams heißt das zurück in alte Muster, für Arbeitgeber zurück zur Kontrolle. Wer zahlt dafür am Ende den höheren Preis?
Viele Beschäftigte erleben gerade, wie vertraute Freiheiten zurückgefahren werden. Homeoffice verschwindet nicht, aber es wird wieder zur Ausnahme. Für manche Führungskräfte wirkt das wie eine Rückkehr zu mehr Steuerbarkeit - ein verständliches Bedürfnis in unsicheren Zeiten. Für Teams bedeutet es jedoch oft: zurück in alte Routinen. Das einstige Versprechen von Flexibilität? Auf unbestimmte Zeit geparkt. Schließlich ist Krise. Da scheint für organisatorische Experimente kein Platz zu sein.
Doch die Realität des Arbeitsmarktes lässt sich nicht zurückdrehen. Die Zahl der Studienanfänger in der Elektrotechnik sinkt seit Jahren, gleichzeitig gehen erfahrene Fachkräfte in Rente. Der Mangel an qualifizierten Ingenieuren ist kein Randaspekt, sondern eine strukturelle Dauerlage - unabhängig vom Konjunkturzyklus. Parallel geraten Wissensarbeiter in überlaufenen Feldern stärker unter Druck. Zwei Entwicklungen, die nur auf den ersten Blick zusammenpassen.
Wer Schaltungen entwickelt, Software schreibt oder KI-Modelle baut, weiß: Qualität entsteht nicht durch bloße Anwesenheit, sondern durch Konzentration, Gestaltungsspielraum und Vertrauen. Präsenz kann Zusammenarbeit stärken – aber Zwangsmodelle schrecken genau jene Talente ab, die Arbeitgeber händeringend suchen. Für rare Fachkräfte gilt das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Sie werden wählen - und gehen, wenn sie müssen. Spätestens im nächsten Aufschwung dreht sich das Personalkarussell wieder.
Stattdessen sollten wir über das sprechen, was wirklich wirkt: Bildung, Begeisterung und Mut zur Anpassung. Der VDI weist zurecht darauf hin, dass Curricula, die sich im Dreijahresrhythmus ändern, nicht zu Technologien passen, die sich jährlich weiterdrehen. Mehr digitale Inhalte, mehr Praxis, schnellere Modernisierung - das wäre ein echter Hebel. Das Zurückdrehen von Homeoffice-Regeln ist es nicht.
Die Branche hat zudem ein Attraktivitätsproblem. Sinkende Anfängerzahlen, ein blasses Image, schulischer Frust in Informatik – das schreckt den Nachwuchs ab, bevor er überhaupt startet. Arbeitgeber sollten inspirieren, nicht resignieren.
KI wird Routinearbeit weiter reduzieren; gefragt sind künftig Menschen, die denken, entscheiden, entwickeln. Für manche entsteht diese Stärke im direkten Austausch vor Ort. Andere brauchen Distanz und Fokus. Beides ist legitim. Anwesenheitspflichten lösen keines der zentralen Probleme - sie erzeugen Kontrolle, aber keine Qualität. Wer Menschen vertraut und ihnen Wahlmöglichkeiten gibt, wird sie halten. Wer Vorschriften stapelt, wird verlieren. So einfach ist die Mechanik.